Vortrefflich.
Grinsend stolzierte ich ein Stück zurück. Zwanzig Meter vor dem Polizisten blieb ich stehen. Pan Krzysztof tigerte mit finsterer Miene nach rechts und nach links, ganz wie ein hungriger Tiger am Gitter seines Zookäfigs.
Und es gab ja in der Tat ein Gitter, wenn auch ein unsichtbares. Genauer: kein Gitter, sondern eine Leine. Den Fluch jedes Funktionals.
»Ist es weit bis zu deiner Funktion?«, erkundigte ich mich mit ausgesuchter Höflichkeit.
»Elf Kilometer und sechshundertzwanzig Meter«, brummte Krzysztof mürrisch.
»Wie ärgerlich«, entgegnete ich. »Wollest du mich etwas fragen?«
»Komm näher«, bat der Polizist.
Ich brach bloß in höhnisches Gelächter aus. Dann holte ich eine Zigarette heraus und zündete sie an.
»Hör mal, Mann ... wie heißt du überhaupt ...«
»Kirill.«
»Die kriegen dich sowieso!« Pan Krzysztof klopfte seine Taschen ab. »He! Hast du noch Zigaretten?«
Ich entnahm der Schachtel die Hälfte der noch verbliebenen Zigaretten und steckte sie mir in die Tasche. Nachdem ich ein Steinchen aufgeklaubt und in die Packung gesteckt hatte, warf ich sie dem Polizisten zu.
»Was für ein beleidigendes Misstrauen!«, entrüstete sich Krzysztof. »Du solltest dich ...«
»Schämen?«, bot ich an.
Krzysztof seufzte und hockte sich hin. Er zündete sich eine Zigarette an. »Nein, das nicht«, antwortete er seufzend. »Am Ende kriegen sie dich doch ... Bei dem, was du auf dem Kerbholz hast ... lässt man dich doch nicht laufen. Greift seine eigenen Brüder an!«
»Was faselst du denn da?!«, explodierte ich. Ich hockte mich ebenfalls hin. »Ihr seid doch alle nur Bauern in einem Schachspiel! Ihr werdet von einer anderen Welt aus gesteuert!«
»Aus welcher?«
»Erde-1, Arkan. Sie führen in anderen Welten Experimente mit verschiedenen Gesellschaftsformen durch.«
»Also ... das habe ich nicht gewusst.« Krzysztofs Miene verfinsterte sich. »Wollen wir vielleicht zurück ins Restaurant? Wir setzen uns zusammen und du erzählst mir alles. Wenn uns wirklich irgendwelche Mistkerle zu ihrem eigenem Vorteil manipulieren ... wir Slawen müssen doch zusammenhalten, oder?!«
Entweder war ich von Natur aus naiv oder Polizisten verfügen über eine besondere Überzeugungsgabe, jedenfalls erwog ich einen Moment lang allen Ernstes diesen Vorschlag. Am Ende brach ich jedoch in Gelächter aus. »Das mit der Einheit der Slawen, das hättest du dir wirklich sparen sollen!«
»Stimmt«, räumte Krzysztof verärgert ein. »Aber ich wollte nichts unversucht lassen.«
Einander gegenüber sitzend, rauchten wir eine Weile.
»Ich gehe jetzt«, verkündete ich schließlich. »Richte deinem Chef aus, dass ich es nicht auf einen Konflikt anlege, mich aber auch nicht ergeben werde.«
»Mach ich«, versprach Krzysztof. Irgendwie recht bereitwillig.
»Die Leine stört dich, oder?«, fragte ich.
»Ja.« Krzysztof stand auf. »Deshalb gebe ich stets vor, sie sei bereits bis zum Zerreißen gespannt. Während ich eigentlich noch hundert Meter in der Hinterhand habe.«
Ich sprang hoch. Alles in mir spannte sich an. Würde ich das schaffen? Ja ... wahrscheinlich.
»Dann fang mich doch ... wenn du das kannst.«
»Außerdem ist es noch höchst vorteilhaft«, fuhr Krzysztof mit leisem Kichern fort, »wenn sich die Zonen mehrerer Polizisten überschneiden. Und sei es nur geringfügig. Dann kann man jemanden gut zu dritt in die Zange nehmen und jeden selbstgefälligen Vollidioten schnappen.«
Sie hatten mich von drei Seiten eingekreist. Die Straße nach Elblag versperrte Krzysztof, die, durch die ich gekommen war, eine Frau in mittleren Jahren mit einem so strengen Gesicht wie eine Busschaffnerin. Von der Feldseite her näherte sich im leichten, graziösen Lauf ein junger, schlanker Mann.
Natürlich hätten ihn weder seine Jugend noch sein graziler Körperbau gehindert, mich zu einem Teppich plattzuwalzen, über dem Knie auszuklopfen und vor die Tür zu legen.
Und hätte jene gute Frau namens Marta beschlossen, mir zu helfen, wie das alle netten Frauen in sämtlichen Hollywood-Filmen tun, nachdem der Held endgültig mit dem Rücken zur Wand steht, dann hätten die drei eben uns beiden eins übergezogen und uns anschließend in der Ecke abgestellt.
Drei Polizisten, das ist kein Spaß.
Ich sprintete quer übers Feld, in der Hoffnung, zwischen der Frau und dem anderen Mann durchschlüpfen zu können - denn Krzysztof würde seine Leine am Ende doch stören. Dabei hatte ich jedoch eins nicht bedacht: Nur weil ein Polizist keine Feuerwaffe trug, dies womöglich sogar prinzipiell ablehnte, hieß das nicht, dass er nur aus der Nähe gefährlich war.
Krzysztof holte aus, und der Stein - genau der, den ich in die Zigarettenschachtel gesteckt hatte - traf mich im Knie. Prompt knickte mein Bein weg, und ich fiel hin. Mein Fuß und der Unterschenkel ertaubten und kribbelten, als steckten sie in einem eisigen Brei.
»Ich habe dir ja gesagt, dass du uns nicht entkommst!«, rief Krzysztof in tadelndem Ton. »Weshalb hast du uns gezwungen, dich zum Krüppel zu machen? Hältst du uns für so mies? Glaubst du, uns gefällt das?«
Als sie sich nach und nach um mich herum aufbauten, krümmte ich mich - nicht vor Schmerz, denn mein Bein tat nicht weh, ich spürte es einfach nicht mehr -, sondern vor Hilflosigkeit und Wut. Drei neugierige Gesichter hingen als dunkle Flecken über mir. Warum hatte ich mir bloß eine anzünden müssen! Wenn ich das hier überlebte, würde ich aufhören zu rauchen! Versprochen!
Der Mann trat mich leicht in die Seite. Wofür er sich von Krzysztof einen Schlag auf den Hinterkopf einfing. »Was soll das? So ein Verhalten ziemt sich nicht für einen gebildeten Menschen!«
»Ich stelle nur sicher, dass er nicht simuliert«, maulte der Mann beleidigt.
»Wer es mit mir zu tun kriegt, der simuliert nicht mehr«, behauptete Krzysztof stolz. »Falls du es nicht weißt: Ich werfe eine Stahlkugel aus zwanzig Metern Entfernung durch eine Autotür! Glatt durch!« Daraufhin bot er mir seine Hand an. »Steh auf.«
Hast du dich schon mal vor drei wenig freundlichen Bürgern am Boden gewälzt? Selbst wenn die nicht die Absicht haben, dir kurzerhand die Rippen zu brechen?
Vielleicht ja schon, dergleichen kommt schließlich tagtäglich vor. Falls dem so ist, wirst du dich noch daran erinnern, wie wenig Vergnügen darin liegt. Wem es noch nie passiert ist, der möge auf mein Wort vertrauen. Und ruhig von einer Probe aufs Exempel absehen.
»Steh auf«, wiederholte Krzysztof. »Wir wollen dir doch nichts Böses, das dürfte dir doch klar sein ...«
Natürlich wäre ich aufgestanden. Was blieb mir denn anderes übrig? Dieser junge Heini hätte mir sonst bloß noch ein paar Tritte verpasst - bevor ich mich am Ende doch hochgerappelt hätte.
Genau in dem Moment funkelte am dunklen Himmel eine lange, helle Latte auf und sauste auf Pan Krzysztofs Schädel nieder. Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich mich davon überzeugen, dass der Ausdruck, jemandem gehen die Augen über, keine rhetorische Figur ist. Pan Krzysztof traten die Augen förmlich aus den Höhlen, und er fiel um wie ein Sack Kartoffeln. Die Latte setzte zur zweiten Runde an, landete schwungvoll im Gesicht des jungen Kerls und barst knackend, um anschließend, als abgebrochener Knüppel, gegen die Schläfe der Polizistin zu donnern.
Mühevoll setzte ich mich hoch, umgeben von drei reglosen Körpern. Angesichts der Unverwüstlichkeit von Funktionalen allgemein und von Polizistenfunktionalen im Besonderen mussten die Schläge als meisterhaft verbucht werden.
»Du Arsch!«, stieß ich finster aus, während ich den Mann betrachtete, der die Überreste der Latte in Händen hielt. »Du mieses Arschloch!«
»Ich habe dich gerettet, und du bezeichnest mich als Arschloch?«, empörte sich Kotja, während er seine Brille zurechtrückte. »Da guck sich doch mal einer diese Missgeburt an!«