Man entfernte den Stuhl und brachte einen größeren herein. Den ihren hätte ich nicht benützen können; beide waren genau nach Maß angefertigt. Nachdem man mich angeschnallt hatte, war ich so unbeweglich, als steckte ich in einer Betonhülle.
Mary befand sich nicht mehr im Raum. Ich hatte sie nicht fortgehen sehen, und es schien mir auch völlig gleichgültig. Nachdem ich für den Versuch gerüstet war, legte der Alte mir die Hand auf den Arm und sagte leise: »Mein Sohn, ich danke dir.« Ich gab ihm keine Antwort.
Es herrschte eine Stille, als hielten alle den Atem an. Dann berührte etwas Feuchtes meinen Nacken, und ich wurde ohnmächtig.
Mit der gleichen prickelnden Unternehmungslust, die ich schon einmal erlebt hatte, erwachte ich aus meiner Betäubung. Ich wußte, daß ich mich in einer schwierigen Lage befand, aber ich war wachsam und entschlossen, mit meinem Verstand einen Ausweg zu finden. Furcht hatte ich keine; ich verachtete meine Umgebung und war überzeugt, daß ich sie übertölpeln würde.
In scharfem Ton fragte der Alte: »Kannst du mich hören?«
»Laß das Brüllen«, wies ich ihn zurecht.
»Erinnerst du dich, wozu wir hier sind?«
»Du möchtest Fragen stellen. Worauf wartest du noch?«
»Wer bist du?«
»Stell dich nicht so albern an. Ich bin einen Meter fünfundachtzig groß, besitze mehr Muskeln als Hirn und wiege ...«
»Dich meine ich nicht. Du weißt nur zu gut, zu wem ich spreche - zu dir.«
»Willst du mir Rätsel zu raten geben?«
Der Alte wartete ein wenig, ehe er entgegnete: »Es hat keinen Sinn, vorzugeben, ich wußte nicht, wer du bist ...«
»Aber du weißt es wirklich nicht.«
»Du bist dir doch klar, daß ich dich die ganze Zeit, während du auf dem Körper des Affen gelebt hast, beobachtet habe. Ich kenne einige Tatsachen, die für mich von Vorteil sind.« Er begann sie herunter zuleiern. »Erstens: ich kann dich töten. Zweitens: du bist verwundbar. Elektroschock liebst du nicht, und du bist nicht imstande, einen Hitzegrad zu ertragen, der einem Menschen nichts ausmacht. Drittens: ohne Wirt bist du hilflos. Ich hätte dich von ihm trennen können, dann wärst du gestorben. Viertens: deine Macht beruht nur auf geborgten Fähigkeiten und -dein jetziger Sklave ist wehrlos. Versuche doch, wie fest deine Fesseln sind. Du mußt dich meinem Willen fügen oder zugrunde gehen.«
Meine Klemmschrauben hatte ich bereits überprüft, und wie ich vorausgesehen hatte, war es unmöglich, Ihnen zu entrinnen. Aber das bereitete mir keine Sorge; ich war merkwürdig zufrieden, wieder mit meinem Gebieter vereint und frei von Nöten und Zweifeln zu sein. Meine Aufgabe war es, zu dienen; die Zukunft würde sich von selbst regeln. Ein Knöchelriemen schien weniger eng als der andere zu sein; ob ich wohl meinen Fuß herausziehen konnte? Ich musterte die Armklammern; wenn ich mich vielleicht völlig entspannte ...
Sogleich erhielt ich einen Befehl - oder ich entschied mich; in meinem Fall bedeutete beides das gleiche. Zwischen meinem Gebieter und mir gab es keine Meinungsverschiedenheit; wir waren eins. Ob Auftrag oder eigener Entschluß, ich wußte nun, daß ich im Augenblick keine Flucht wagen durfte. Ich ließ meine Blik-ke im Zimmer umherschweifen und versuchte zu ergründen, wer bewaffnet war. Vermutlich nur der Alte. Das ließ meine Aussichten günstiger erscheinen.
Irgendwo tief im Unterbewußtsein empfand ich ein schmerzliches Gefühl der Schuld und Verzweiflung, wie es nur jene erlebten, die den fremden Herren dienten, aber ich war viel zu beschäftigt, um davon ernstlich beunruhigt zu werden.
»Nun, gedenkst du Fragen zu beantworten, oder soll ich dich züchtigen?«
»Welche Fragen?« höhnte ich. »Bis jetzt hast du nur Unsinn geschwatzt.«
Der Alte wandte sich an einen der Techniker. »Geben Sie mir den Apparat, ich werde ihn etwas kitzeln.«
Der Alte fuhr mit einem Stab an meiner Achsel vorbei. Ich verspürte einen heftigen Schmerz; der Raum wurde finster, als hätte man einen Schalter ausgedreht. Ich schien entzweizubersten. Einen Augenblick war ich ohne Gebieter.
Die Pein verebbte, nur eine quälende Erinnerung daran blieb zurück. Ehe ich zusammenhängend denken konnte, war das sonderbare >Gespaltensein< vorbei, und ich ruhte wieder sicher in den Armen meines Inkubus. Doch zum ersten und einzigen Mal, während ich ihm untertan war, fühlte ich mich nicht frei von Sorge; etwas von seiner wilden Angst und seiner furchtbaren Qual ging auf mich über.
»Nun, wie gefiel dir diese Kostprobe?«
Der panische Schrecken wich; erneut war ich von unbekümmertem Wohlbehagen durchdrungen, doch beobachtete ich scharf und war auf der Hut. Meine Handgelenke und Fußknöchel, die sich unangenehm bemerkbar gemacht hatten, hörten auf zu schmerzen. »Warum hast du das getan?« fragte ich. »Gewiß, du kannst mir weh tun, aber warum?«
»Beantworte meine Fragen.«
»Stelle sie.«
»Was bist du für ein Wesen?«
Die Antwort ließ auf sich warten. Der Alte griff nach dem Stab; ich hörte mich sagen: »Wir sind das Volk.«
»Was für ein Volk?«
»Das einzige seiner Art. Wir haben euch genau beobachtet, und wir kennen eure Eigenheiten. Wir ...« Ich hielt plötzlich inne.
»Sprich weiter«, befahl der Alte und winkte mit der Rute.
»Wir kommen, um euch ...«, fuhr ich fort.
»... was zu bringen?«
Ich wollte sprechen; der Stab war erschreckend nahe. Aber ich hatte Mühe, die rechten Worte zu finden. »Euch Frieden zu bringen«, platzte ich heraus.
Der Alte schnaubte.
»Frieden, Zufriedenheit und die Freude der Unterwerfung.«
Wiederum zögerte ich. >Unterwerfung< war nicht der richtige Ausdruck. Ich mühte mich ab, wie man mit einer fremden Sprache kämpft. »Die Freude«, wiederholte ich, »die Freude des ... Nirwana.« Das Wort paßte.
»Wenn ich recht verstehe, versprichst du dem Menschengeschlecht, daß ihr für uns sorgen und uns glücklich machen werdet, sofern wir uns euren Wünschen fügen. Stimmt das?« sagte der Alte.
»Genau!«
Der Alte überlegte und blickte mir dabei über die Achseln. »Weißt du, mir und meinesgleichen ist dieser Handel schon oft angeboten worden«, sagte er langsam. »Doch ist dabei niemals der geringste Gewinn herausgesprungen.«
»Versuche es doch selbst«, riet ich. »Es ließe sich bewerkstelligen, dann wirst du Bescheid wissen.«
Diesmal starrte er mir ins Gesicht. »Vielleicht sollte ich es tun, ich wäre es auch einem ganz bestimmten Menschen schuldig. Möglicherweise werde ich eines Tages soweit sein. Aber jetzt hast du mir Auskunft zu geben«, fuhr er lebhaft fort. »Und gib sie flink und richtig, dann bleibst du ungeschoren. Bist du aber langsam, werde ich einen etwas stärkeren Strom einschalten.« Er schwang den Stab.
Ich zuckte zurück und fühlte bestürzt, daß ich eine Niederlage erlitten hatte. Einen Augenblick lang hatte ich geglaubt, er werde meinen Vorschlag annehmen, und hatte mir zurechtgelegt, wie ich entrinnen könnte. »Nun, woher kommst du?« unterbrach er meine Gedanken.
Schweigen.
Der Stab näherte sich. »Von weither«, stieß ich hervor.
»Das ist nichts Neues. Wo liegt deine Urheimat, dein eigener Planet? Du kennst doch unser Sonnensystem. Liegt dein Planet inner- oder außerhalb?«
Ich zauderte, dann erklärte ich: »Alle Planeten gehören uns.«
Der Alte kaute an seiner Lippe. »Was meinst du damit?« brummte er grübelnd. Dann raffte er sich auf. »Das hat nichts zu bedeuten; ihr könnt von mir aus das ganze verdammte Weltall für euch beanspruchen. Wo ist euer Zuhause? Von woher kommen eure Raumschiffe?«
Ich hätte es ihm nicht sagen können; so verharrte ich in Schweigen.
Plötzlich holte er aus, und ich verspürte einen heftigen Schlag im Rücken.