Выбрать главу

»Mir ist leichter«, gab ich zu und schnitt ein Gesicht.

»Unangenehmer Geschmack im Mund?«

»Wie bei einer Kabinettsitzung auf dem Balkan.«

»Hier.« Sie reichte mir ein Glas mit einer Flüssigkeit, die ein wenig brannte und den üblen Geruch fortspülte. »Nein, nicht schlucken«, meinte sie. »Wieder ausspuk-ken, und dann hole ich Ihnen Wasser.« Ich gehorchte.

»Mein Name ist Doris Marsden, und ich bin tagsüber Ihre Krankenschwester.«

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Doris«, erwiderte ich und starrte sie an. »Sagen Sie, warum dieser Aufputz? Nicht als ob es mir mißfiele, aber Sie sehen aus, als wären Sie einem Witzblatt entsprungen.«

Sie kicherte. »Ich komme mir vor wie ein Mädel vom Ballett. Aber Sie werden sich ebenso daran gewöhnen wie ich.«

»Mir gefällt es. Aber warum das Theater?«

»Befehl des Alten.«

Da wußte ich den Grund, und mir wurde gleich wieder flau. Doris fuhr fort: »Jetzt kommt Ihr Essen.« Sie holte ein Servierbrett.

Zwischen den Bissen, die ich gezwungenermaßen schluckte, vermochte ich noch hervorzustoßen: »Ich fühle mich recht wohl. Eine Spritze Gyro, und ich bin wieder auf den Beinen.«

»Keinerlei Anregungsmittel«, erklärte sie bündig. »Besondere Kost, viel Ruhe und später eine Schlafpille. So lautet die Vorschrift.«

»Was fehlt mir denn?«

»Sie sind völlig erschöpft, unterernährt und haben Skorbut im Anfangsstadium. Dazu noch Krätze und Läuse - aber die haben wir schon beseitigt. Nun wissen Sie’s - aber wenn Sie es dem Doktor verraten, werde ich Sie Lügen strafen. Drehen Sie sich endlich um.«

Das tat ich, und sie begann die Verbände zu wechseln; ich schien an unzähligen Stellen wund zu sein; ihre Worte gingen mir im Kopf herum, und ich versuchte mich zu entsinnen, wie ich unter meinem Inkubus gelebt hatte.

»Hören Sie doch zu zittern auf«, meinte die Schwester. »Ist es denn so schlimm?«

»Mir fehlt ja nichts«, erwiderte ich. Wenn ich mich nicht irrte, hatte ich während der Zeit nicht öfter als jeden zweiten oder dritten Tag gegessen. Ich überlegte. Wahrhaftig, gebadet hatte ich überhaupt nicht! Ich hatte mich nur jeden Tag rasiert und ein sauberes Hemd angezogen; das war für die Tarnung nötig, und mein Dämon wußte das.

Dagegen hatte ich die Schuhe von dem Zeitpunkt an, als ich sie gestohlen hatte, bis mich der Alte wieder einfing, nicht mehr ausgezogen; und sie waren von Anfang an zu eng gewesen.

»Wie sehen denn meine Füße aus?« fragte ich.

»Nicht so neugierig sein!« wies Doris mich zurecht.

Krankenschwestern kann ich gut leiden, sie wirken beruhigend, stehen mit beiden Beinen auf der Erde und sind geduldig. Fräulein Briggs, die Nachtschwester, war nicht so anziehend wie Doris; sie hatte ein Gesicht wie ein Pferd. Zwar trug sie das gleiche Operettenkostüm, aber mit einer Miene, die keinen Spaß duldete.

Als ich in der Nacht aufschreckte und mich das Grauen überkam, weigerte sich Fräulein Briggs, mir eine zweite Schlafpille zu geben, aber sie spielte Poker mit mir und prellte mich dabei geschickt um ein halbes Monatsgehalt. Ich versuchte sie über den Präsidenten auszuhorchen, aber sie verriet nichts. Angeblich hatte sie keine Ahnung von Parasiten, fliegenden Untertassen oder dergleichen und lief dabei in einem Aufzug herum, der nur einem einzigen Zweck dienen konnte.

Später schlief ich erneut ein und wurde von Fräulein Briggs geweckt, indem sie mir einen Waschlappen ins Gesicht klatschte. Sie bereitete mich fürs Frühstück vor, das mir bald darauf Doris brachte.

Nach dem Frühstück besuchte mich Davidson. »Ich hörte, du seist hier«, sagte er. Auch er trug eine kurze Hose, und den linken Arm bedeckte ein Verband.

»Dann hast du mehr als ich gehört«, beschwerte ich mich. »Was ist dir denn zugestoßen?«

»Eine Biene hat mich gestochen.«

Wenn er mir nicht verraten wollte, wie er sich seine Brandwunden zugezogen hatte, war das seine Sache. Ich fuhr fort: »Der Alte war gestern hier, verschwand aber urplötzlich wieder. Hast du ihn seither gesehen?«

»Ja.«

»Und?« drängte ich.

»Reden wir lieber von dir! Haben die Herren Psychologen dich schon wieder k.v. erklärt?«

»Bestand darüber irgendein Zweifel?«

»Und ob, du verdammter Angeber. Unser armer alter Jarvis hat sich nicht wieder erholt.«

»Ach?« An Jarvis hatte ich nicht mehr gedacht. »Wie geht es ihm denn jetzt?«

»Er hat es nicht überstanden. Einen Tag, nachdem du getürmt warst, besser gesagt, nachdem du in die Hände der Verbrecher gefallen warst, versank er in Bewußtlosigkeit, aus der er nicht mehr erwachte.«

Davidson musterte mich. »Du mußt wirklich zäh sein.«

Das Gefühl hatte ich keineswegs. Tränen der Schwäche stiegen mir wieder in die Augen, und ich zwinkerte, um sie zu verbergen. Davidson tat, als bemerke er sie nicht, und plauderte weiter: »Du hättest den Spektakel sehen sollen, nachdem du entwischt warst. Der Alte setzte dir nach - stell dir vor -völlig nackt und nur mit seiner Pistole ausgerüstet und einem grimmig entschlossenen Gesicht. Er hätte dich eingeholt, aber die Polizei griff ihn auf, und wir mußten ihn auslösen.« Davidson grinste.

Ich lächelte schwach. »Schade, daß ich das versäumt habe. Was ist sonst noch vorgefallen - in jüngster Zeit?«

Davidson sah mich forschend an, dann meinte er: »Warte einen Augenblick.« Er ging hinaus und blieb kurze Zeit weg. Als er zurückkam, sagte er: »Der Alte genehmigt es. Was möchtest du wissen?«

»Alles! Was war denn gestern los?«

»Da habe ich mir das hier geholt.« Er schwenkte den verletzten Arm. »Ich hatte noch Glück. Drei Agenten wurden getötet. Es gab allerhand Aufsehen!«

»Wie steht es mit dem Präsidenten? Wurde er ...«

Doris stürzte aufgeregt herein. »Oh, hier stecken Sie also!« herrschte sie Davidson an. »Ich habe Ihnen doch erklärt, daß Sie im Bett bleiben sollen. Jetzt müßten Sie bereits im Mercy-Krankenhaus sein. Das Sanitätsauto wartet seit zehn Minuten.«

Er stand auf, grinste und kniff sie mit der heilen Hand. »Ehe ich nicht dort bin, kann es nicht losgehen.«

»Nun eilen Sie doch!«

»Ich komme schon.«

»He, wie geht es dem Präsidenten?« rief ich ihm nach.

Davidson blickte über die Achsel zurück. »Ach der? Dem geht es gut, er hat keinen Kratzer abbekommen.« Damit war er verschwunden.

Ein paar Minuten später kehrte Doris wutschnaubend zurück. »Diese Patienten!« rief sie, und es klang wie ein Schimpfwort. »Schon vor zwanzig Minuten hätte ich ihm die Injektion geben sollen, damit sie wirkte; so bekam er sie jetzt erst, ehe er in den Krankenwagen stieg.«

»Wozu denn eine Injektion?«

»Erzählte er es Ihnen nicht?«

»Nein.«

»Nun, ich wüßte nicht, warum Sie es nicht erfahren dürften. Der linke Unterarm wird amputiert und erneuert.«

»Oh.« Nun, von Davidson würde ich das Ende der Geschichte nicht hören, dachte ich; ein neues Glied einzusetzen bedeutete einen schweren Schock. Der Patient mußte mindestens zehn Tage lang eingesperrt bleiben. So setzte ich Doris wieder mit Fragen zu. »Wie geht es dem Alten? Wurde er verwundet? Oder verstößt es gegen Ihre geheiligten Regeln, wenn Sie mir das verraten?«

»Sie reden zuviel«, antwortete sie. »Jetzt kommt die Morgenmahlzeit dran, und dann halten Sie ein kleines Schläfchen.«

10

Zwei oder drei Tage wurde ich noch im Bett gehalten. Ich genoß die erste richtige Ruhe und Erholung seit Jahren. Die wunden Stellen heilten, und bald redete man mir zu, besser gesagt, verlangte man von mir, im Zimmer einen kleinen Rundgang zu machen.

Der Alte besuchte mich. »Nun, spielst du noch immer den Schwerkranken?«