»Verdammt noch mal, rede! Welcher Planet? Mars? Venus? Jupiter? Saturn? Uranus? Neptun? Pluto?« Er schnurrte sie nur so herunter, und ich sah sie vor mir. Dabei war ich nie weiter von der Erde weggewesen als bis zu den Raumstationen. Als er den richtigen Planeten nannte, merkte ich es. Aber es war, als werde mir dieser Gedanke im Nu wieder ausgelöscht.
»Sprich!« schnauzte er mich an.
»Keiner von ihnen«, hörte ich mich sagen. »Unsere Heimat liegt weiter weg.«
Er blickte mir über die Achsel und dann in die Augen. »Du lügst.«
Langsam schob er den Stab hinter mich. Wiederum wußte ich die Antwort und war gerade dabei, sie ihm zu geben, als mich etwas an der Kehle zu packen schien. Dann setzte der Schmerz ein. Er nahm kein Ende.
Die Qual ließ mich das Gesicht des Alten wie durch einen Schleier sehen, es schwebte flimmernd vor mir. »Hast du genug?« fragte er. Ich setzte zu einer Antwort an, aber ich würgte wie geknebelt. Wiederum sah ich ihn den Stab ausstrecken.
Dann zerbarst ich und starb.
Sie beugten sich über mich. Jemand rief: »Er kommt zu sich.« Ich blickte in das Gesicht des Alten, der mich voller Sorge fragte: »Wie geht es dir, mein Sohn?« Ich konnte mich nur abwenden.
»Drehen Sie ihn bitte auf die Seite«, sagte eine andere Stimme. »Ich möchte ihm eine Injektion geben.« Der Sprecher kniete sich neben mich und führte sein Vorhaben aus. Dann erhob er sich, blickte seine Hände an und wischte sie an der kurzen Hose ab.
Gyro, dachte ich geistesabwesend, oder etwas Ähnliches. Was es auch war, es machte mich jedenfalls bald so munter, daß ich mich ohne Hilfe aufsetzen konnte. Ich befand mich noch immer in dem Raum, in dem der Käfig stand, und sah unmittelbar vor mir den verdammten Stuhl. Mühsam stand ich auf; der
Alte reichte mir die Hand. Ich schleuderte sie zur Seite. »Rühr mich nicht an!«
»Entschuldige«, entgegnete er, dann befahl er barsch: »Jones! Du und Ito - ihr holt die Tragbahre. Bringt ihn in die Krankenstube. Doktor, Sie gehen mit.«
Fräulein Briggs weckte mich, und Doris brachte mir das Frühstück; es war, als sei ich nie von der Krankenliste gestrichen gewesen. Mein Zustand war nicht allzu schlimm. Mir war nur zumute, als sei ich in einem Faß den Niagarafall hinuntergeschwommen; an beiden Armen und Beinen trug ich, wo die Fesseln eingeschnitten hatten, Verbände, aber Knochen waren keine gebrochen. Wirklich krank war nur mein Gemüt.
Man mißverstehe mich nicht. Der Alte hätte mich jederzeit an einen gefährlichen Platz stellen dürfen. Dazu hatte ich mich mit meiner Unterschrift verpflichtet. Aber das hieß nicht, daß ich mit einem so üblen Streich einverstanden war, wie er ihn mir gespielt hatte. Er wußte, wie er mich anzupacken hatte, und zwang mich damit zu etwas, das ich aus freien Stücken niemals getan hätte. Nachdem er mich so weit gebracht hatte, wie er wollte, mißbrauchte er mich erbarmungslos.
Es war das Verhalten des Alten, das mich wirklich kränkte. Mary? Wer war sie schon? Nur ein Mädel unter vielen. Gewiß, ich verachtete sie, weil sie sich als Lockvogel hatte verwenden lassen. Daß sie als Agentin sich ihrer Reize bediente, war ganz in der Ordnung. Die Abteilung mußte Frauen als Mitarbeiter haben. Schließlich hat es immer schon weibliche Spione gegeben, und die jungen und hübschen haben immer die gleichen Waffen gebraucht.
Aber sie hätte nicht einwilligen dürfen, sie gegen einen Kameraden einzusetzen - zumindest nicht gegen mich!
Nicht sehr logisch gedacht, nicht wahr? Aber mir kam es so vor. Ich hatte genug von dem Theater. Das > Unternehmen Parasit< konnte ohne mich weiter geführt werden. Ich besaß eine Hütte in den Adiron-dacks; dort lagerten tiefgekühlte Vorräte, die auf alle Fälle für ein Jahr reichten. Dazu hatte ich eine Menge Tempuspillen. Ich wollte mich in die Berge zurückziehen und das Mittel einnehmen. Die Welt mochte indessen gerettet werden oder zur Hölle fahren - ohne mich!
Wenn sich mir dort jemand auf hundert Meter näherte, hieß es: den nackten Rücken vor weisen, oder ich würde den Besucher niederbrennen.
11
Ich mußte jemandem mein Herz ausschütten, und Doris war das Opfer. Sie war empört. Ja, sie war wütend wie eine gereizte Tigerin.
»Wenn ich Sie recht verstehe, wollten Sie dieses Mädchen doch heiraten?«
»Richtig. Schön dumm, wie?«
»Dann wußte sie, was für einen Einfluß sie auf Sie ausübte. Das war nicht anständig.« Sie hielt mit dem Massieren inne, und ihre Augen blitzten. »Ich habe Ihre rothaarige Freundin nie kennengelernt, aber wenn ich sie treffe, werde ich ihr das Gesicht zerkratzen!«
Ich lächelte ihr zu. »Doris, du bist ein gutes Kind. Ich glaube, du würdest kein unehrliches Spiel mit einem Mann treiben.«
»Oh, ich habe auch schon allerlei geliefert. Doch wenn ich nur etwas halb so Arges angestellt hatte, würde ich jeden Spiegel zerbrechen, weil ich mir selbst nicht mehr in die Augen sehen könnte. Drehen Sie sich um, ich will das andere Bein behandeln.«
Mary tauchte auf. Ich merkte es erst, als ich Doris ärgerlich sagen hörte: »Sie dürfen nicht hineingehen.«
»Ich tue es aber«, antwortete Mary.
Doris kreischte: »Zurück, oder ich reiße Ihnen die gefärbten Haare mit den Wurzeln aus!«
Man hörte Geräusche, die auf eine Balgerei hindeuteten, und ein Klatschen, als bekomme jemand eine schallende Ohrfeige. »He, was geht hier vor?« brüllte ich.
Gemeinsam erschienen sie im Türrahmen. Doris atmete schwer, ihr Haar war zerzaust. Mary brachte es fertig, würdevoll auszusehen, aber auf ihrer Wange leuchtete ein grellroter Fleck in der Größe von Doris' Hand.
Doris holte tief Luft. »Verlassen Sie das Zimmer. Er wünscht Sie nicht zu sehen.«
»Das will ich von ihm selbst hören«, erklärte Mary.
Ich blickte von einer zur anderen, dann knurrte ich: »Teufel noch mal. Da sie nun schon einmal hier ist, habe ich ihr etwas zu sagen. Ich danke dir, Doris.«
»So ein Narr«, fauchte meine Betreuerin und rauschte hinaus.
Mary trat an mein Bett. »Sam«, sagte sie. »Sam.«
»So heiße ich nicht.«
»Deinen richtigen Namen habe ich nie erfahren.«
Es war nicht der rechte Zeitpunkt zu erläutern, daß meine Eltern mir den Namen >Elihu< aufgebürdet hatten. So entgegnete ich: »Was tut es schon. Sam genügt vollauf.«
»Sam«, wiederholte sie, »mein lieber Sam.«
»Ich bin nicht dein >lieber<.«
Sie neigte den Kopf. »Ja, das weiß ich, aber ich habe keine Ahnung, weshalb. Sam, ich bin gekommen, um zu erfahren, warum du mich haßt.«
»Nach allem, was du angestellt hast, weißt du nicht warum? Mary, du magst kalt wie ein Fisch sein, aber du bist nicht dumm.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur schwerfällig, Sam. Kalt bin ich nicht, aber oft recht begriffsstutzig. Sieh mich bitte an. Ich weiß, was man dir angetan hat. Du hast es erduldet, um mich davor zu bewahren, und ich bin dir zutiefst dankbar dafür. Aber ich verstehe nicht, warum du mich haßt. Ich habe dich nicht gebeten, an meine Stelle zu treten, und ich wünschte es auch nicht.«
Darauf entgegnete ich nichts. Und schon fragte sie: »Du glaubst mir nicht?«
Ich richtete mich auf einem Ellbogen auf. »Ich meine, daß du dir das nur selbst eingeredet hast. Nun will ich dir erzählen, wie es sich wirklich verhält.«
»Ja, bitte.«
»Du hast dich in den vertrackten Stuhl gesetzt und genau gewußt, daß ich den Versuch an dir niemals zulassen würde. Darüber warst du dir vollkommen klar, ob du es dir mit deinem unaufrichtigen Weiberverstand eingestandest oder nicht. Der Alte wäre nicht fähig gewesen, mich soweit zu bringen, weder mit Waffengewalt noch mit Drogen. Aber du hattest die Macht dazu und hast sie mißbraucht. Ich wäre lieber gestor-ben, als mich von einem Parasiten noch einmal berühren zu lassen, doch du hast mich dazu gezwungen, etwas zu tun, wonach ich mir wie beschmutzt und geschändet vorkomme. Das ist dein Werk.«