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Er hob Furchtbrecher in die Höhe und umfasste den Stab behutsam mit beiden Händen. Magnis Worte fielen ihm wieder ein: Er hat schon Blut geschmeckt, und in manchen Händen, so ist es überliefert, hat er auch schon Blutungen gestillt. Hier, nimm ihn. Halte ihn in der Hand. Sehen wir, ob der Stab dich mag.

Er wollte die Erinnerung an Magni nicht loslassen. Wenn jemals eine Sache für jemanden gemacht wurde, dann diese Waffe für dich, hatte der König gesagt.

Doch Anduin war sich dessen nicht so sicher. Vielleicht war Furchtbrecher ihm nur für eine kurze Zeit bestimmt gewesen. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Er gab Baine die Waffe. „Hier, nehmt ihn. Haltet ihn und lasst uns... lasst uns sehen, ob er Euch mag.“

Baine war verwirrt, tat jedoch, wie ihm geheißen. Der Stab war zu groß für Anduin, aber dennoch wirkte er in Baines riesigen Händen klein. Baine betrachtete die Waffe und seufzte, stieß den Atem aus und entspannte sich. Anduin lächelte sanft, als er dies sah.

Einige Sekunden später begann Furchtbrecher hell zu leuchten.

„Er mag Euch wirklich“, sagte Anduin leise und spürte ein vages Gefühl des Verlustes. Er hatte nicht einmal die Chance gehabt, die Waffe zu führen, bevor sie weitergegeben werden wollte. Doch zugleich verspürte er kein Bedauern darüber, was getan werden musste. Aus einem Grund, den Anduin nicht verstand – und vielleicht niemals verstehen würde –, hatte das Licht Baine erwählt, so wie es einst ihn erwählt hatte.

„Der Stab glaubt auch, dass Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. Er hat Vertrauen in Euch... so wie ich und so wie Jaina. Bitte nehmt ihn. Ich glaube, er wurde mir nur anvertraut, um ihn Euch hier und heute zu übergeben.“

Einen Moment lang verharrte Baine bewegungslos. Dann jedoch legten sich seine langen Finger um Furchtbrecher.

Anduin spürte das Licht sanft in seiner Brust und in seinem Herzen kitzeln. Immer noch unsicher, hob er die Hand. Der Stab leuchtete grell, und plötzlich war Baine in ein sanftes Licht getaucht, das ebenso schnell verschwand, wie es gekommen war. Baines Augen weiteten sich. Er atmete tief ein und verfiel vor Anduins Augen in eine tiefe Ruhe.

Jetzt erkannte Anduin das Gefühl, nur dass es dieses Mal von ihm ausging, um Baine zu beruhigen: Baine fühlte denselben Frieden, den Anduin verspürt hatte, als Rohan ihm mit einem Segen gegen seine Angst geholfen hatte. Baine hob den Kopf.

„Es ist eine große Ehre, die Ihr, Anduin und Magni Bronzebart mir zuteilwerden lasst. Seid versichert, dass ich das sehr zu schätzen weiß.“

Anduin lächelte. Jaina blickte mit großen Augen ehrfürchtig von Baine zu Anduin und wieder zurück. Ein sanftes, zustimmendes Lächeln umspielte ihre Lippen.

Der Taure blickte auf die leuchtende Waffe. „Licht“, sagte er. „Mein Volk glaubt nicht, dass die Dunkelheit böse ist, Anduin. Sie ist natürlich und deshalb richtig. Aber auch wir haben unser eigenes Licht. Wir ehren die Augen der Erdenmutter, die Sonne und den Mond – An’she und Mu’sha. Keines ist besser als das andere. In dieser Waffe spüre ich eine Seelenverwandtschaft mit ihnen, selbst wenn sie aus einer Kultur stammt, die so völlig anders als die meine ist.“

Anduin lächelte sanft. „Licht ist Licht, egal welcher Quelle es entstammt“, stimmte er zu.

„Ich wünschte, ich hätte etwas Vergleichbares, dass ich Euch schenken könnte“, sagte Baine. „Es gibt sicherlich ehrenvolle Waffen, die in meiner Familie weitergegeben wurden, aber die befinden sich zurzeit leider nicht in meinem Besitz. Das Einzige, das ich Euch geben kann, ist der Rat, den mein Vater mir einmal gegeben hat. Unser Volk bestand einst aus Nomaden. Erst in den vergangenen Jahren haben wir unsere Wanderung aufgegeben und uns in Mulgore niedergelassen. Es war eine Herausforderung, aber wir schufen Dörfer und Städte des Friedens, der Stille und der Schönheit. Wir veränderten die Orte, an denen wir lebten, in unserem Sinne. Sie kennzeichnet, wer und was wir sind. Und genau das will ich wieder erreichen. Mein Vater sagte einst, Zerstörung sei leicht. Seht, welchen Schaden die Grimmtotems in nur einer Nacht anrichten konnten. Aber etwas zu erschaffen, das Bestand hat, das, so sagte mein Vater, ist eine Herausforderung. Ich werde mein Leben dem Ziel widmen, all das, was er erschuf – Donnerfels und alle anderen Dörfer, den Frieden zwischen den Mitgliedern der Horde – zu erhalten, auf dass sich das nie wieder ändern möge.“

Anduin spürte, wie sein Herz anschwoll und er sich bei diesen Worten beruhigte. Es war tatsächlich eine Herausforderung, aber er wusste, dass Baine, Sohn des Cairne, dieser Aufgabe gewachsen war.

„Was hat Euer Vater denn noch gesagt?“, fragte er. So, wie sein Sohn ihn beschrieb, schien Cairne sehr weise gewesen zu sein, und er wollte mehr über ihn erfahren.

Baine schnaubte leise vor Lachen, das warm und ehrlich klang. Doch gleichzeitig lag Schmerz darin, denn die Erinnerung an den Tod seines Vaters war noch allzu frisch.

„Iss dein Gemüse.“

28

Die Grimmtotems waren mächtig und sehr gut ausgebildet. Während andere Tauren in ihrer Kindheit lernten, in Harmonie mit der Natur zu leben und die Große Jagd zu erforschen, wurde den Grimmtotems beigebracht, wie man kämpfte. Sie lernten, schnell und effektiv zu töten – mit den Händen, ihren Hörnern und jedem anderen Gegenstand, der als Waffe dienen konnte. Kam es zum Kampf, standen die Siegeschancen für die Grimmtotems stets gut. Sie kämpften nicht ehrenhaft, sie kämpften, um zu gewinnen. Doch ihre Anzahl war nicht unerschöpflich und Magatha konnte nur eine bestimmte Anzahl von Orten ins Visier nehmen. Sie hatte sich darauf konzentriert, die Hauptstadt zu zerstören, von der aus Cairne regiert hatte. Sie lag im Herzen von Mulgore, dem einzigen Ort, dem die Tauren sich als „Heimat“ verbunden fühlten. Ihr zweites Ziel hatte darin bestanden, Cairnes Sohn Baine zu töten. Das erste Ziel hatte sie erreicht. Als die Sonne aufging, lagen Hunderte Leichen in und um Donnerfels herum. Die Grimmtotems hatten bei ihrem Angriff zwei Strategien verfolgt: Zum einen wurden all diejenigen ermordet, die hohe Positionen innehatten, damit sie sich den Grimmtotems nicht entgegenstellen konnten. Zum anderen wurde größtmöglicher Terror unter den Tauren verbreitet, und jeder, der eine Waffe gegen die Grimmtotems erhob, wurde getötet.

Die Toten lagen steif in ihrem geronnenen Blut, darunter viele, die lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Doch diese Toten waren auch ein mächtiges Instrument, um Angst zu schüren. Magatha und die Grimmtotems hielten Donnerfels sowie sämtliche Ressourcen der Stadt und hatten Geiseln in ihrer Gewalt, die bei möglichen Verhandlungen ein wichtiges Pfand darstellten. Die letzten Angriffe, der Tod Cairnes und das Verschwinden seines Sohnes hatten die Tauren zutiefst erschüttert. Sie war sich sicher, dass die Tauren sie in dem verzweifelten Versuch, die Normalität wiederherzustellen, als Anführerin akzeptieren würden.

Baine dagegen war durch Magathas Netz geschlüpft, und ein Spion hatte sie über Sturmlieds Verrat informiert. In Cairne Bluthufs Hütte sitzend, kochte sie vor Wut. Sie hatte Sturmlied natürlich auf die Liste der zu Ermordenden gesetzt, gab sich jedoch nicht der Hoffnung hin, dass er bald in ihre Fänge geriet. Zweifellos war er bei dem Heuchler, wie sie Baine nun nannte, und hatte andere ermutigt, ihn zu begleiten. Sturmlied würde mit Baine sterben, wenn dieser erst einmal gefunden war.

Wie sie es vorhergesehen hatte – denn Magatha war alles andere als eine Närrin –, hatten die Tauren in abgelegeneren Gebieten wie Feralas und natürlich der Druidenhochburg, der Mondlichtung, ihre Rebellion begonnen. Boten von anderen Stämmen hatten die Nachricht von ihrem Widerstand überbracht. Die Ärmsten sahen nun stoisch ihrer Exekution als Strafe für das Überbringen schlechter Nachrichten entgegen, was Magatha zutiefst irritierte.