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Als Mary an die Reihe kam, legte sie ihre Kleidung flink und ohne sich zu zieren ab.

Schließlich waren wir alle >abgebalgt< und offensichtlich frei von Parasiten. Nur der Alte und seine alt-jungferliche Sekretärin blieben noch übrig. Ich glaube, er hatte eine gewisse Scheu vor Fräulein Haines. Verlegen sah er zu Boden und stocherte mit seinem Stock in dem Kleiderhaufen herum. Schließlich blickte er zu ihr auf. »Fräulein Haines, wenn Sie so gut sein wollten ...«

Sie stand vor ihm, sah ihn von oben bis unten an, ein Bild gekränkter Bescheidenheit. Ich rückte näher heran und flüsterte ihm zu: »Chef, wie steht es mit dir selbst? Geh mit gutem Beispiel voran.«

Er blickte verdutzt drein. »Ich meine es ernst«, flüsterte ich. »Du und sie, ihr allein kommt noch in Frage. Los, Kleider runter!«

Der Alte verstand es, sich gelassen ins Unvermeidliche zu schicken. »Sorge dafür, daß sie ausgezogen wird«, sagte er und begann selbst mit grimmigem

Blick an seinen Reißverschlüssen zu zerren. Ich befahl Mary, sich mit ein paar Helferinnen Fräulein Haines vorzuknöpfen. Als ich mich wieder umwandte, hatte der Alte gerade seine Hose auf halbmast und Fräulein Haines stürmte davon.

Zwischen uns stand der Alte, ich konnte keinen Schuß anbringen, und alle anderen Agenten im Raum waren unbewaffnet! Das war sicher kein Zufall; der Chef traute ihnen nicht so viel Beherrschung zu, daß sie mit ihren Pistolen keinen voreiligen Schuß abfeuerten. Er wollte aber den Parasiten lebend fangen.

Ehe ich die Lage recht überblickt hatte, war das alte Fräulein bei der Tür draußen und rannte den Gang hinunter. Dort hätte ich auf seine Arme oder Beine zielen können, aber ich bekam Hemmungen. Es war für mich immer noch die alte Dame, die Sekretärin des Chefs, die mich wegen der mangelhaften Grammatik meiner Meldungen abkanzelte. Und falls sie den Schmarotzer an sich trug, fürchtete ich, ihn zu versengen.

Sie schlüpfte in ein Zimmer; wiederum zögerte ich rein gewohnheitsmäßig, weil es der Raum für die weiblichen Angestellten war.

Doch nur einen Augenblick. Dann riß ich die Tür auf und blickte mit schußbereiter Waffe um mich.

Irgend etwas versetzte mir einen Schlag hinter das rechte Ohr.

Von den nächsten Sekunden kann ich keine klare Rechenschaft geben. Zumindest eine Zeitlang war ich ohne Bewußtsein. Dunkel erinnere ich mich an ein wildes Handgemenge und an Rufe wie »Paß auf!« -»Der Teufel hol sie, jetzt hat sie mich gebissen!« -»Gib auf deine Hände acht!« Dann sagte jemand ruhig: »Faßt sie an Händen und Beinen an - aber behutsam.« - »Und wie steht es mit ihm«, hörte ich fragen, und eine andere Stimme antwortete: »Später, er ist nicht verletzt.«

Als sie forteilten, war ich noch immer betäubt, aber allmählich spürte ich, daß neues Leben mich durchflutete und ich wieder munter wurde. Ich setzte mich auf und hatte das Gefühl, irgend etwas außerordentlich Dringendes tun zu müssen. Taumelnd erhob ich mich und ging zur Tür. Dort spähte ich vorsichtig hinaus; niemand war in Sicht. So trottete ich den Gang hinunter, aber nicht zum Versammlungsraum, sondern zum Ausgang.

Am Tor bemerkte ich erschrocken, daß ich nackt war, und raste den Flur entlang zur Männerabteilung. Dort packte ich die ersten Kleider, die ich fand, und zog sie an. Die Schuhe waren mir viel zu klein, aber das schien nichts auszumachen.

Ich rannte zum Ausgang zurück, tastete nach dem Schalter für den Riegel, und die Tür sprang auf.

Schon glaubte ich unbemerkt entkommen zu können, als jemand schrie: »Sam!« Ich stürzte weiter, um ins Freie zu gelangen, wo ich mich sogleich zwischen sechs Fluchtwegen entscheiden mußte. Schließlich kam ich in einem Verkaufsstand der Untergrundbahn heraus, in dem Obst und Bücher feilgeboten wurden, nickte dem Besitzer zu, schwang die Klappe des Ladentisches hoch und mischte mich unter die Menschenmenge.

Ich erwischte den Düsenexpreß, der stromaufwärts fuhr, und stieg an der ersten Station wieder aus. Dann ging ich zu der Gegenstrecke, die den Fluß hinunterführte, und wartete in der Nähe des Fahrkartenschalters, bis ein Mann auftauchte, der beim Lösen seines Fahrscheins eine gefüllte Brieftasche sehen ließ. Ich nahm den gleichen Zug wie er und stieg mit ihm aus. An der ersten dunklen Ecke schlug ich ihn mit einem Fausthieb nieder. Nun besaß ich Geld und war bereit, mich zu betätigen. Warum ich Geld haben mußte, wußte ich nicht, aber ich war überzeugt, daß ich es für mein nächstes Vorhaben benötigte.

7

Meine Umwelt sah ich auf eine merkwürdig zwiespältige und verzerrte Weise, als starrte ich durch leicht bewegtes Wasser. Doch empfand ich weder Staunen noch Neugierde. Ich schritt dahin wie ein Schlafwandler und hatte keine Ahnung, was meine nächste Aufgabe sein werde; andererseits wieder war ich hellwach, wußte genau, wer ich war, wo ich mich befand und was für eine Arbeit ich in der Abteilung geleistet hatte. Was ich nun zu tun gedachte, hätte ich nicht sagen können, aber jeder Handgriff, alles, was ich im Augenblick ausführte, war wohlüberlegt und erschien mir unbedingt richtig und notwendig.

Irgendwelche Gefühle bewegten mich dabei zumeist nicht, ich war nur befriedigt wie immer, wenn ich meine Pflicht erfüllt hatte. Dies alles spielte sich in meinem Bewußtsein ab; irgendwo, in den Schichten des Unterbewußtseins, die sich dem Einfluß meines Verstandes entzogen, war ich todunglücklich, von Angst gepeinigt und von Schuld bedrückt, aber diese Regungen waren verdrängt; ich wurde sie nur am Rande gewahr, und sie rührten mich nicht weiter.

Man hatte mich aus der Abteilung fortlaufen sehen. Der Ruf »Sam« hatte mir gegolten; nur zwei Menschen kannten mich bei diesem Namen, und der Alte

hätte meinen richtigen gebraucht. Also hatte Mary bemerkt, daß ich mich aus dem Staub gemacht hatte. Nur gut, daß sie mir ihre Wohnung gezeigt hat, dachte ich. Ehe Mary sie das nächste Mal betrat, wäre es notwendig, einen getarnten Sprengkörper darin zu verstecken. In der Zwischenzeit hatte ich zu arbeiten und durfte mich dabei nicht erwischen lassen.

Ich wanderte durch ein Warenhausviertel, um nicht entdeckt zu werden. Bald fand ich ein Gebäude, das mir zusagte; es trug ein Schild: Mansarde zu vermieten - Auskunft beim Agenten im Erdgeschoß. Ich prägte mir die Lage ein, notierte mir die Adresse, dann machte ich kehrt und fand zwei Häuserzeilen weiter eine Fernschreibzelle der Western Union. Dort benützte ich eine freie Maschine und gab folgende Botschaft auf: »Sendet zwei Kisten >Tiny Tots Talky Tales< zum gleichen ermäßigten Preis, gez. Joel Freeman.« Ich fügte noch die Adresse der Dachwohnung hinzu und sandte die Nachricht an Roscoe und Dillard, Makler und Vertreter in Des Moines, Staat Iowa.

Als ich die Fernschreibzelle verließ, erinnerte mich der Anblick einer Schnellimbißgaststätte daran, daß ich hungrig war, aber das Gefühl verflüchtigte sich schnell, und ich vergaß es wieder. Dann kehrte ich in die Nähe des Warenhauses zurück, fand eine dunkle Ecke auf der Rückseite, wo ich es mir bequem machte und wartete, bis der Morgen dämmerte und die Geschäfte geöffnet wurden. Ich erinnere mich dunkel an ständig wiederkehrende Alpträume, in denen ich das Gefühl hatte, eingekerkert zu sein. Um neun Uhr früh suchte ich den Wohnungsagenten auf, der gerade sein Büro aufsperrte, mietete das Dachgeschoß und bestach ihn mit einer runden Summe, damit ich sofort einziehen durfte. Ich ging in die Mansarde hinauf, trat ein und wartete.

Um halb elf Uhr wurden meine Kisten geliefert. Als die Männer von der Eilzustellung fort waren, öffnete ich eine Kiste, nahm eine Zelle heraus, wärmte sie an und bereitete sie für den Einsatz vor. Dann begab ich mich wieder zu dem Agenten und sagte: »Herr Greenberg, könnten Sie einen Augenblick mit hinaufkommen? Ich möchte gern sehen, ob sich die Beleuchtung nicht ändern läßt.«