Der Alte setzte eine huldvolle Miene auf. »Sammy, halt dich fest. Heute werden wir uns höchstpersönlich eine fliegende Untertasse ansehen!«
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»Vor siebzehn Stunden« - der Alte blickte auf seine Uhr am Finger und fügte hinzu: »und zweiunddreißig Minuten landete in der Nähe von Grinnell im Staate Iowa ein Raumschiff. Bauart unbekannt. Annähernd scheibenförmig, Durchmesser etwa fünfundvierzig Meter. Herkunft fraglich, aber ...«
»Hat man denn die Flugbahn nicht mit Radar verfolgt?« unterbrach ich ihn.
»Nein«, entgegnete er. »Hier ist eine Aufnahme, die Raumstation Beta nach der Landung gemacht hat.«
Ich betrachtete die Fotografie und reichte sie an Mary weiter. Sie war so nichtssagend, wie eine Aufnahme aus achttausend Kilometer Entfernung es nur sein kann. Bäume, die wie Moos aussahen, ein Wolkenschatten, der den besten Teil des Fotos verdarb, und ein grauer Kreis, der ein scheibenförmiges Raumschiff, aber genauso gut auch ein Ölbehälter oder ein Wassertank hätte sein können.
Mary gab mir die Aufnahme zurück. Ich meinte: »Sieht wie ein Zirkuszelt aus. Was wissen wir sonst noch?«
»Nichts.«
»Nach sieben Stunden nichts? Und unsere Agenten? Hast du ihnen keinen auf den Hals gehetzt?«
»Habe ich. Zwei, die in Reichweite blieben, und vier, die in das Raumschiff eindrangen. Sie haben jedoch nichts gemeldet, Sammy; ich hasse es aber, Agenten einzubüßen, noch dazu, wenn ich keine Ergebnisse bekomme.«
Im Nu war mir der ganze Ernst der Lage klar: Wenn der Alte persönlich den Kopf aufs Spiel setzte und dadurch auch noch eine Organisation riskierte -denn sie und er waren eines -, dann konnte es keinen Zweifel mehr an seinen Worten geben. Mich überlief ein kalter Schauer. Für gewöhnlich hat ein Agent die Pflicht, auf jeden Fall an seine eigene Rettung zu denken, seinen Auftrag auszuführen und Meldung zu machen. Bei unserem Unternehmen aber war es zuallererst der Alte, der zurückkommen mußte, und nach ihm Mary.
»Ein Agent sandte eine Teilmeldung«, fuhr der Alte fort. »Er tat so, als sei er ein harmloser Zuschauer, und berichtete mir über Sprechfunk, daß es sich um ein Raumschiff handeln müsse. Dann sagte er noch, daß sich der Rumpf öffne und er versuchen werde, die Absperrung der Polizei zu umgehen und sich näher heranzupirschen. Seine letzten Worte lauteten: >Hier kommen sie. Es sind kleine Geschöpfe, etwa ...< Dann schaltete er ab.«
»Kleine Menschen?«
»Er sagte >Geschöpfe<.«
»Nachrichten aus der Umgebung?«
»Mehr als genug! Die Stereofernsehstation von Des Moines schickte Flugkommandos hin, um an Ort und Stelle Aufnahmen zu machen. Die Bilder, die man übertrug, waren durchweg Teleaufnahmen, die man aus der Luft gemacht hatte. Sie zeigten nur einen scheibenförmigen Gegenstand. Nachdem es daraufhin etwa zwei Stunden lang weder Bild- noch Hörberichte gegeben hatte, folgten später Großaufnahmen und Nachrichten, die ganz anders lauteten.«
Der Alte verstummte. »Na und?« fragte ich.
»Demnach war alles Schwindel. Das Raumschiff war nur eine plumpe Fälschung, von zwei Farmerjungen aus Metallblech und Kunststoff in den Wäldern dicht neben ihrem Haus zusammengebastelt. Die Falschmeldung rührte von einem Ansager her, der die Buben dazu angestiftet hatte, um Stoff für eine spannende Geschichte zu erhalten. Der Mann wurde entlassen, und der neueste >Überfall aus dem Weltraum< erwies sich somit als Scherz.«
Ich rutschte unruhig hin und her. »Ein Lausbubenstreich also, aber uns kostet er sechs Leute. Gehen wir sie suchen?«
»Nein, denn wir würden sie nicht finden. Unsere Aufgabe ist es, herauszubekommen, warum die Stelle, an der nach genauer Vermessung diese Fotografie gemacht worden ist, nicht mit den Nachrichten übereinstimmt und warum der Stereosender von Des Moines eine Weile abgeschaltet war.«
Zum erstenmal machte Mary den Mund auf. »Ich würde gern mal mit den Jungen von der Farm sprechen.«
Acht Kilometer vor Grinnell brachte ich den Wagen auf die Landstraße, und wir hielten Ausschau nach der McLainschen Farm; denn Vincent und George McLain sollten die Missetäter sein. Der Weg war nicht schwer zu finden. Wo sich die Straße gabelte, stand ein großes Schild: >Zum Raumschiffe Bald parkten zu beiden Seiten der Fahrbahn Flugautos, gewöhnliche Wagen und sogenannte Triphibs. An dem Weg, der zur McLainschen Farm führte, boten Verkaufsbuden Getränke und Andenken feil. Ein Polizist regelte den Verkehr.
»Halt mal an«, befahl der Alte. »Wir könnten uns den Spaß doch einmal ansehen, wie?«
»Sicher, Onkel Charlie«, pflichtete ich ihm bei.
Der Alte schwang sich, den Krückstock in der Luft, hinaus. Während ich Mary beim Aussteigen half, hängte sie sich an meinen Arm und schmiegte sich an mich. Sie blickte zu mir auf und brachte es dabei fertig, dumm und zugleich unnahbar auszusehen.
>Onkel Charlie< schwirrte umher, fiel der Polizei auf die Nerven, hielt Leute an und redete auf sie ein, dann blieb er bei einer Bude stehen, um sich Zigarren zu kaufen, wobei er den Eindruck eines wohlhabenden, leicht schwachsinnigen alten Narren machte, der sich einen Feiertag gönnt. Er wandte sich um und deutete mit seiner Zigarre auf einen Wachtmeister. »Der Inspektor erklärt, es sei ein Schwindel - ein Schabernack, von Lausejungen ausgedacht. Wollen wir wieder gehen?«
Mary mimte Enttäuschung. »Kein Raumschiff?«
»Es gibt schon eines, wenn man es so nennen will«, antwortete der Polizist. »Sie brauchen nur den neugierigen Grünschnäbeln dort nachzugehen. Übrigens bin ich Wachtmeister und nicht Inspektor.«
Wir machten uns auf den Weg, überquerten eine Weide und gelangten in einen Wald. Wenn man durch das Gatter wollte, mußte man einen Dollar bezahlen. Viele machten kehrt. Der Pfad durch den Wald war ziemlich einsam. Wir kamen zu einer Lichtung, und das >Raumschiff< lag vor uns.
Es hatte einen Durchmesser von über dreißig Metern, aber es war aus Leichtmetall- und Kunststoffplatten roh zusammengefügt und mit Aluminiumfarbe gespritzt. Es hatte eine Form, als wären zwei Tortenplatten mit der Oberseite aufeinandergelegt. Abgesehen davon zeigte es keine besonderen Merkmale.
Ein junger Bursche von achtzehn bis neunzehn Jahren steckte den Kopf aus einer Luke an der Oberseite des Ungetüms. »Wollen Sie das Innere anschauen?« rief er und fügte hinzu, daß es für jeden weitere fünfzig Cent koste, die Onkel Charlie auch sofort bereitwillig bezahlte.
Beim Einstieg zauderte Mary. Zu dem jungen Burschen gesellte sich ein zweiter, der anscheinend der Zwillingsbruder war, und die beiden schickten sich an, ihr beim Hineinklettern zu helfen. Sie wich zurück, und ich drängte mich vor, denn ich wollte ihr selbst die Hand reichen. Meine Gründe dafür waren zu neunundneunzig Prozent beruflicher Art; ich konnte die Gefahr, die den Platz umgab, geradezu wittern.
»Es ist dunkel«, stammelte sie.
»Eine ganz ungefährliche Sache«, meinte der zweite junge Mann. »Wir haben den ganzen Tag Schaulustige herumgeführt. Ich bin Vinc McLain. Kommen Sie, meine Dame.«
Wie eine besorgte Gluckhenne spähte Onkel Charlie durch die Luke. »Vielleicht sind Schlangen drin«, meinte er. »Steige lieber nicht ein, Kindchen.«
»Keine Bange«, redete ihr George McLain eindringlich zu. »Es ist ganz sicher.«
»Behalten Sie das Geld, meine Herren.« Onkel Charlie sah nach der Uhr. »Wir sind schon spät dran. Gehen wir, meine Lieben.«