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»Warum nicht? Ist sie ihnen unbekannt?«

»Sie trafen auf allzu schmerzlichen Widerstand, als sie versuchten, sie zu erobern.«

»Ist das hier die Heimatwelt der Funktionale?«

»Ja.«

»Der Turm in deinem Rücken, haben den die Funktionale gemacht?«

»Er ist nicht in meinem Rücken. Ja, das haben sie.«

»Beschützt du ihn?«

»Sehe ich so aus?«

»Willst du ihn zerstören?«

»Erforschen. Eventuell zerstören. Das hängt von seiner Bestimmung ab.«

»Anscheinend habe ich einen Verbündeten gefunden«, sagte ich. »Bist du schon lange hier?«

»62 Jahre, vier Monate und drei Tage.«

»Nicht zu glauben!«, bemerkte ich. »Du siehst wie neu aus.«

»Leider ist dem nicht so. Ich bin beschädigt. Ich bin allein übriggeblieben, am Anfang waren wir zu dritt. In zwei Monaten und sechs Tagen versiegen meine Energiequellen endgültig, dann höre ich auf zu funktionieren.« Er verstummte. »Obwohl ich das Wort funktionieren nicht mag.«

»Verstehe. Erzählst du mir von deiner Welt?«

»Nein. Diese Informationen hätten für dich keine Bedeutung. Wir stellen für deine Welt oder überhaupt für Menschen keine Gefahr dar. Unsere Lebensweise würde dir merkwürdig vorkommen, eventuell sogar abstoßend. Das könnte unserer Zusammenarbeit im Wege stehen.«

»Aber bei euch gibt es Menschen? Normale Menschen? Werden sie von den Maschinen unterdrückt?«

»Ja. Ja. Nein. Jetzt müsste ein Lachen folgen, aber meine Möglichkeiten der Lautnachahmung sind begrenzt. Ich habe mal versucht zu lachen, aber das hat die Menschen erschreckt.«

»Kein Wunder ...« Ich erschauderte bei der Vorstellung. »Die Menschen hätten vermutlich sogar dann Angst, wenn du ein Lied über eine Heuschrecke singen würdest ... Du bist halt sehr groß und ... ziemlich eisern. Auch wenn du verdammt wie ein Mensch aussiehst!«

»Ich bestehe aus Titan und Flüssigkeramik«, erklärte der Roboter. »Aber mein Bewusstsein ist von einem Menschen kopiert worden.«

»Das gibt’s doch nicht«, brachte ich heraus. »Jetzt fällt mir übrigens nichts mehr ein, was ich dich noch fragen soll!«

»Wie schön, dass du weißt, wann ein Verhör zu Ende ist. Damit ist die Reihe an mir, Fragen zu stellen. Einverstanden?«

»Sicher.«

Von dem Roboter ging etwas Warmes aus, etwas Weiches, das fast lebendig wirkte. Der Nebel um uns löste sich auf, ich merkte, wie meine Kleidung langsam trocknete.

»Wie heißt du?«

»Kirill. Ich habe nicht nach deinem Namen gefragt, entschuldige ...«

»Das macht nichts. Nenn mich Roboter. Aus welcher Welt kommst du?«

»Von der Erde. Die Funktionale nennen sie Demos.«

»Das habe ich vermutet«, stellte der Roboter zufrieden fest. »Ich habe dich kaum schockiert, und du kennst das Wort Roboter. Du konntest nur aus einer technisch entwickelten Welt kommen. Wie bist du hierhergekommen?«

»Ich bin ein ehemaliges Funktional. Ein Zöllner.«

»Ehemalige Funktionale gibt es nicht. Selbst wenn du die Verbindung zu deiner Funktion zerrissen hast, hält sich in dir eine veränderte Wahrscheinlichkeit.«

»Eine veränderte Wahrscheinlichkeit?«

»Ich bin an der Reihe, Fragen zu stellen«, rief mir der Roboter in Erinnerung. »Ja, eine veränderte Wahrscheinlichkeit. Invertierte Zeit. Ein lokales Chronoklasma. Nicht realisierte Realität. Intertemporäre Fluktuation. Das kommt aus der Quantenphysik.«

»Davon habe ich noch nie etwas gehört«, brummte ich im Ton eines Fachmanns für Quantenphysik.

»Aus unserer Quantenphysik. Es ist das, was die Funktionale mit den Menschen machen, wenn sie sie in Wesen verwandeln, die ihnen ähneln. Sie durchtrennen ihre Verbindung mit der Realität und geben ihrer Existenz eine Wahrscheinlichkeitskomponente ... Das interessiert hier nicht. Du weißt nicht genug, um die Theorie zu verstehen, von der ich im Übrigen auch keine profunden Kenntnisse habe. Gut, du bist also ein ehemaliges Funktional. Warum hast du die Verbindung zu deiner Funktion zerrissen? Normalerweise ist die Existenz eines Funktionals doch nicht zu verachten. Aus Liebe?«

Ich blickte in die zart schimmernden Facettenaugen und erinnerte mich daran, dass in dieser wandelnden Metallsammlung etwas von einem Menschen steckte. »Ja.«

»Die übliche Geschichte, soweit ich weiß.« Der Roboter berührte sanft meine Schulter. »Funktionale verlieren im Laufe der Zeit die Fähigkeit zu lieben ... und unterschätzen die Kraft dieses Gefühls stets. Hast du deine Fähigkeiten vollständig eingebüßt?«

»Nein. Manchmal brechen sie durch. Ich glaube, das passiert in den Fällen, wenn ich vor einer wichtigen Wahl stehe.«

»Richtig. Du bist nicht ganz in deine Welt zurückgekehrt, Kirill. Du bist nach wie vor ein Hindernis für das freie Fließen der Zeiten. Ein Sandkorn im Ozean, das die Wellen tragen.«

»Du bist ja ein Dichter ...«

»Ich war es. Aber das ist nicht von Belang. Willst du dich rächen?«

»Ich will die Erde für die Funktionale dichtmachen. Genau, wie ihr eure Welt gegen sie abgeschottet habt, oder Feste.«

»Wir haben das anders gemacht als Feste. Feste führt Krieg. Wir haben uns auf dem Niveau feiner Raumstrukturen isoliert. Niemand wird jemals wieder in unsere Welt eindringen, und wir werden sie nie wieder verlassen können.«

In der Stimme des Roboters lag Trauer.

»Das tut mir leid.«

»Danke. Das ist nicht von Belang. Ich bin kein richtiger Mensch und empfinde kein echtes Heimweh. Aber das, was während des Eroberungsversuchs geschehen ist, billige ich nicht. Ein Mensch, dessen Bewusstsein dem meinen zugrunde liegt, ist durch die Funktionale gestorben. Ich möchte den Funktionalen einen solchen Schaden zufügen, dass sie dergleichen nie wieder tun können.«

»Unsere Wünsch stimmen überein«, murmelte ich. »Nur will ich auch noch nach Hause ...«

»Ich muss dich warnen, dass die Chancen dafür verschwindend gering sind.«

»Ich weiß.«

»Dann sind wir Verbündete.«

Neunzehn

Verbündete - in diesem Wort schwingt immer etwas Vorübergehendes mit. Die Verbündeten des Zweiten Weltkriegs haben sich erfolgreich überworfen, kaum dass der Krieg vorbei war, und selbst während des Kriegs haben sie bereits Vorbereitungen für die spätere Konfrontation getroffen. Die Sowjetunion ist zusammengebrochen - und jetzt sind die Beziehungen zwischen den vormaligen Unionsrepubliken weit schlechter als zwischen ehemaligen Feinden. Genauso verhält es sich im Leben normaler, einfacher Menschen. Wie oft verwenden wir denn das Wort »Verbündete«? Freund, Kumpel, Partner - das geht uns leicht über die Lippen. Aber im Wort »Verbündeter« scheint das zukünftige Zerwürfnis bereits angelegt. Er ist kein Freund. Wir haben nur gemeinsame Interessen. In einem bestimmten Bereich und in einer bestimmten Phase.

Warum musste die Sowjetunion sich auch unbedingt Union nennen?! Union, Bund, Verbündeter ... Damit hatten sie eine linguistische Tretmine für die Zukunft gelegt. Dabei hätte man nur mal nachschlagen müssen, was es mit dem Wort »Verbündeter« auf sich hat! Vor gut zweitausend Jahren wurden die von Rom unterworfenen Provinzen Italiens so genannt, die Rom unablässig Hilfe leisten mussten, selbst aber völlig rechtlos dastanden ...

Ich fuhr zusammen, als ich mir klarmachte, dass ich über ein Thema nachdachte, von dem ich bisher nicht den blassesten Schimmer gehabt hatte. Meine Funktionalsfähigkeiten meldeten sich zurück.

Also war ich gerade dabei, eine Wahl zu treffen.

Der Teil meines Ichs, der, wenn ich dem Roboter glauben durfte, in keiner Beziehung zum Fleisch und Blut eines Menschen stand, meine »veränderte Wahrscheinlichkeit«, erwachte und ermöglichte mir liebenswürdigerweise den Zugriff auf enzyklopädisches Wissen.

Ich zögerte nicht lange.