»Die heißen schon lange nicht mehr Wohnungsamt, sondern Direktionen für Gebäudenutzung.«
»Was spielt das für eine Rolle? Kurzum, du suchst alle Stellen auf, an denen Unterlagen über deine Existenz in deiner ehemaligen Wohnung aufbewahrt werden könnten.«
»Wenn du noch einmal ›ehemalig‹ sagst, zieh ich dir eins über die Rübe«, knurrte ich finster.
»Entschuldige. In deiner zukünftigen Wohnung.« Geschickt brachte sich Kotja vor einem bewusst langsam ausgeführten Kinnhaken in Sicherheit. »In deiner jetzigen, deiner aktuellen ... Kurz und gut, du klapperst alles ab. Vergiss auch die Telefongesellschaft nicht.«
»Gut, dass du mich daran erinnerst.« Meine Stimmung besserte sich wieder.
»Und dann, wenn du deine Unterlagen nirgendwo auftreiben kannst ...«
»Warum sollte das der Fall sein?« Schlagartig verflüchtigte sich mein Optimismus.
»Angesichts der Ausmaße des Schwindels hat man dich ernsthaft auf dem Kieker, Kirill. Mir ist völlig schleierhaft, wer dahintersteckt und warum, aber es wäre absolut hirnrissig, deine Wohnung auf die Schnelle zu renovieren und sämtliche Unterlagen zu fälschen, dabei aber die echten nicht zu vernichten. Deine mysteriösen Feinde sind jedoch alles andere als Dummköpfe! Du wirst die Papiere nicht auftreiben! Deshalb wendest du dich danach an einen Anwalt. Einen guten. Einen exzellenten, wenn dein Geld dafür reicht, und nicht an einen dieser üblichen Rechtsberater. Falls du knapp bei Kasse bist, kann ich dir etwas leihen ... Fünfhundert Euro könnte ich mit Sicherheit lockermachen.«
»Danke«, sagte ich bloß. »Mach dir keine Sorgen, ich habe Geld. Auf meiner Karte sind noch fast tausend Euro, außerdem könnte ich von meinen Eltern ... ich weiß, wo sie ihr Gespartes aufbewahren.«
»Gut. Der Anwalt wird dir ein paar kluge Ratschläge geben. In der Zwischenzeit werde ich versuchen, dieses W...« Kotja tat sich förmlich Gewalt an, um tapfer hervorzubringen: »... diese Dame kennenzulernen. Mit so einem Zug dürften sie kaum rechnen.«
»Sie?«
»Ist die Dame etwa Schiwa? Dass sie mit einer Hand kachelt, mit der anderen tapeziert, mit der dritten Linoleum auslegt? In dem Fall möchte ich dieses Wunder unter allen Umständen kennenlernen! Apropos! Diese sensationelle Renovierung! Du wirst auch noch einen Handwerker aufsuchen. Einen guten, soliden. Versuch, einen verrückten Spinner mit einem Haufen Geld zu mimen. Frag ihn, ob er glaubt, man könne eine Einzimmerwohnung innerhalb von acht Stunden renovieren. Ob man in der Zeit all das machen kann, was in deiner Wohnung gemacht wurde. Zähl das genau auf. Sag, du willst deine Frau überraschen ... Halt! Welche Frau? Du trägst ja gar keinen Ring! Also, deine Freundin. Oder denk dir was anderes aus. Nein, mit einer Freundin wirkt es am glaubwürdigsten. Es ist sehr wichtig, dass man dir sagt ...«
Kotja kam zusehends in Fahrt. Die Schuld daran trug keineswegs der Kognak, sondern einzig die Situation, in die ich hineingeraten war. So ist das doch immer im Leben: Selbst deinen besten Freunden dienen deine Probleme zum Amüsement!
»Im letzten Jahr musste ich mein Klo erneuern lassen«, erzählte er. »Also ... Das alte war hinüber ... aber das war meine eigene Dusseligkeit ... Ich habe einen tüchtigen Handwerker aufgetrieben, einen älteren, der nicht trinkt. Denn wie ist es denn bei den Installateuren?«
Vorsichtshalber nickte ich vage.
»Man braucht Erfahrung! Erfahrung ist alles«, verkündete Kotja. »Und dieser erfahrene alte Meister hat einen ganzen Tag geschuftet. Von morgens um acht bis abends um zehn. Ich habe mich geplagt, er hat gelitten ... Bei guten Handwerkern gilt nämlich der Brauch: Erst muss das Klo am Orte steh’n, dann darfst du wieder pinkeln geh’n. Dafür können sie es dann nach allen Regeln der Kunst einweihen. Das ist ihr heiliges Recht und ihre Pflicht ... Vierzehn Stunden! Nur für das Klo! Und bei dir will jemand in acht Stunden die ganze Wohnung gemacht haben ...«
Kotja holte Zigaretten und einen Ascher aus dem Küchenschrank. Ich nickte ihm zu, obwohl ich genauso selten rauchte wie er. Da Kotja keine Streichhölzer fand, behalfen wir uns mit dem Gasherd und seinem Anzünder.
»Was hattest du denn mit deinem Klo angestellt?«, fragte ich.
»Wie ich schon sagte, das war meine eigene Dusseligkeit. Weißt du, es gibt da diese chinesischen Knaller, die so klein sind wie Streichhölzer. Du zündest sie an, wirfst sie weg, und dann explodieren sie. Silvester treiben die Kinder mit diesen Dingern allerlei Unfug ...«
»Und weiter?«
»Im Sommer bin ich mit Freunden schwimmen gewesen. Ich hatte ein Päckchen von diesen Knallern mit, die habe ich ins Wasser geworfen. Sie gingen nicht aus, sondern explodierten im Wasser. Sah echt klasse aus. Meine Freunde waren wirklich begeistert. Als ich wieder zu Hause war, wollte ich ... einer Dame ... zeigen, dass diese Knaller im Wasser unverdrossen weiterbrennen. Wozu hätte ich dafür die Wanne volllaufen lassen sollen? Ich habe also einen ins Klo geworfen ... Ich kann von Glück sagen, dass die Tür zu war. Ein Knall - und das ganze Klo zersprang in Scherben! Nur das Knie war danach noch intakt, allerdings mit einem ganz zackigen Rand ...«
»Ein hydrodynamischer Stoß«, konstatierte ich. »Eine Explosion in flüssigem Milieu in einem geschlossen Raum. Daran hättest du vorher denken sollen.«
Kotja widersprach nicht. Seufzend zog er an seiner Zigarette. »Und noch was ...«, fuhr er fort. »Dein Hund lässt mir keine Ruhe. Überhaupt keine.«
»Das hat der Bulle auch gesagt ...«
»Und recht hatte er. Wände kann man überstreichen. Menschen können lügen. Aber ein Hund verrät dich niemals ...«
Daraufhin rauchte er schweigend, bis er schließlich genüsslich wiederholte: »Menschen können dich täuschen. Aber ein Hund verrät dich niemals ... Das muss ich in eine Geschichte über einen Zoophilen einbauen.«
»Was bist du doch für ein jämmerlicher Dreckskerl«, sagte ich. »Du wirst bestimmt Schriftsteller. Aus menschlichem Leid machst du eine Geschichte!«
»Nicht aus dem menschlichen Leid, sondern aus meiner eigenen geglückten Formulierung«, widersprach Kotja. »Das war’s fürs Erste. Ich werde mir die Sache weiter durch den Kopf gehen lassen, aber momentan gibt es nichts, was ich dir noch raten könnte. Erzähl mir lieber mal, was mit dir und Anka ist.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Sie wollte Sicherheit, klare Verhältnisse. Mit anderen Worten, einen Ring am Finger.«
»Und du hast dich dagegen gesträubt? Langsam solltest du erwachsen werden. Ein Vierteljahrhundert hast du jetzt hinter dir, und nach wie vor verplemperst du deine Zeit als Manager in einer Handelsfirma, vertreibst Ersatzteile für Computer ... Nennst du das etwa Arbeit? Das ist doch, als ob du sagen würdest: Meine Arbeit in der Abteilung für Qualitätssicherung besteht darin, Präser aufzublasen! Du brauchst eine anständige Arbeit, eine treue Gattin, irgendein übrig gebliebenes Kind ...«
Ich riss die Augen auf.
»Schon gut, ich mach ja nur Spaß«, brummte Kotja. »Es steht mir nicht zu, dir Lektionen zu erteilen. Aber es ist schade, dass ihr euch getrennt habt, Anka und du. Ich mochte sie.«
Diesmal schien er nicht zu scherzen. Ich dachte kurz darüber nach und schenkte uns einen weiteren Kognak ein.
»Mir tut es auch leid, Kotja. Aber es hat sich nun mal so ergeben.«
»Würde Anka im Notfall als Zeugin aussagen?«
»Bestimmt«, antwortete ich überzeugt. »Wir haben uns nicht überworfen, sondern sind auseinandergegangen, wie es sich für intelligente Menschen gehört.«
»Wenn sich Intelligenzler trennen, fliegen die Fetzen doch nur so. Ein Installateur brächte dergleichen mit Sicherheit nicht fertig.«
»Sie haben’s dir ja wahrlich angetan, diese Installateure ...«, murmelte ich. »Gieß uns lieber noch mal ein!«