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Hier empfingen mich an die sieben Mann, vermutlich die gesamte Besatzung der Jacht. Einige Matrosen, zwei junge Männer, die ich innerlich als Passagiere einstufte, denn sie trugen keine Uniform, sondern weite bunte, leicht arabisch wirkende Kleidung; ihre Gesichter zeigten jedoch ebenfalls eher asiatische Züge.

Und dann gab es einen weiteren Mann, mit rund sechzig Jahren der älteste von allen, den ich für den Kapitän hielt. Zumindest trug er eine Schirmmütze mit einer goldenen Kokarde in Form eines Ahornblatts. Dennoch war der Kapitän ebenso wenig Kanadier wie der Rest der Mannschaft: Auch er durfte ohne weiteres als Chinese durchgehen, bei der geringen Körpergröße und den typischen Gesichtszügen.

Der Kapitän behielt mich fest im Blick.

Das heißt, nein, nicht mich. Den Rucksack auf meinem Rücken. Offenbar unterdrückte er nur mit Mühe den Wunsch, näherzukommen und ihn genauer zu inspizieren.

»Vielen Dank für die Rettung«, wandte ich mich an den Kapitän.

»Das ist die heilige Pflicht eines jeden Seemanns«, erwiderte der Kapitän, der seinen Blick nur unter größter Willensanstrengung vom Rucksack auf mich richtete. Umsonst heißt es, dass sich Europäern die Mimik der Chinesen nur schwer erschließt. Im Gesicht des Kapitäns konnte ich lesen wie in einem offenen Buch: Sorge, Zweifel, Angst und Misstrauen standen da geschrieben. »Gibt es noch mehr Menschen, die unsere Hilfe brauchen?«

»Alle Menschen brauchen Hilfe, aber an diesem Ufer sind keine weiteren Personen«, antwortete ich diplomatisch.

Der Kapitän nickte mit einem Ausdruck, als hätte ich eine Weisheit von mir gegeben, die eines Konfuzius würdig gewesen wäre. »Müssen wir im Zusammenhang mit Ihnen mit Verfolgung oder anderen Unannehmlichkeiten rechnen?«, fragte er plötzlich in einer anderen Sprache.

Niemand verstand ihn. Außer mir. Also war mir mit dem Eintritt in diese Welt die Kenntnis fremder Sprachen eingespeist worden. Worin der Unterschied zwischen der einen und der anderen bestand, hätte ich nicht zu sagen vermocht, denn sowohl die Sprache, in der ich mich mit den Matrosen unterhalten hatte, als auch die, in der mich jetzt der Kapitän ansprach, hatten nichts mit dem Russischen oder dem Englischen zu tun. Trotzdem wusste ich, dass Letztere eine andere Sprache war. Und nicht die Muttersprache des Kapitäns.

»Ich glaube nicht, dass in der nächsten Zeit mit Unannehmlichkeiten dieser Art zu rechnen ist«, antwortete ich. Und zwar ebenfalls in dieser nur dem Kapitän und mir verständlichen Sprache.

Das musste eine Art Test gewesen sein. Der Kapitän nickte und wechselte, als er sich an einen der Matrosen wandte, wieder in sein »Chinesisch« über, wie ich die gemeinsame Mannschaftssprache für mich nannte.

»Bring unseren hohen Gast in meine Kajüte«, verlangte er. »Sorge für trockene Sachen und etwas zu essen.«

Und weiter, an mich gewandt, wobei er bei der Mannschaft Bewunderung ob seiner Zweisprachigkeit auslöste: »Ich bitte untertänigst, mein Fehlen zu entschuldigen. Das Ufer birgt durch die Steine im Wasser Gefahr, weshalb ich hier oben bleiben muss.«

Anscheinend sprach ich die Sprache besser als er, denn ich antwortete: »Es ist die Pflicht eines Kapitäns, an Deck zu sein, wenn Riffe in der Nähe sind. Steuern Sie das Schiff, ich werde auf Sie warten, so lang es auch dauern mag. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft.«

Der Kapitän, bereichert um die Wörter »Deck« und »Riff«, entfernte sich nachdenklich. Mich geleitete der Matrose höflich zu einem Aufbau am Heck (keine Ahnung, wie es heißt, meine Funktionalskenntnisse waren versiegt und meine Bekanntschaft mit dem Meer erschöpfte sich in der Lektüre der Schatzinsel und dem Film Fluch der Karibik - also in nichts).

Durch eine niedrige Tür kamen wir in einen kurzen Gang. Türen zu jeder Seite und an der Stirn. Der Mann brachte mich zu der Tür, die am Ende des Korridors lag. Obwohl sie nicht abgeschlossen war, öffnete der Matrose sie mit unverkennbarer Schüchternheit.

Die Kapitänskajüte war nicht sehr groß, aber man sollte hier wohl auch keinen Fürstenpalast erwarten. Drei mal drei Meter, mehr nicht. Zu beiden Seiten fest verschlossene Bullaugen. Helle elektrische Glühbirnen an der Decke. Holzgetäfelte Wände, gerahmte Fotos unter Glas und allerlei seltsame Gegenstände, ein Tisch mit vier Stühlen, ein recht breites Bett, an der Wand ein kleiner Schreibtisch, besser gesagt nur ein Stehpult. Kurz darauf brachte mir ein zweiter Matrose einen Stapel sauberer, trockener Kleidung, die haargenau der entsprach, die sie selbst trugen. Danach ließ man mich allein.

Ich zog einen Stuhl unter dem Esstisch hervor - wer wohl die Ehre hatte, mit dem Kapitän zu dinieren? Die beiden Passagiere? - und bemerkte, dass die Beine für den Fall heftigen Seegangs in speziellen Rillen steckten. Ich nahm Platz. Und atmete tief durch.

Anscheinend ausgesprochen freundliche Menschen. Keinerlei Ähnlichkeit mit Piraten.

Gut. Was hatte ich jetzt an der Hand?

Ich hatte eine Welt, die vermutlich nicht meine Heimat war. Ich hatte ein Entwicklungsniveau, das in etwa dem unserer Welt oder auch dem von Veros entsprach. Was lag hier an der Stelle von China? Irgendein Lytdybr?

Aber als Heimat der Funktionale taugte diese Welt nicht, mochte sie nun Veros sein oder nicht ...

Was noch?

Es gab hier arkanische Soldaten. Der Kapitän hatte den Rucksack eindeutig wiedererkannt und hielt es daraufhin für angebracht, sich in einer Sprache an mich zu wenden, die er mit diesem Rucksack in Verbindung brachte. Hieß das, dass ich jetzt die Sprache der Funktionale verstand? Irgendeine Sondersprache, deren Kenntnis eine Seltenheit ist und damit sofort die hohe Stellung des Sprechenden unterstreicht, seinen »Zugang zu Staatsgeheimnissen«.

Interessant...

Ich zog mich um. Die Sachen passten mir, gepriesen sei der hohe Wuchs der hiesigen Bevölkerung. Nun sah ich mich genauer um.

Die nächsten fünf Minuten verpassten all meinen Theorien einen schweren Schlag.

Erstens: Ich entdeckte die Stromquelle auf dem Schiff.

Über dem Stehpult, das dem Kapitän garantiert als Schreibtisch diente, war ein grauer Zylinder angebracht, der in auf Hochglanz polierten Bronzeringen steckte und noch am ehesten an einen großen, fünfzehn Zentimeter langen Elektrolysekondensator erinnerte. Das Ding bestand aus einem Gehäuse, einem glänzenden Glasboden (aus unerfindlichen Gründen meinte ich, der Zylinder sei mit dem Boden nach oben angebracht) und zwei Kupferstiften, die aus dem Glas herausragten. An den Stiften waren Klemmen befestigt, von denen Kabel in die Wand führten. Der Zylinder summte kaum hörbar und verströmte Ozongeruch. Ein mit Schrauben an der Wand befestigtes Bronzegitter, eine Art Verblendung, schützte die Konstruktion.

Freilich, ich konnte mich einfach irren. Vielleicht war das nur eine höchst eigenartige Luftdusche, und die Leitungen verteilten den Strom von diesem Ding aus nicht, sondern leiteten ihn vielmehr in diesen Zylinder hinein. Trotzdem wäre ich jede Wette eingegangen, die Energiequelle vor Augen zu haben, den Apparat, der sämtliche Lampen auf der Jacht mit Strom versorgte. Was angesichts der Maße des Zylinders völlig undenkbar war. Weder auf der Erde noch auf Veros war eine solche Technik bekannt.

Zweitens: Ich schaute mir die fünf Fotos an der Wand intensiver an. Keine schlechte Qualität, aber schwarzweiß, nur eins war grob von Hand koloriert. Ausgerechnet das »Farbfoto« interessierte mich nicht sonderlich, denn wenn man ihm glaubte, musste der Kapitän eine winzige, nicht mehr junge Frau haben und mindestens drei erwachsene Söhne und eine Tochter. Oder drei Söhne, von denen der eine bereits verheiratet war, aber das spielte ja keine Rolle. Ich hätte auch ohne diesen fotografischen Beweis nicht angenommen, in eine Welt geraten zu sein, in der ausschließlich Männer lebten.