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»Das gefällt mir an dir«, sagte der Politiker ehrlich. »Dass du bist jetzt von ihnen und nicht von uns sprichst. Du glaubst also, es hätte keinen Sinn zu kämpfen?«

»Mit den üblichen Methoden nicht. Das wäre, als wollte man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Wissen Sie überhaupt, über welche Möglichkeiten ein Hebammenfunktional verfügt? Natalja Iwanowa zum Beispiel?«

»Nein.«

»Sie dürfte vermutlich von Erde-1 stammen. Glauben Sie etwa, Sie können einfach zu ihr gehen und sie festnehmen? Vielleicht brächte sie es fertig, selbst die härtesten Einsatzkräfte zu verhexen und ihnen zu befehlen, auf Sie loszugehen? Vielleicht würde ihr nicht einmal eine Atomexplosion etwas anhaben? Normale Funktionale sind an ein Gebäude gebunden, an ihre Funktion, aber bei ihr bin ich mir da nicht so sicher. Sie kennen die Kraft dieses Feindes nicht und können sie auch gar nicht kennen. Sie wissen nicht einmal, an welchen Machtpositionen sie sitzen. Gehen Sie doch mit Ihrem Bericht zum Präsidenten - und dann ist der selber von Erde-1!« Ich zögerte kurz, bevor ich hinzufügte: »Und woher soll ich wissen, wer Sie sind? Der Politiker Dima? Oder vielleicht ebenfalls ein Funktional aus Arkan? Prüfen Sie vielleicht gerade meine Zuverlässigkeit, indem Sie mich überreden wollen, die Zollgesetze zu verletzen?«

Dima trank sein Wasser aus. »Jetzt weißt du, wie es in der Politik zugeht, Kirill«, meinte er dann seufzend. »Für mich wird es Zeit. Mach dir um die Rechnung keine Sorgen, es ist alles bezahlt.« In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ich bin nicht von Arkan. Ich bin von hier, von der Erde. Aber das brauchst du mir nicht zu glauben, denn man darf niemandem glauben.«

»Wie hat der gute alte Müller in Siebzehn Augenblicke des Frühlings gesagt«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. »›Sie dürfen niemandem glauben - außer mir.‹«

»Wenn du willst, kannst du Müller glauben.« Dima nickte. »Den Toten kann man glauben.«

Ich sah auf die Tür, die hinter ihm zufiel, als müssten auf ihr irgendwelche weisen Worte erscheinen. Und ich trank noch etwas Wein.

Der Politiker tat mir leid. Natürlich stammte er nicht von Arkan. Er war jung und ehrgeizig, er versuchte, einen Zauberstab zu finden, um, auf diesen gestützt, auf den Gipfel der Macht zu kraxeln. Eine nationale Idee ... Pah! Was für eine nationale Idee sollten weiße Mäuse in ihrem Käfig wohl schon haben? Wer zu einem Experiment zugelassen, wer der Boa als Beute zugeteilt, wer zur Fortpflanzung abgestellt wird ...

Zauberstäbe gab es nicht. Es gab sie nicht, und würde sie auch nie geben.

In meiner Kindheit war ich eine richtige Leseratte gewesen. Jetzt las ich seltener ... manchmal einen Krimi, Science Fiction, etwas, das gerade angesagt war ... Aber in meiner Kindheit hatte ich das Lesen wirklich geliebt. Meine Eltern hatten mich an Bücher herangeführt. Märchen, Fantasy ... Insofern glaubte ich wirklich an den Zauberstab. Und mit Vergnügen hätte ich ihn an Dima weitergereicht. Sollte er es ruhig einmal probieren. Schlimmer konnte es ohnehin nicht werden.

Oder musste man ein Optimist sein? In dem Sinne, dass es immer noch schlimmer kommen kann?

Ich trank den Wein aus und stellte das Glas zur Seite. Stimmt schon, ein seltsames Getränk. Exotisch ...

Unvermittelt fiel mir ein, dass meine Eltern heute aus der Türkei zurückgekommen sein mussten.

Gut drei Jahre hatte ich auf eigenen Füßen gelebt. Zu verdanken hatte ich das allein meinen Eltern. Ich selbst hätte noch runde zehn Jahre auf eine Wohnung sparen müssen. Sie hatten mir die Wohnung geschenkt und mich quasi aus dem Haus gejagt. Anfangs nahm ich ihnen das sogar krumm - bei allen Vorteilen, die die eigenen vier Wände ohne Zweifel boten. Als ich mir dann meine Freunde und Bekannte, die noch bei ihren Eltern lebten, genauer ansah, begriff ich, dass meine alten Herrschaften gut daran getan hatten. Letzten Endes verdirbt das Zusammenleben mit den Eltern einen Menschen, sofern er nicht mehr die Schulbank drückt. Du kannst gutes Geld verdienen und deine Eltern unterstützen, aber wenn du weiterhin mit ihnen unter einem Dach lebst, wirst du nie erwachsen werden. Du nimmst die Verhaltensweisen und die Lebensweise deiner Eltern an. Du wirst zur Konserve, zu einer jungen Kopie deines Vaters. Das aber ist nur in Bauernfamilien von Vorteil, und auch da nur beim ältesten Sohn. Es ist kein Zufall, dass in allen Märchen der jüngere Sohn, der aufs Geratewohl in die weite Welt hinauszieht, um sein Glück zu machen, dabei große Erfolge erzielt. Tausende solcher nachgeborenen Söhne kehren nie zurück, aber manch einer fängt eben doch seinen blauen Vogel. Zum Acker des Bauern, zu dem arbeitssamen und bodenständigen erstgeborenen Sohn, kommen die blauen Vögel jedoch nie geflogen ...

Ich stand vorm Eingang ins Haus meiner Eltern, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, und sah zu den Fenstern hinauf. Es dämmerte. In der Küche brannte bereits Licht.

Sie würden mich nicht erkennen, wenn ich ihnen gegenüberstünde, so wie sie mich auch am Telefon nicht erkannt hatten. Das wusste ich inzwischen.

Trotzdem zwang mich etwas dazu, zu ihnen hinaufzugehen und an der Tür zu klingeln. Weshalb?

Etwas geriet in Bewegung. Etwas würde geschehen. Das spürte ich. Und ich hatte die böse Vorahnung, meine Eltern in absehbarer Zukunft nicht wieder zu Gesicht zu bekommen. Vielleicht würde ich sie sogar nie mehr sehen.

Der Code vom Türschloss war nach wie vor der alte. Ich betrat das Haus und rief den Fahrstuhl. Völlig gelassen blickte ich Galka an, die vom ersten Stock die Treppe runterkam. In der achten Klasse hatten wir uns mal geküsst, genau hier, vorm Aufzug ... Galka streifte mich mit wachsamem Blick und ging hinaus.

Mach dir keine Sorgen, Galja, ich bin kein Psycho und kein Dieb ...

Der Fahrstuhl kam. Ich fuhr nach oben. Kurz stand ich vor der Tür meiner Eltern, dann drückte ich den Klingelknopf. Fast unmittelbar darauf vernahm ich Schritte - und einen Moment lang glaubte ich, meine Eltern würden mich wiedererkennen. Dass sie sich Sorgen gemacht hätten. Auf mich gewartet hätten. Und mich unter allen Umständen wiedererkennen würden.

Mein Vater öffnete die Tür. Sofort, ohne auch nur durch den Spion zu linsen. Das war so eine dämliche Angewohnheit von ihm, deretwegen sowohl meine Mutter als auch ich ihm Vorwürfe machten.

»Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?«, fragte er freundlich.

Wie alt er geworden ist, dachte ich, während ich meinen Vater ansah. Trotz der frischen Sonnenbräune und des erholten Gesamteindrucks. In den letzten ein, zwei Jahren war er merklich gealtert, selbst wenn er auf sein Äußeres Wert legte, Sport trieb, Alkohol nur in Maßen genoss und höchstens einmal im Monat, »um der Geselligkeit« willen, rauchte. Als hätte man mir einen Schleier vor den Augen weggezogen, sah ich nun: Meine Eltern waren alt geworden. Sie hatten die fünfzig inzwischen längst überschritten ...

»Guten Tag«, sagte ich. »Ich ... ich suche Kirill.«

»Was für einen Kirill?«

»Wohnt Kirill Maximow hier?«

»Hm ...« Mein Vater nickte. »Maximow, das bin ich. Aber ich heiße Danila.«

»Sie?« Ohne den Blick von ihm zu wenden, rieb ich mir mit der Geste eines verlegenen und nach Worten suchenden Mannes die Augenbraue. »Nein, Kirill ist in meinem Alter ... Wir waren zusammen in der Armee, aber ich habe seine Adresse verloren. Er wohnt irgendwo in diesem Viertel. Bei der Auskunft hat man mir diese Adresse gegeben ... Sie haben keinen Sohn, der Kirill heißt?«

Etwas kaum Fassbares, eine Art altvertrauter, aber nie bewältigter Trauer, huschte über das Gesicht meines Vaters.

»Nein, junger Mann.«

»Vielleicht einen Neffen?« Ich setzte das Spiel fort. »Auch nicht? Tut mir leid, hier muss ein Missverständnis vorliegen ...«