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»Die Miliz?«, gab ich zurück. »Die wird ein Wörtchen mit Ihnen zu reden haben.«

Ich nahm den Hörer ab und wählte 01. Die Frau stellte ihr Geschrei ein und starrte mich schweigend an. Cashew bellte.

»Die Feuerwehr am Apparat«, erklang es in der Muschel.

Ich drückte die Gabel herunter und wählte 02. Jetzt nur keine Panik, so was konnte jedem passieren. Schließlich wird einem nicht alle Tage die Bude ausgeräumt - noch dazu auf so ausgefallene Weise.

»Ist da die Miliz? Ich habe einen Einbruch zu melden«, sagte ich schnell. »Kommen Sie bitte sofort. Studeny-Passage ...«

»Was soll das? Sind Sie krank?«, fragte die Frau. Offenbar hatte sie sich wieder beruhigt. »Oder betrunken?«

»Betrunken, bekifft, bedröhnt«, versicherte ich schadenfroh, während ich auflegte. »Was dachten Sie denn?«

»Kirill?«, vernahm ich es hinter mir.

Als ich mich umdrehte, gewahrte ich voller Freude meine Nachbarin auf dem Treppenabsatz. Ein giftiges altes Weib namens Galina, eine Liebhaberin von Tratsch und Klatsch, die alle Nachbarn anfeindete. Momentan drückte sich in ihrer Miene in der Vorfreude auf das neue Gesprächsthema freilich unverfälschte Anteilnahme und Freundlichkeit aus.

»Sehen Sie sich doch nur, was geschehen ist, Galina«, sagte ich. »Ich komme nach Hause und treffe auf eine Diebin!«

Auf dem Gesicht der Nachbarin spiegelte sich Begeisterung wider, gemischt mit einer Prise Angst.

»Sollte man nicht die Miliz rufen, Kirilluschka?«

»Das hab ich schon«, beruhigte ich sie. »Werden Sie meine Zeugin sein?«

Galina nickte und winkte andeutungsweise in Richtung der Einbrecherin. »Puh, was für eine dreckige Vettel! So eine hat mir im letzten Jahr auf dem Markt meine Geldbörse aus der Tasche geklaut!«

»Sie haben ja alle beide völlig den Verstand verloren«, befand die Frau gelassen. Sie angelte nach einem Päckchen Zigaretten und steckte sich eine an. Im Zimmer bellte nach wie vor der tapfere Terrier. »Cashew, aus!«, blaffte die Frau, worauf der Hund sofort verstummte.

Mir blieb die Spucke weg. Selbst Galina spitzte aufmerksam zu der anderen Frau hinüber. Sie hasste meinen Hund - so wie sie jedes Lebewesen in diesem Haus hasste. Aber ...

»Ist das deine Freundin?«

»Wer? Die da?« Vor lauter Ärger verschluckte ich mich sogar. Nun gut, in ihren Augen galt jeder junge Mann als geiler Bock, und wenn er obendrein unverheiratet war, rangierte er bei ihr als Mischung aus Casanova und Caligula. Mich aber für fähig zu halten, mir dieses reizlose Individuum mit dem spillerigen rotblonden Haar und dem von Sommersprossen übersäten Gesicht ins Haus zu holen ... »Die sehe ich zum ersten Mal!«

»Sie sind es, den ich zum ersten Mal sehe!«, mischte sich die Frau zu allem Überfluss auch noch ein. »Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken, aber Sie sollten tunlichst aus meiner Wohnung verschwinden ...«

»Kirill wohnt schon über drei Jahre hier«, brach Galina prompt eine Lanze für mich. In diesem Augenblick wäre ich bereit gewesen zu schwören, der alten Klatschbase gebühre im Grunde Respekt. »Seine Eltern sind reiche Leute, sie haben ihrem Sohnemann die Wohnung gekauft und alles renovieren lassen. Manch anderer haust ja sein Lebtag in Gott weiß was für Löchern, aber er hat schon als junger Mann’ne eigene Wohnung ...«

Gut, vermutlich hatte ich es mit meiner Begeisterung für die Nachbarin etwas übertrieben. Was zum Teufel ging es sie an, wer mir die Wohnung gekauft hatte? Schließlich hatte sie selbst ihre Dreizimmerwohnung in der guten alten Zeit vom Staate für irgendwelche Leistungen im Dienste des Plankomitees erhalten.

»Sie sind ja beide völlig verrückt«, erklärte die Frau. »Oder gehören zur selben Bande.«

Fassungslos rang Galina die Hände. Anschließend klingelte sie an der Nachbartür Sturm. Die Frau und ich maßen einander mit bösen und misstrauischen Blicken. Als gelte es, eine stillschweigende Übereinkunft zu wahren, blieben wir beide wie zur Salzsäule erstarrt stehen. Allerdings rauchte die Frau, und zwar schon die zweite Zigarette, während ich das Schlüsselbund um einen Finger kreisen ließ.

»Mama ist nicht da«, informierte das Nachbarmädchen hinter der nur einen Spalt geöffneten Tür hervor Galina. »Und Papa schläft noch nach der Arbeit ...«

»Weck deinen Papa, man raubt unseren Nachbarn aus!«, verlangte die Alte frohgemut.

Das Mädchen steckte den Kopf zur Tür heraus, fiepte mir ein »Hallo!« zu und verschwand in der Wohnung, wobei sie nicht vergaß, die Tür zuzuknallen.

»Diese Form der Arbeit kennen wir ja«, kommentierte Galina prompt. »Hat sich die Hucke vollgesoffen und ratzt jetzt ...«

Abermals ging die Tür auf. Unser Nachbar trat heraus, in Unterhosen, Unterhemd und barfuß. Obwohl er schon auf die vierzig zuging, war er ein kräftiger Mann, dem anscheinend durchaus der Sinn danach stand, unverzüglich jemandem seine gewaltige Faust ins Auge zu jagen.

»Tagchen, Pjotr Alexejewitsch!«, überfiel ihn die Nachbarin. »Zustände sind das! Am helllichten Tag wollte man einen Jungen aus unserer Mitte ausrauben!«

»Es ist schon Abend«, sagte Pjotr, indem er Galina zur Seite schob. Er kam auf mich zu und lugte mir über die Schulter. »Brauchst du Hilfe?«

»Die Miliz kommt jeden Moment.«

Mein Nachbar nickte. »Schade, dass sie ein Weibsbild ist«, meinte er bedauernd. »Einem Kerl würde ich sofort eins über den Schädel ziehen. Fürs Erste.«

Die Frau erbleichte.

»Oder soll ich ihr trotzdem eins verpassen?«, überlegte Pjotr laut.

In dem Moment summte jedoch der Fahrstuhl los, und mein Nachbar verstummte. Kurz darauf zwängten sich drei Milizionäre zu uns auf den Treppenabsatz. Zwei von ihnen trugen Maschinenpistolen. Nachdem sie sich überzeugt hatten, dass sie vorerst niemanden zu erschießen brauchten, erstarrten sie gleichsam zu einer Ehrenwache. Bei dem dritten Mann handelte es sich offensichtlich um ihren Chef.

»Wer hat die Miliz gerufen?«, fragte er mich.

»Ich.«

»Ist das Ihre Wohnung?«, wollte er mit einem Nicken in Richtung Tür wissen.

»Ja.«

Drinnen lachte die Frau hysterisch auf.

»Seine, ganz bestimmt«, sprang Galina mir bei. »Wir sind Nachbarn. Und Zeugen!«

»Obersergeant Dawydow. Ihre Papiere, bitte«, verlangte der Milizionär, der bislang keine Anstalten machte, die Wohnung zu betreten. »Das gilt für alle!«

Meine Nachbarn verschwanden in ihren Wohnungen. Selbst der träge Pjotr Alexejewitsch legte eine gewisse Beflissenheit an den Tag. Ich kramte meinen Ausweis hervor und reichte ihm den Milizionär mit der wirren Erklärung: »Ich bin von der Arbeit nach Hause gekommen, die Tür stand offen ... Ich habe mir Sorgen um meinen Hund gemacht, diese Dreckskerle schrecken doch nicht mal davor zurück, ein Tier totschlagen ...«

»Man muss sich einen Hund halten, der so loskläfft, dass jeder Verbrecher sich in die Hosen macht«, sagte der Milizionär, während er meinen Ausweis studierte. Er schielte zu der Fremden hinüber. »Oder in den Rock ... Gut. Kirill Danilowitsch Maximow. Gemeldet in Moskau, Studeny-Passage 37, Wohnung 18 ... Gut. Alles in Ordnung.«

Meine Nachbarn kehrten mit ihren Papieren zurück.

»Sie werden Zeugen sein«, erklärte Dawydow. »Wollen wir jetzt in die Wohnung gehen?«

»Zu gern«, versicherte ich hämisch. »Stellen Sie sich vor, die haben meine Möbel abtransportiert und stattdessen ihre eigenen angeschleppt ...«

»Besetzung von Wohnraum«, warf einer der Bullen mit MP ein.

»Die Schlussfolgerungen überlass den Richtern«, fuhr ihn sein Chef an.

Daraufhin betraten wir die Wohnung. Cashew bellte erneut los. Dawydow betrachtete ihn und schüttelte den Kopf. Danach wandte er sich mit ausgesuchter Höflichkeit an die Frau: »Ihre Papiere, bitte.«