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»Nein, ich habe da keine Freundin, eher einen Kampfgefährten«, meinte ich grinsend.

Meine Mutter, die mich bisher voller Sorge beobachtet hatte - ob ich auch nicht zu betrunken war, ob sie mir nicht besser das Sofa im Wohnzimmer herrichtete -, mischte sich daraufhin sofort ins Gespräch ein: »Was soll das heißen, ein Kampfgefährte? Hast du dich etwa mit irgendwelchen inoffiziellen Organisationen eingelassen?«

Ich verschluckte mich am Tee.

In gewisser Weise hatte meine Mutter ins Schwarze getroffen.

»Bestimmt nicht, Mama. Das ist nur so dahingesagt ...«

»Lass ihn doch in Ruhe«, verlangte mein Vater. »Unser Sohn ist schließlich kein Dummkopf, der leidet nicht am Herdeninstinkt. Wenn er will, wird er uns schon alles erzählen. Du weißt doch, wie die Jugend ist.«

Ich trank den Tee aus und erhob mich. »Was ist?«, fragte ich mit kläglicher Stimme. »Leiht ihr mir was fürs Taxi?«

»Ja«, sagte mein Vater. »Du bist sicher, dass du nicht doch hierbleiben willst? Ich habe einen guten Kognak, wir könnten ein Gläschen trinken ...«

»Danila!« In der Stimme meiner Mutter schwang ein stahlharter Unterton mit. »Was soll das heißen? Willst du dich mitten in der Nacht betrinken?«

»Ich als Arzt versichere dir, dass ein Gläschen vor dem Zubettgehen ...«

»Er hat sein Gläschen bereits gehabt! Kirill, ich hole jetzt das Geld. Sollen wir dich begleiten? Oder ein Taxi rufen?«

»Mama, Cashew ist doch bei mir, wer wird denn schon einen Menschen mit einem solch blutrünstigen Beschützer überfallen!«, entgegnete ich. »Und ein Taxi rufen ...? Ich krieg schon eins, das kostet dann nur die Hälfte ...«

Seltsamerweise beruhigte sie der Hinweis auf Cashew. Obwohl Cashews Hauptwaffe zur Verteidigung seines Herrchens natürlich darin bestand, den Gegner zu Tode zu schlecken.

Ich verließ das Haus in meinem alten Anorak, den meine Mutter herausgekramt hatte, sobald ihr klar geworden war, dass ich »nur eine Windjacke« anhatte. Auch einen Vortrag, wie leicht man sich die Gesundheit ruiniere und wie wichtig es sei, sie gut zu pflegen, hatte ich mir noch anhören müssen. Meiner Ansicht nach hätte Dietrichs Regenjacke völlig ausgereicht, um zur nächsten Ecke zu gelangen und ein Taxi anzuhalten. Aber ich hatte auf jede Diskussion verzichtet.

Als Cashew begriff, dass wir nach Hause gingen, hatte er freudig an der Leine gezogen. Ich stand im Licht einer Laterne und hielt den Daumen raus. Doch ich hatte kein Glück, die Autos fuhren vorbei, niemand wollte sich ein paar Scheine zusätzlich verdienen.

Schließlich hielt mit quietschenden Bremsen ein ziemlich mitgenommener Shiguli. Ich öffnete die Tür - und brach in schallendes Gelächter aus.

»Ach, mein Stammkunde!«, meinte der kaukasische Fahrer aufgeräumt. »Immer rein!«

»Ich habe meinen Hund dabei, geht das in Ordnung?«

»Klar, ein Hund ist schließlich auch ein Mensch. Setz dich.«

Nachdem ich Cashew auf den Rücksitz verfrachtet und ihm den strikten Befehl gegeben hatte, sich hinzulegen, nahm ich in der gemütlichen, verrauchten Wärme des Autos auf dem Beifahrersitz Platz.

»Da liegt ein Lappen rum. Wisch ihm die Pfoten ab«, sagte der Fahrer. »Ein hübscher Hund. Reinrassig?«

»Hmm ...«

Ich beugte mich nach hinten und säuberte Cashews Pfoten. Der Fahrer hatte schon wieder Gas gegeben.

»Du musst nach Medwedkowo, oder? Wie sieht’s aus, hast du deine Probleme klären können? Wenn ich mich recht erinnere, musste ich dich durch die ganze Stadt kutschieren, weil dir irgendwas passiert war.«

»Stimmt«, bestätigte ich. »Und ehrlich gesagt, konnte ich bisher überhaupt nichts klären. Jetzt hoffe ich allerdings ...«

»Alle Probleme löst du nie«, meinte der Fahrer philosophisch.

Ich holte die Zigarettenschachtel raus. Zwei waren noch drin.

»Wollen Sie?«, fragte ich. »Ein einfacher Tabak, aber von weit her. Bei uns kriegen Sie so was nicht.«

»Wenn es dir nicht drum leidtut, sag ich selbstverständlich nicht nein.«

Auf dem Rücksitz nieste Cashew und tat so seine Meinung über das Rauchen im Allgemeinen und Zigarettenrauchen im Auto im Besonderen kund.

»Ein guter Tabak«, sagte der Fahrer höflich. »Stark.«

»Ungelogen«, pflichtete ich ihm bei. »Wie läuft das Geschäft?«

»Ich hab die Reifen gewechselt«, brüstete sich der Fahrer. »Erst wollte ich Winterreifen aufziehen, dann habe ich mich aber für Allwetterreifen entschieden. Bei den Wintern, die wir jetzt haben, so warm ... Ansonsten kurve ich halt so rum, mehr nicht ...«

»Jeder hat seine Funktion«, meinte ich nachdenklich.

»Was heißt hier Funktion? Glaubst du, nur weil ein Mensch aus dem Kaukasus ist, muss er seine Sachen auf dem Markt verkaufen oder den Taxifahrer mimen? Ich habe Hydromelioration studiert. Und das Studium abgeschlossen! Dass dann alles so gekommen ist ...« Er verstummte. »Das ist nicht meine Schuld, das kannst du mir glauben. Da haben ein paar dicke Onkel für mich eine Entscheidung getroffen. Aber was jammer ich? Taxifahren, das ist ja schließlich auch eine Arbeit.«

»Richtig«, meinte ich. »Genau wie Befehle erteilen, das ist auch eine Arbeit ...«

»Als ob es auf all den Kram ankommt! Hauptsache ist doch, du lebst. Du bist jung, du glaubst, du hättest die Ewigkeit noch vor dir. Trotzdem musst du jetzt schon zusehen, dass du lebst. Ein lebendiger Esel ist wichtiger als ein verreckter Löwe.«

Ich erwiderte kein Wort. Cashew wuselte auf dem Rücksitz herum.

Wenn ich sterbe, wird es nicht leicht für ihn.

Von meinen Eltern ganz zu schweigen.

Kotja hat nur Illan und ... und er hat seine Freundinnen immer wie Handschuhe gewechselt.

Zweiundzwanzig

Man sagt, seinem Schicksal entkommt man nicht. Freilich, manch einer glaubt, der Mensch sei seines eigenen Schicksals Schmied.

Ich selbst bin der Ansicht, beide Seiten haben recht.

Denn der Mensch ist auch sein Schicksal. Es gibt immer etwas, das du ändern kannst. Etwas, das du bewältigen kannst. Genau wie es manches gibt, das du nie erreichst. Wozu du nicht imstande bist. Selbst wenn du mit dem Kopf gegen die Wand rennst.

Ich hatte ein paar Bücher gelesen, in denen Autoren nachweisen, dass der Mensch zu allem fähig ist. Pflanz ihn nur in die entsprechende Umgebung - und er wird Scheiße fressen und Kehlen durchbeißen. Einige haben das sogar ausgesprochen überzeugend nachgewiesen. Meiner Ansicht nach beweisen solche Bücher jedoch nur eins: dass dieser eine Mensch Scheiße fressen und Kehlen durchbeißen würde. Ansonsten wäre alles falsch. Ansonsten wäre alles vergeblich.

Deshalb haben mir schlechte Bücher immer so gut gefallen. Die, in denen es heißt, der Mensch sei im Grunde sogar besser, als er selbst glaubt.

Ich saß in der Küche, rauchte und schüttete eine Tasse Kaffee nach der nächsten in mich rein. Schlecht fürs Herz, sicherlich. Aber wovor sollte ich mich schon fürchten, wenn ich mich im Prozess der Wahl befand? Vor allem, wenn ich Kurator werden sollte?

Und wenn ich das nicht würde - dann bräuchte ich mir ohnehin nie wieder Gedanken über meine Gesundheit zu machen.

Das Handy lag vor mir auf dem Tisch. Cashew, der sich eine Weile in der Küche herumgedrückt hatte, hatte irgendwann eingesehen, dass er kein Mitternachtshäppchen kriegen würde, und sich zum Schlafen in mein Bett verzogen, weit weg von dem Licht und dem Tabakqualm.

Wenn eine Fabrik vor deinem Fenster die Luft verpestet, kannst du in eine Gegend ziehen, in der es keine Fabriken gibt. Oder dafür sorgen, dass die Fabrik geschlossen wird.

Aber was, wenn das Gift in der Luft liegt, wenn du ihr weder in den Bergen noch auf einer Insel mitten im Meer entkommst? Wenn alle um dich herum dieses Gift ausstoßen? Wenn es ihnen im Grunde sogar gefällt - wie ja auch die halluzinogene Luft auf Nirwana den unglückseligen Verbannten gefällt?