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»Bis ich befreit wurde, landeten mindestens drei weitere Raumschiffe, das weiß ich zuverlässig.«

Der Alte machte ein verblüfftes Gesicht. »Irrst du dich auch nicht, mein Sohn? Wir glaubten, wir hätten alles aus dir herausgeholt.«

»Nein, ich weiß es ganz bestimmt.«

»Warum hast du das nicht schon früher gesagt?«

»Es fiel mir eben jetzt wieder ein.« Ich versuchte ihnen klarzumachen, wie einem zumute ist, wenn man einen Parasiten trägt. Man merkt, was vorgeht, aber alles erscheint bedeutsam und unwichtig zugleich. Ich wurde ganz aufgeregt.

Der Alte mahnte: »Beruhige dich, Junge«, und der Präsident lächelte mir aufmunternd zu.

Rexton forschte weiter: »Wo landeten sie? Das ist die entscheidende Frage.«

Ich trat an die Karte und versuchte mich zu entsinnen. Während ich auf New Orleans zeigte, schwitzte ich vor Anstrengung. »Ich bin ziemlich sicher, daß hier in der Nähe eines niederging«, sagte ich. »Aber wo die anderen landeten, weiß ich nicht.«

»Denken Sie scharf nach!« sagte Martinez.

Ich dachte nach, bis mir der Kopf weh tat. Dann wies ich auf die Stadt Kansas. »Dorthin schickte ich einige Depeschen, aber ich bin nicht sicher, ob sie sich auf Schiffsladungen bezogen oder nicht.«

Rexton blickte auf die Karte. »Nehmen wir in der Nähe der Stadt Kansas ein Raumschiff an. Mit dieser Frage können sich die Mathematiker beschäftigen. Sie müßte sich lösen lassen; vielleicht können wir auf diese Weise noch die dritte Landung ableiten.«

»Oder die Landungen«, ergänzte der Alte.

16

Verspätete Einsicht nützt verdammt wenig. In dem Augenblick, als die erste fliegende Untertasse landete, hätte die drohende Gefahr mit einer einzigen Bombe ausgetilgt werden können. Noch als Mary, der Alte und ich die Umgebung von Grinnell auskundschafteten, hätten wir drei allein jeden Parasiten töten können, wenn uns ihr genauer Aufenthaltsort bekannt gewesen wäre.

In der ersten Woche hätte die Losung >Rücken frei< noch das Blatt wenden können. Aber nun zeigte es sich schnell, daß diese Aktion als Offensivmaßnahme versagt hatte. Wert hatte sie nur in der Defensive, man konnte die noch nicht verseuchten Gebiete halten, ja es ließen sich sogar Gegenden, die >angesteckt<, aber noch nicht ganz unterjocht waren, säubern. Das galt für Washington selbst, für Philadelphia und New Brooklyn, wobei ich mit guten Ratschlägen dienen konnte. Die ganze Ostküste verwandelte sich aus einem >roten< in einen >grünen< Abschnitt.

Doch als die Landesmitte auf der Karte allmählich markiert wurde, füllte sie sich mit roten Pünktchen oder genauer rubinfarbenen Lichtern, denn die Karte mit den Stecknadeln war durch eine riesige elektronische Generalstabskarte im Maßstab 1 : 500 000 ersetzt

worden, die eine Wand des Beratungsraums bedeckte und die als Relais von einem Original in den unterirdischen Gewölben des Neuen Pentagons >gespeist< wurde.

Als hätte ein Riese in der Mitte rote Farbe ein Tal hinunterlaufen lassen, zerfiel das Land in zwei Teile. Gelbe Säume begrenzten beiderseits den Streifen, der von den Parasiten besetzt gehalten wurde; diese Zonen waren die einzigen Stellen, an denen sich etwas ereignete. Hier konnte man durch Bildempfang von Stationen des Feindes wie von den freien Sendern Einsicht in die Verhältnisse bekommen. Ein solcher Saum begann bei Minneapolis, machte westlich um Chicago einen Bogen, umging St. Louis von Osten und schlängelte sich dann durch Tennessee und Alabama zum Golf. Der zweite Streifen bahnte sich einen Weg durch die großen Ebenen und kam in der Nähe von Corpus Christi wieder heraus. El Paso war Mittelpunkt eines rotschimmernden Flecks, der mit dem befallenen Hauptgebiet nicht in Verbindung stand.

Ich fragte mich, was in diesen Grenzbezirken vorging. Im Augenblick war ich allein. Das Kabinett hielt eine Sitzung ab, und der Präsident hatte den Alten mitgenommen. Rexton und sein Stab waren schon vorher gegangen. Ich blieb, weil ich nicht im Weißen Haus umherirren wollte, hing meinen griesgrämigen Gedanken nach und beobachtete, wie gelbe Lichter rot aufblinkten und - weniger häufig - rote Lichter auf gelb oder grün umgeschaltet wurden.

Ich hätte auch gern gewußt, wie sich ein Besucher ohne Rang und Namen hier ein Frühstück verschaffen konnte. Seit vier Uhr früh war ich auf den Beinen und hatte bis jetzt nur eine Tasse Kaffee erhalten, die mir der Kammerdiener des Präsidenten gebracht hatte. Noch dringender suchte ich einen Waschraum. Schließlich wurde ich so verzweifelt, daß ich der Reihe nach die einzelnen Türen zu öffnen versuchte. Die ersten beiden waren versperrt, die dritte führte zur gewünschten Örtlichkeit.

Als ich zurückkam, fand ich Mary vor.

Ich blickte sie überrascht an. »Ich dachte, du wärst beim Präsidenten.«

Sie lächelte. »Man hat mich fortgejagt. Der Alte hat mich abgelöst.«

»Mary, ich wollte schon lange mit dir reden, und jetzt habe ich das erste Mal Gelegenheit dazu. Ich glaube, ich ... nun jedenfalls hätte ich nicht ... d.h. ich meine, nach der Erklärung des Alten ...« Ich hielt in-ne, weil meine sorgfältig vorbereitete Ansprache zum Teufel war. »Jedenfalls hätte ich nicht so zu dir sprechen dürfen«, schloß ich kläglich.

Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Liebster Sam, mach dir keine Sorgen. Was du gesagt und getan hast, ist von deinem Standpunkt aus durchaus verständlich. Für mich allein ist wichtig, was du tatsächlich für mich getan hast. Alles übrige spielt keine Rolle - außer daß ich wieder glücklich bin, weil ich weiß, daß du mich nicht verachtest.«

Sie hatte mir schon einmal einen Kuß gegeben. Diesmal aber tat sie es richtig. Ich hatte das Gefühl, in einen warmen, goldenen Nebelschleier zu versinken, aus dem ich nie mehr aufzutauchen wünschte. Schließlich mußte ich mich losreißen und keuchte: »Ich denke, ich muß mich jetzt eine Minute hinsetzen.«

»Ach, Sam«, sagte sie und ließ mich los.

»Mary, meine liebe Mary, könntest du mir wohl einen Gefallen tun?« flötete ich kurz darauf.

»Ja?« fragte sie eifrig.

»Verrate mir in drei Teufels Namen, wie man hier ein Frühstück bekommen kann. Ich bin am Verhungern.«

Einen Augenblick schien sie sprachlos, dann antwortete sie: »Aber gewiß!«

Wie sie das Kunststück fertigbrachte, weiß ich nicht, vielleicht war sie in die Speisekammer des Weißen Hauses eingebrochen und hatte sich selbst bedient. Jedenfalls kehrte sie in wenigen Minuten mit belegten Broten und zwei Flaschen Bier zurück. Ich verputzte gerade meine dritte Schnitte mit Büchsenfleisch, als mir etwas einfieclass="underline" »Mary, wie lange - glaubst du wird die Besprechung der Herren dauern?«

»Oh, mindestens zwei Stunden. Warum?«

»In diesem Falle«, erwiderte ich, den letzten Bissen hinunterschlingend, »haben wir genügend Zeit, uns fortzuschleichen und ein Standesamt aufzusuchen, ehe uns der Alte vermißt.«

Sie schwieg und starrte auf die Luftperlen in ihrem Bier. »Nun?« drängte ich.

Sie hob die Augen. »Wenn du es wünschst, werde ich es tun. Ich drücke mich nicht. Aber lieber wäre es mir, wir warteten noch ein wenig.«

»Du willst mich also nicht heiraten?«

»Sei nicht böse, Liebster. Ich gehöre dir - mit und ohne Ehe vertrag. Aber du kennst mich noch nicht richtig. Wir müssen erst noch besser miteinander vertraut werden; du könntest deine Meinung noch ändern.«

»Das ist nicht meine Art.«

Ich muß ein verdrossenes Gesicht gemacht haben. Sie legte ihre Hand auf meine und sagte ernst: »Sam, blicke auf die Karte.«

Ich wandte den Kopf. Rote Lichter wie immer, oder noch mehr.

Die Gefahrenzone um El Paso hatte sich ausgedehnt. Mary fuhr fort: »Erledigen wir zuerst dieses Problem, Liebster. Wenn du dann immer noch den Wunsch hast, frage mich erneut.«