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„Noch mal!“, brüllte Garrosh, rannte zum Bug und bebte wie ein blutrünstiger Wolf auf der Jagd, als sie sich dem Schiff weiter näherten.

Der Mast auf dem Allianzschiff war nun gebrochen, und Cairne konnte eine Gestalt an Deck erkennen, die wild eine weiße Fahne schwenkte. Wenn Garrosh sie bemerkte, so ließ er sich das nicht anmerken. Sobald die Mannoroths Gebeine längsseits gegangen war, stieß er ein wütendes Heulen aus, sprang auf das feindliche Schiff, eine Waffe in jeder Hand, und griff die Menschen an.

Cairne wandte sich angewidert ab. Rein rechtlich tat Garrosh nichts Verbotenes. Doch moralisch und spirituell betrachtet tat er das Falsche, ja etwas schrecklich Falsches. Cairne fragte sich düster, ob die Geister ihre Rache gegen die Horde richten würden oder lediglich gegen Garrosh. Vielleicht würden sie sogar ihm, Cairne Bluthuf, zürnen, weil er dabeigestanden hatte und nichts gegen Garrosh und sein grausames Tun unternommen hatte.

Es war schnell vorbei, zu schnell, soweit es die Orcs anging. „Haltet ein!“, rief Garrosh zu Cairnes Überraschung seinen Kriegern nach kurzer Zeit zu. Der Taure stellte seine langen Ohren auf und trat näher. Er war gespannt, was Garrosh vorhatte.

„Bringt mir den Kapitän!“, verlangte Garrosh. Kurz darauf eilte ein Troll herbei, der einen Mann an beiden Armen festhielt und vor Garrosh zu Boden stieß.

Garrosh trat die Gestalt mit dem Fuß. „Ihr befindet Euch in den Gewässern der Horde, Allianzhund.“

Der Mann, kräftig und groß für sein Volk, sonnengebräunt, mit kurz geschnittenem schwarzem Haar und einem adrett getrimmten Bart, starrte den Orc angsterfüllt an.

„Wir haben ein Abkommen...“

„Das nicht für unerlaubtes Eindringen in unser Gebiet gilt. Dies ist ganz offensichtlich ein kriegerischer Akt!“

„Ihr habt doch gesehen, in welchem Zustand sich unser Schiff befindet“, antwortete der Kapitän ungläubig. „Selbst ein Kaninchen hätte keinen Angriff von unserer Seite befürchtet!“

Das war genau das, was er nicht hätte sagen sollen. Garrosh trat ihm heftig in die Rippen, und Cairne konnte hören, wie eine oder zwei brachen. Der Mann grunzte, und sein Gesicht wurde bleich. Dann lief es rot an.

„Ihr haltet Euch in den Gewässern der Horde auf,“ wiederholte Garrosh. „In welchem Zustand Euer Schiff auch immer sein mag, ich habe das Recht auf meiner Seite, und das gilt für alles, was ich jetzt tue. Wisst Ihr, wer ich bin?“

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Ich bin Garrosh Höllschrei, Sohn des großen Hordehelden Grom Höllschrei!“ Die Augen des Kapitäns weiteten sich, und er erbleichte erneut. Ganz offensichtlich schien er den Namen zu kennen – wenn nicht den Vornamen, so doch zumindest den Nachnamen. Grom Höllschrei hatte in der Allianz ebenso wie in der Horde einen legendären Ruf.

„Ich habe meine Feinde besiegt und beanspruche Euer Schiff für die Horde und Euch als Kriegsgefangenen. Die Frage ist nur, was ich jetzt mit Euch machen soll. Ich könnte Euer Schiff anstecken und Euch damit verbrennen lassen“, überlegte er und rieb sich das Kinn, „oder ich fahre einfach weiter. Es ist mir nicht entgangen, dass Ihr über keinerlei Rettungsboote verfügt. In diesen Gewässern wimmelt es von Haien, und ich bin mir sicher, dass sie den Geschmack von Allianzfleisch ebenso schätzen, wie es meine Trollkrieger tun.“

Der Kapitän schluckte schwer. Zweifellos war ihm nicht entgangen, dass es ein Troll gewesen war, der ihn zu Garrosh geschleppt hatte und der nun neben ihm stand. Der Troll kicherte und leckte sich übertrieben genüsslich die Lippen. Cairne und Garrosh wussten, dass die Dunkelspeertrolle keine Kannibalen waren, doch offensichtlich war dies dem Kapitän nicht bekannt.

„Mein Freund Cairne Bluthuf hier“, fuhr Garrosh fort und wies mit dem Daumen über seine Schulter, „drängt mich dazu, Gnade walten zu lassen. Und wisst Ihr was: Ich glaube, er hat möglicherweise recht.“

Der Blick des Kapitäns richtete sich auf Cairne. Der alte Bulle war überzeugt, dass er gerade ebenso überrascht dreinschaute wie der Mensch. Was machte Garrosh nur? Er hatte mit seinen Leuten das Schiff gestürmt, hatte alle Menschen bis auf eine Handvoll getötet. Und nun sprach er von Gnade!

„Heute, Kapitän, habe ich Euch den mächtigen Arm der Horde gezeigt, und ich zeige Euch ebenfalls ihre Gnade. Elf von Euch scheinen diesen... Sturm überlebt zu haben.“ Er lächelte kurz. „Wir werden Euch zwei Rettungsboote geben und einige unserer wertvollen Vorräte. Das und ein wenig Glück sollten ausreichen, um Euch in Sicherheit zu bringen. Und wenn Ihr nach Hause kommt, erzählt allen, was hier geschehen ist. Berichtet, dass Garrosh Höllschrei Tod und Leben für Euch und für Eure Leute war.“

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und sprang behände zurück an Bord der Mannoroths Gebeine. Er sprach kurz und leise mit Tula, die nickte und nun ihrerseits Befehle erteilte. Cairne beobachtete, wie zwei kleine Beiboote mit einigen Vorräten beladen und zu Wasser gelassen wurden. Immerhin stand Garrosh zu seinem Wort. Der Taure beobachtete mit sorgenvollem Blick, wie die Menschen in die Boote kletterten und sich daranmachten, nach Nordend zurückzurudern.

Er ließ seinen Blick zu Garrosh wandern, der stolz und aufrecht dastand und seine Arme vor der Brust verschränkte. Er steckte noch immer in seiner Rüstung, die er trotz des Sturms nicht abgelegt hatte.

Garrosh war ein brillanter Taktiker, ein wilder Krieger, und wurde von seinen Leuten geliebt. Doch er hegte auch einen unbestimmten Groll, war ein Hitzkopf und musste noch lernen, was Respekt und Mitgefühl waren.

Cairne würde sofort nach seiner Rückkehr mit Thrall darüber sprechen. Was Garrosh anging, war er der Horde in Nordend in der Zeit des Kampfes von großem Nutzen gewesen. Und das sogar weitaus mehr als jeder andere. Cairne wusste jedoch, dass Garrosh seine Einstellung nur wenig nützen würde, wenn er nach Orgrimmar zurückkehrte. Diejenigen, die allein vom Einsatz ihres Schwerts lebten, wussten häufig nicht, was sie nach dem Krieg tun sollten. Aus ihrem Leben als Krieger gerissen, waren sie unfähig, ihre Leidenschaft und Energie in andere Bahnen als die gewohnten zu lenken, und einige Krieger endeten als verspätete Opfer des Krieges, der ihre Gefährten das Leben gekostet hatte. Sie starben in Wirtshäusern oder bei Straßenkämpfen statt im Gefecht. Nicht selten wurden sie zu verlorenen Seelen, die weiterexistierten, ohne wirklich zu leben.

Garrosh hatte zu viel Potenzial und verdiente es nicht, so zu enden. Cairne würde tun, was in seiner Macht stand, um Grom Höllschreis Sohn ein solch elendes Schicksal zu ersparen.

Doch Garrosh musste das auch wollen. Nach dem Eindruck, den Cairne von dem Orc gewonnen hatte, der von der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit seines Tuns so überzeugt war, erschien es ihm fraglich, ob Garrosh imstande war, sein Leben in die richtigen Bahnen zu lenken.

Cairne blickte auf die sich langsam entfernenden Rettungsboote. Immerhin hatte Garrosh einige wenige Leben verschont, doch Cairne hegte den leisen Verdacht, dass diese Entscheidung allein Garroshs Arroganz zu verdanken war. Garrosh wollte, dass die Kunde von seinen Taten Varian erreichte, um den König weiter zu provozieren.

Cairne atmete tief durch und wandte sein Gesicht der Sonne zu, die in diesen nördlichen Gefilden zwar nur wenig Kraft entfaltete, doch zumindest präsent war. Er schloss die blassgrünen Augen und betete um Führung.

Und um Geduld. Sehr viel Geduld.

4

Es war ein Fest, wie Cairne es in Orgrimmar noch nie erlebt hatte. Und er wusste nicht zu sagen, ob es ihm gefiel oder nicht.