Der Hang wies etliche Terrassen auf. Das würde ich schaffen.
In dem Moment hörte ich ein Geräusch, das auf mich zukam.
Ein schwerer metallischer Gang. Über Steine scheppernde Schritte.
Wie angewurzelt blieb ich stehen. André hatte mir keine Lügenmärchen aufgetischt!
Es war wie in einem Albtraum, als ob ich eine solche Situation schon einmal durchlebt hätte, als ob ich mich an etwas erinnerte, das ich vergessen hatte, das mir nicht mehr im Gedächtnis präsent war. Durch den Nebel bewegte sich eine metallische Horrorgestalt auf mich zu.
Ich drehte mich um und wollte wegrennen. Natürlich rutschte ich sofort auf den Steinen aus. Es riss mir die Beine weg, ich fiel und stieß mir das rechte Knie auf, was mir Schmerzen durch das ganze Bein jagte. Ich schlitterte den Hang runter, schürfte mir das Kinn an einem Stein auf, grub die Finger in die Erde, fand jedoch nirgends Halt. Zitternd spürte ich, wie meine Füße ins Bodenlose glitten, wie sich unter mir ein Abgrund auftat.
Im letzten Moment gelang es mir, den Fall abzufangen. Meine blutigen, aufgerissenen Finger bohrten sich in die steinige Erde. Ich hätte mich auch mit den Zähnen festgebissen - wenn es da etwas gegeben hätte, wo ich hätte reinbeißen können!
Wie tief war dieser Abgrund?
Einen halben Meter?
Oder einen halben Kilometer?
Ab fünf Meter bestand der Unterschied ja ohnehin nur noch darin, wie lange mein letzter Schrei durch die Luft hallen würde.
Und die Schritte kamen immer näher! Während meine Beine bereits im Nichts hingen, versuchte ich vorsichtig, den Hang wieder hochzurobben. Nur dass ich mich nirgends hätte festhalten können ...
Die Schritte verstummten. Ich riskierte es, langsam den Kopf zu heben.
Über mir stand ein Roboter.
Ein richtiger Roboter, so einer, wie er in Zeichentrickfilmen für Kinder auftritt.
Mindestens anderthalb Mal so groß wie ein Mensch. Ein metallischer, tonnenförmiger Körper, glatt, grau und nichtssagend. Dicke Beine, ebenfalls aus Metall, jedoch ziehharmonikaartig gearbeitet, die sich tadellos beugten, obwohl sie keinen Hinweis auf ein Gelenk erkennen ließen. Breite Füße, eher die Karikatur eines menschlichen Fußes, bei denen sogar die Zehen ausgeführt waren. Die Hände ... Genau wie die Füße, nur dünner, mit deutlich herausgearbeiteten, kegelförmigen Fingern. Und ein Kopf, der ebenfalls an einen Menschen erinnerte. An der Stelle des Munds saß eine dunkle matte Scheibe, ein kleiner Vorsprung mit zwei Löchern bildete die Nase, darüber saßen große Facettenaugen, die schwach schimmerten.
Ich spürte, wie die Kraft aus meinen Händen wich. Sollte ich meine Faust einfach öffnen? Vielleicht lagen ja nur ein, zwei Meter unter mir? Oder ein flach geneigter Hang, den ich problemlos runterrutschen konnte?
Der Roboter stand reglos da und starrte mich an.
»He, hallo!«, sprach ich ihn an. »Hallo-hallo! Es leben die drei Robotergesetze! Die hat Asimov sich ausgedacht. Einer von uns, ein Mann aus Smolensk, dieser Asimov! Ein Roboter soll den Menschen keinen Schaden zufügen und darauf achten, dass einem Menschen auch von niemandem sonst ein Schaden zugefügt wird ... sich unterordnen ... und auf sich aufpassen ...«
»Eine höchst eigenwillige Logik«, brachte der Roboter leise heraus. Seine Stimme klang lebendig wie die eines Menschen. Aber natürlich hatte sich sein Mund nicht bewegt.
Jetzt wollte ich meinen Griff erst recht lockern.
»Magst du Witze?«, fragte ich, ohne zu wissen, was ich da eigentlich von mir gab. »Wachen ein paar Bergsteiger in ihrem Zelt auf, weil ihr Freund schlecht träumt und schreit: ›Mach wenigstens den Finger krumm! Mach ihn krumm!‹ Sie wecken ihn ... und fragen ihn, was passiert ist. Da sagt er: ›Ich habe geträumt, dass der Schneemensch mir seinen Finger in den Arsch steckt und mich damit über einem Abgrund hält, und da habe ich ihn angeschrien: Mach wenigstens den Finger krumm!‹«
»Willst du mir damit vorschlagen, mich so zu verhalten wie der Schneemensch aus dieser Geschichte?«, fragte der Roboter. Kam mir das nur so vor oder schwang in der Stimme dieses Eisenriesen tatsächlich Ironie mit?
»Zieh mich jetzt endlich hoch!«, schrie ich. »Zieh mich hoch oder stoß mich in den Abgrund, aber steh hier nicht wie angewurzelt rum! Ich falle gleich!«
Ich begriff nicht mal, wie das alles vor sich ging, mein Bewusstsein schnitt das nicht mit. Mit unvorstellbarer Schnelligkeit streckte der Roboter seine Arme vor, packte mich am Unterschenkel und hielt mich vor sich. Eine Sekunde baumelte ich kopfüber in den Metallhänden, die mich fest und sanft zugleich hielten. Dann drehte der Roboter mich um und stellte mich auf festem Boden ab.
Danach stand der Roboter wieder reglos da. »Du wärst nicht gefallen«, meinte er mit ruhiger Stimme. »Ich hatte die Situation unter Kontrolle.«
»Dann bist du ... du gehorchst?«, stammelte ich endlich eine Frage heraus.
»Wie kommst du denn darauf?«, wollte der Roboter wissen. »Ich habe gesagt, ich hätte deinen Fall verhindert. Ich brauche dich noch.«
»A-ach ja-a?« Zum ersten Mal in meinem Leben fing ich an zu stottern.
»Und du wirst mich eventuell auch brauchen. Meiner Ansicht nach sind unsere Interessen weitgehend kongruent.«
Der Metallfinger kam auf mich zu und berührte die MPi.
»Das ist eine Waffe«, sagte ich.
»Ich weiß. Ich würde dir empfehlen, die Patronen nicht leichtsinnig zu vergeuden, indem du versuchst, mich zu beschädigen. Waffen dieser Art können mir nichts anhaben.«
»Ich hatte nicht vor ...« Ich verstummte. Wozu sollte ich ihm das erklären? Als ich gesehen hatte, mit welcher Geschwindigkeit sich dieser Koloss bewegte, war mir klar geworden: Ob ich auf ihn mit einer MPi oder mit einem Korkenzieher losging, war völlig einerlei.
»Gut.«
Abermals wechselte der Roboter mit unvorstellbarer Schnelligkeit die Position und setzte sich hin. Die kleinen Steine knirschten unter dem Metallkörper.
»Frag!«, befahl der Roboter. »Ich weiß, dass Menschen nicht handeln können, ohne vorher eine Reihe überflüssiger Fragen zu stellen.«
»Und du wirst mir antworten?«, hakte ich nach.
»Das hängt von den Fragen ab.«
Seine Logik konnte ich jedenfalls nicht bemängeln. Schade, dass seine Erbauer den guten alten Asimov so außer Acht gelassen hatten.
»Du bist ein Roboter?«
»Ich bin ein Roboter. Oder sehe ich etwa nicht so aus?« Mit Sicherheit hatte er einen Sinn für Humor! Das beruhigte mich. Ich linste in den Abgrund und erschauderte. Der Boden war nicht auszumachen. Rasch zog ich mich vom Abgrund zurück und setzte mich dem Roboter gegenüber. Die MPi nahm ich ab und legte sie abseits hin, eher der Bequemlichkeit halber, als um meine Friedfertigkeit zu demonstrieren.
»Bist du von hier? Bist du von den Bewohnern dieser Welt geschaffen worden?«
»Nein. Nein.«
»Bist du von Menschen geschaffen worden?«
»Ja.«
»Hast du einen Sinn für Humor?«, fragte ich zu meiner eigenen Überraschung.
»Woher sollen wir armen Metaller den denn haben?«, antwortete der Roboter melancholisch.
»In welcher Welt bist du geschaffen worden?«
»Welche Klassifikation kennst du?«
»Die der Funktionale ... die Welten des Multiversums.«
»Dann wird dir die Bezeichnung nichts sagen. Die Funktionale haben unsere Welt nicht in ihre Klassifikation aufgenommen.«