Noch waren einige unschlüssig, aber dann fingen alle an, sich aus den Kleidern zu schälen wie Derwische vor dem Tanz. Einer stürzte zum Ausgang; man stellte ihm ein Bein. Nein, er trug keinen Parasiten. Aber drei fingen wir. Danach ging die Vorstellung mit zehn Minuten Verspätung über den Sender, und der Kongreß tagte zum erstenmal mit freiem Rücken.
14
»Versperrt eure Türen!«
»Schließt die Ofenklappen an euren Kaminen!«
»Betretet niemals einen Raum, der dunkel ist.«
»Vorsicht bei Massenansammlungen!«
»Ein Mann, der einen Mantel trägt, ist ein Feind -erschießt ihn!«
Ein unausgesetztes Sperrfeuer derartiger Aufrufe ging durch das Land, das zusätzlich in allen Teilen aus der Luft überwacht wurde, um auf fliegende Untertassen, die vielleicht gelandet waren, Jagd zu machen. Unser Radarschirm stand auf höchster Alarmstufe. Militärische Einheiten, von Luftlandetruppen bis zu den Stationen für ferngesteuerte Raketen, standen bereit, jedes niedergegangene Raumschiff zu vernichten.
In den noch nicht verseuchten Gebieten zogen die Leute mehr oder weniger bereitwillig die Hemden aus, blickten um sich und entdeckten keine Parasiten. Sie verfolgten die Nachrichten im Fernsehen und warteten leicht verwundert, daß die Regierung erklären würde, die Gefahr sei behoben. Doch nichts dergleichen geschah, und einfache Bürger wie Behörden begannen daran zu zweifeln, daß es wirklich nötig sei, in solch einem Strandaufzug herumzulaufen.
Und wie stand es mit den betroffenen Gebieten? Die Berichte unterschieden sich inhaltlich in nichts von denen aus anderen Gegenden.
Seinerzeit, als es nur den Rundfunk gab, wäre das unmöglich gewesen; der Sender Washington hätte mit seinem Programm das ganze Land erreicht. Aber Stereofernsehen verwendete so kurze Wellenlängen, daß nur eine Übertragung von Horizont zu Horizont durchführbar war und Ortssendungen von den einheimischen Stationen ausgestrahlt werden mußten; das war der Preis, den man für reichliche Programmauswahl und guten Bildempfang zu bezahlen hatte.
Da in den befallenen Staaten die Parasiten jedoch die örtlichen Sender in der Hand hatten, bekamen die Einwohner die Warnungen überhaupt nicht zu hören.
Was Washington anging, so hatten wir allen Grund zu der Annahme, daß sie die Aufrufe tatsächlich vernommen hatten. Im übrigen aber? Meldungen trafen z.B. aus Iowa ein, die genauso wie die aus Kalifornien klangen. Der Gouverneur von Iowa sandte als einer der ersten eine Botschaft an den Präsidenten, in der er engste Zusammenarbeit gelobte. Wir bekamen sogar eine Übertragung zu sehen, bei der sich der Gouverneur an seine Wählerschaft wandte und sich bis zur Mitte unbekleidet zeigte. Allerdings stand er mit dem Gesicht zur Kamera, und mich gelüstete es, ihn aufzufordern, daß er sich umdrehen solle. Dann übernahm ein anderes Aufnahmegerät das Bild, und während die Stimme des Gouverneurs weitersprach, erblickten wir einen nackten Rücken. Wir lauschten der Sendung in einem Beratungsraum neben den Amtszimmern des Präsidenten, der den Alten stets um sich hatte. Ich gehörte als Anhängsel dazu, und auch Mary war noch immer als Leibwache tätig. Außerdem waren noch Martinez, der Minister für das Sicherheitswesen, sowie der oberste Stabschef, Luftmarschall Rexton, anwesend.
Der Präsident wandte kein Auge von der Vorführung und sagte dann zum Alten: »Nun, Andrew? Ich war der Meinung, Iowa sei eine Gegend, die wir abriegeln müßten.«
Der Alte knurrte.
Marschall Rexton mischte sich ein: »Soweit ich es mir zurechtlegen konnte, haben die Parasiten sich in eine Untergrundbewegung geflüchtet. Wir sollten vielleicht jeden Zoll eines verdächtigen Gebietes durchkämmen.«
Wiederum brummte der Alte: »Iowa durchkämmen? Ein Kornbüschel nach dem anderen umwenden? Nein, das reizt mich nicht.«
»Wie wollen Sie die Sache denn sonst anpacken?«
»Ich denke, zunächst müssen wir den Feind als das nehmen, was er ist: Er kann sich nicht verstecken, denn ohne Wirt ist er nicht lebensfähig.«
»Nun gut - angenommen das stimmt, wie hoch schätzen Sie die Zahl der Parasiten in Iowa?«
»Verdammt, wie soll ich das wissen? Die Dinger haben mich nicht ins Vertrauen gezogen.«
»Wir können doch aber einen Höchstwert annehmen. Wenn ...«
»Für eine Berechnung fehlt Ihnen jede Grundlage. Können Sie denn alle nicht begreifen, daß die Titanier eine weitere Runde gewonnen haben?«
»Wieso?«
»Sie haben doch eben den Gouverneur gehört. Er zeigte uns seinen Rücken oder den eines anderen Menschen. Fiel Ihnen nicht auf, daß er sich vor der Kamera nicht umwandte?«
»Aber das tat er doch, ich habe es gesehen«, warf jemand ein.
»Ich hatte bestimmt auch den Eindruck«, bemerkte der Präsident bedächtig. »Wollen Sie damit andeuten, daß Gouverneur Packer selbst befallen ist?«
»Ganz recht. Sie sahen nur, was für Sie bestimmt war. Knapp ehe der Mann sich umdrehte, war das Bild geschnitten. Jede Botschaft aus Iowa ist gefälscht.«
Der Präsident blickte nachdenklich drein. Minister Martinez rief: »Unmöglich! Zugegeben - die Rede des Gouverneurs war vielleicht unecht - ein geschickter Schauspieler hätte uns täuschen können. Doch wir sahen eine Auswahl aus Dutzenden von Sendungen von Iowa. Wie stand es mit jener Straßenszene in Des Moines? Erzählen Sie mir nur nicht, daß man uns Hunderte von Menschen vorführen könnte, die halb ausgezogen herumlaufen - oder betreiben Ihre Parasiten etwa Massenhypnose?«
»Soviel ich weiß, sind sie dazu nicht imstande«, gab der Alte zu. »Wenn sie das könnten, dürften wir getrost die Flinte ins Korn werfen. Aber wie kommen Sie auf den Gedanken, daß jene Sendung wirklich aus Iowa stammte?«
»Wie? Aber ich bitte Sie, sie lief doch über den Sender Iowa.«
»Und was beweist das? Haben Sie irgendwelche Straßenschilder gelesen? Die Aufnahmen hätten von jeder beliebigen Straße mit kleinen Läden gemacht sein können, die es in allen Vorstädten gibt. Berücksichtigen Sie jetzt nicht, wie der Ansager die Stadt nannte; welcher Ort war es nachweislich?«
Dem Minister blieb der Mund offen stehen. Ich selbst besitze in hohem Maße jenes >Kameraauge<, das man bei einem Detektiv erwartet; so ließ ich im Geiste den Streifen vor mir abrollen, und - ich hätte unmöglich sagen können, um welche Stadt es sich handelte, noch in welcher Gegend sie ungefähr lag. Es hätte Memphis, Seattle, Boston oder keine davon sein können, denn die meisten Vorstadtbezirke amerikanischer Siedlungen gleichen sich wie ein Friseurladen dem anderen.
»Bloß keinen Streit darüber«, schaltete sich der Alte ein. »Ich weiß es auch nicht, und dabei habe ich ganz genau auf irgendwelche Anhaltspunkte geachtet. Aber die Erklärung ist ganz einfach. Die Station von Des Moines suchte sich Aufnahmen von einer beliebigen, noch nicht verseuchten Stadt aus und stellte sie als eigene hin. Alles, was die genaue Lage verriet, wurde ausgemerzt, und - wir schluckten den Köder. Meine Herren, dieser Feind kennt uns. Sein Feldzug ist bis in alle Einzelheiten geplant, und bei jedem Schachzug, den wir unternehmen, müssen wir uns darauf gefaßt machen, durch List übertölpelt zu werden.«
»Sehen Sie nicht zu schwarz, Andrew?« meinte der Präsident. »Es wäre doch möglich, daß die Titanier anderswohin gezogen sind.«
»Sie befinden sich nach wie vor in Iowa«, erklärte der Alte bündig, »aber mit diesem Kasten hier läßt sich das nicht beweisen.« Er deutete auf den Stereoapparat.
Minister Martinez konnte kaum noch an sich halten. »Das ist doch lächerlich! Sie behaupten also, daß wir aus Iowa - als wäre es besetztes Gebiet - keine einwandfreie Meldung erhalten.«