Выбрать главу

„Doch da ist etwas, das ich nicht tun kann, nicht tun darf, auch wenn mein Herz es will. Ich kann es nicht tun, weil ich weiß, dass mein Vater es nicht gutgeheißen hätte, und ich muss seine Wünsche ehren, das, wofür er gekämpft und dem er sein Leben geweiht hat. Meine Gefühle sind unwichtig.“ Baine seufzte schwer. „Sosehr ich es auch will... ich darf Garrosh Höllschrei nicht angreifen.“

Jaina entspannte sich merklich.

„Garrosh ist von meinem Kriegshäuptling Thrall ernannt worden. Mein Vater schwor Thrall Loyalität, ebenso wie ich, und glaubte in seinem Herzen, dass Garrosh verantwortlich für den Angriff auf die Schildwachen vom Eschental war und wohl auch für den Überfall auf die friedliche Zusammenkunft der Druiden. Deshalb veranstaltete er ja das Mak’gora gegen Garrosh, zum Besten der Horde. Er stand sogar noch zu seiner Herausforderung, als Garrosh die Regeln änderte und das Mak’gora so zu einem Kampf auf Leben und Tod machte. In dieser Situation tat er das Richtige und ließ sich nicht von Wut, Hass oder Rache leiten.“

Baines Stimme brach. „Seine Motive waren die Liebe zur Horde und das Verlangen, sie in Sicherheit zu wissen. Er war gewillt, sein Leben für sie aufs Spiel zu setzen, und er hat es für sie verloren.“

Anduin sprudelten die Worte aus dem Mund, bevor er sie aufhalten konnte. „Aber niemand würde Euch das Recht auf Rache abstreiten. Vor allem, wenn Ihr beweisen könnt, dass Garrosh Magatha die Klinge vergiften ließ! Der Angriff auf die Druiden...“

Jaina war mit Anduins Einwurf nicht einverstanden, und Baine schien erschreckt. Er schwang seinen großen Kopf herum und blickte Anduin an.

„Ja, aber was Ihr nicht versteht – und vielleicht auch Ihr nicht, Jaina –, ist, dass mein Vater die Herausforderung zum Mak’gora aussprach. Der Ausgang des Kampfes beendet die Sache ein für alle Mal. Die Erdenmutter hat gesprochen.“

„Aber Garrosh hat doch betrogen...“

„Wir haben zwar den Beweis dafür, dass Magatha die Klinge vergiftet hat, aber wir können nicht beweisen, dass Garrosh davon wusste. Im Herzen meines Vaters gab es keinen Zweifel. Aber in meinem Herzen sind Zweifel. Wenn ich ihn herausfordere ohne die absolute Sicherheit, dass ich recht habe, ignoriere ich die uralten Traditionen meines Volkes. Wenn ich sage, dass mir diese Gesetze nicht gefallen und ich ihnen nicht gehorche, dann verleugne ich die Erdenmutter. Was macht das aus mir, junger Anduin?“

Anduin nickte bedächtig. „Ihr könnt nicht behaupten, das Mak’gora sei ein gerechter Weg, um Recht von Unrecht zu scheiden, und es dann später als ungerecht bezeichnen, weil Euch der Ausgang des Kampfes nicht gefallen hat.“

Baine schnaubte zustimmend. „Ihr versteht es, sehr gut. Mein Vater forderte Garrosh heraus in dem Versuch, der Horde zu helfen. Doch wenn ich das tue, werde ich sie auseinanderreißen. Ich würde die Lebensart der Tauren zerstören, alles, wofür sie gekämpft haben, und das in dem fehlgeleiteten Versuch, eben sie zu retten. Dafür hat Cairne Bluthuf sein Leben nicht gegeben. Also werde ich es nicht tun.“

Anduin spürte, wie ein Schauder seinen Rücken hinablief. Er wusste, was zahllose Menschen und auch andere Völker der Allianz von den Tauren und der Horde hielten. Oft genug hatte er gehört, wie es geflüstert wurde und manchmal sogar gebrüllt. Monster wurden die Mitglieder der Horde genannt. Für viele waren die Tauren kaum mehr als gewöhnliche Tiere. Doch Anduin wusste, dass er in der zugegebenermaßen kurzen Zeit, die er auf dieser Welt war, nie zuvor eine solche Rechtschaffenheit in einer schwierigen Situation erlebt hatte.

Ihm war klar, dass Baine mit dieser Entscheidung nicht völlig im Reinen war. Der Taure wusste, was richtig war, aber er wollte es nicht tun. Anduin erkannte, woher diese Erkenntnis stammte, dass Baine auch nicht glaubte, dass er es konnte.

Baine glaubte nicht, dass er ein ähnlich großer Taure sein könnte, wie sein Vater es gewesen war. Hinter seinen Worten, die offensichtlich das Resultat schmerzhafter Überlegungen waren, lauerte die Angst zu versagen.

Anduin wusste nur zu gut, wie es war, im Schatten eines mächtigen Vaters leben zu müssen. Es war für jedermann, der Augen und Ohren hatte, offensichtlich, dass Baine und Cairne sich sehr nahegestanden hatten. Anduin spürte, wie bei dieser Erkenntnis Neid in ihm aufstieg. Gegenwärtig stand er Varian nicht gerade besonders nahe, obwohl das einmal anders gewesen war. Er sehnte sich nach diesen Zeiten zurück. Wie würde er sich fühlen, wenn sein Vater ihm so brutal und überraschend genommen würde? Wie hatte sich Varian gefühlt, als dessen Vater ermordet worden war? Was hätte sein Vater getan, wenn er nicht über die Weisheit von Anduins Namensvetter Anduin Lothar verfügt hätte?

Wäre Anduin in der Lage gewesen, diesen Schmerz zu empfinden – den Baine ganz sicher nicht vortäuschte –, hätte er dann immer noch den Weg gewählt, der für sein Volk der beste war? Oder hätte er vielmehr seinen eigenen Wünschen nachgegeben?

„Ich bin gleich wieder da“, sagte Anduin plötzlich. Er erhob sich, verneigte sich und spürte Jainas und Baines neugierige Blicke auf sich ruhen, als er zu dem Raum rannte, den Jaina ihm zur Verfügung gestellt hatte. Unter dem Bett lag das Bündel, das er mitgebracht hatte, als er mit Hilfe des Ruhesteins aus Eisenschmiede und Moiras goldenem Käfig geflohen war. Hastig griff er danach und eilte zu Jaina und Baine zurück. Jaina hatte eine schmale Furche zwischen den Brauen, die Anduin verriet, dass sie über sein Verhalten ein wenig verärgert war. Er setzte sich wieder, griff in den Beutel und holte den in Stoff eingeschlagenen Gegenstand hervor.

„Baine... ich weiß nicht... Vielleicht ist das ein wenig zu forsch von mir, und ich weiß wirklich nicht, ob es Euch interessiert, was ich denke, aber... ich möchte, dass Ihr versteht, warum ich diesen Weg wähle. Und ich glaube, es ist der richtige.“

Baine kniff seine Augen zusammen, unterbrach ihn jedoch nicht.

„Doch... mir scheint es so...“ Anduin suchte nach Worten, und die Röte in seinem Gesicht nahm zu. Er wurde von einem Impuls geleitet, den er nicht verstand, und er hoffte, er würde es nicht bereuen. Er atmete tief ein.

„Ich habe den Eindruck, dass Ihr selbst nicht glaubt, dass der gewählte Weg der richtige ist. Dass Ihr Euch sorgt, dass... Ihr nicht fähig sein könntet, ihn zu gehen. Dass Ihr bezweifelt, der beste Anführer Eures Volkes sein zu können, wie es Euer Vater war.“

„Anduin...“

Jainas Stimme war scharf und enthielt eine unmissverständliche Warnung.

Baine hielt eine Hand hoch. „Nein, Lady Jaina. Lasst ihn ausreden.“ Sein Blick bohrte sich in Anduins blaue Augen.

„Aber... ich glaube, dass Cairne Bluthuf sehr stolz darauf wäre, was Ihr hier heute Abend gesagt habt. Ihr seid wie ich: Wir wurden geboren, um dereinst unsere Völker anzuführen. Darum haben wir nicht gebeten, und jeder, der glaubt, dass unser Leben leicht und angenehm ist... weiß nicht, was das für uns bedeutet. Jemand glaubte einst an mich und gab mir dies hier.“

Er packte den Gegenstand aus und legte ihn in seinen Schoß. Furchtbrecher fing das Licht des Feuers ein und funkelte hell. Anduin strich über die alte Waffe, während er sprach. Seine Hand wollte sich um sie legen, doch er widerstand diesem Wunsch.

„König Magni Bronzebart gab mir dies in der Nacht vor... vor dem Ritual, bei dem er den Tod fand. Es ist eine alte Waffe namens Furchtbrecher. Wir reden über Verpflichtungen, und manchmal sind die Dinge, die von uns erwartet werden, nicht das, was wir wirklich tun möchten.“ Er blickte Baine an. „Ich glaube, die Tauren sind wütend und auf Rache aus. Einige werden nicht glücklich darüber sein, dass Ihr nicht auch nach Rache dürstet. Doch Ihr wisst, dass Ihr auf dem richtigen Weg seid – für Euch und auch für sie. Zwar wissen sie es jetzt noch nicht, doch eines Tages werden sie es verstehen.“