Als die Besprechung vorüber war, beschlagnahmte mich der Alte und nahm mich zu einem Spaziergang mit. Ja, zu einem Spaziergang, obwohl wir nur bis zu einer Bank gingen. Dort setzte er sich nieder, bastelte ausgiebig an seiner Pfeife herum und blickte finster drein.
»Der Gegenschlag setzt um Mitternacht ein«, sagte er und fügte sogleich hinzu: »Wir werden alle wichtigen Punkte in der roten Zone überfallen Sender, Zwischenstationen, Zeitungsredaktionen und Fernschreiber der Western Union!«
»Das hört sich gut an«, erwiderte ich. »Wieviel Mann sind dafür vorgesehen?«
Er antwortete nicht. Statt dessen meinte er: »Mir gefällt das ganz und gar nicht.«
»Warum nicht?«
»Sieh, mein Junge, der Präsident trat vor den Fernsehapparat und befahl, daß jeder sein Hemd ablegen solle. Darauf stellten wir fest, daß die Botschaft das befallene Gebiet nicht erreicht hat. Was folgt daraus?«
Ich zuckte die Achseln. »Wir greifen an, vermute ich.«
»Soweit ist es noch nicht. Überlege einmaclass="underline" inzwischen sind mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen; was hätte geschehen müssen und ist es nicht?«
»Soll ich das wissen?«
»Allerdings, wenn du je selbständig etwas leisten willst. Hier«, er reichte mir den Combo-Schlüssel für einen Wagen. »Fahre schleunigst nach der Stadt Kansas und sieh dich dort um. Laß dich nicht erwischen. Eine halbe Stunde vor Mitternacht mußt du wieder hier sein. Und nun ab!«
So machte ich mich auf den Weg. Der ComboSchlüssel gehörte zu dem Flugwagen, mit dem wir hierhergekommen waren; ich holte ihn an der RockCreek-Plattform ab. Es herrschte nur geringer Verkehr, und ich erwähnte das dem Mann gegenüber, der die Wagen abfertigte. »Fracht- und Handelsfahrzeuge müssen auf dem Boden bleiben«, antwortete er. »Ausnahmezustand - besitzen Sie eine militärische Erlaubnis?«
Wenn ich den Alten anrief, hätte ich eine bekommen können, aber er liebte es nicht, mit Kleinkram belästigt zu werden. So meinte ich: »Überprüfen Sie den Combo.«
Er zuckte die Achseln und steckte den Combo in seine Maschine. Meine Ahnung bestätigte sich. Erstaunt zog er die Brauen hoch. »Allerhand! Sie müssen Liebkind beim Präsidenten sein.«
Nach dem Start stellte ich die Schalthebel bei höchstzulässiger Geschwindigkeit auf die Stadt Kansas ein und versuchte zu überlegen. Jedesmal, wenn ich von einem Kontrollbezirk in den nächsten glitt und Radarstrahlen meinen Transponder trafen, pfiff er, doch auf dem Schirm erschienen keine Gesichter. Offenkundig war der Combo des Alten für diese Strecke ein Freipaß - trotz Ausnahmezustand!
Allmählich begann ich mir den Kopf zu zerbrechen, was geschehen würde, sobald ich in die roten Gebiete eindrang, und plötzlich wurde mir klar, was der Alte mit seiner Frage vorhin gemeint hatte.
Man neigt dazu, unter >Nachrichtennetz< nur die Fernsehsender zu verstehen, die am Sichtbereich liegen. Doch im Grunde verbreitet jeder Reisende ebenfalls Nachrichten, sogar die alte Tante Mamie, die nach Kalifornien fährt und bis zum Rande voll von Klatsch ist. Die Parasiten hatten sich zwar die Fernsehverbindungen angeeignet, aber so leicht lassen Neuigkeiten sich nicht aufhalten. Mit derartigen Maßnahmen erreicht man nur, daß sie langsamer weitergegeben werden. Wollten sie daher in ihrem Bereich an der Macht bleiben, so war die Beschlagnahme der Fernsehsender sicher nur der Anfang.
Was aber war der nächste Schritt? Bestimmt unternahmen sie etwas, und ich, der im weitesten Sinne auch Nachrichten übermittelte, tat gut daran, mir immer einen Fluchtweg offenzuhalten, wenn ich meine Haut retten wollte. Mit jeder Minute flog ich näher an die rote Zone und den Mississippi heran. Was würde geschehen, wenn mein Erkennungssignal das erste Mal von einer Station aufgefangen wurde, die in der Hand der fremden Drahtzieher war?
Folgte ich dem vorgeschriebenen Kurs, mußte ich St. Louis ansteuern, einen Bogen um die Stadt ziehen und dann nach der Stadt Kansas weiterrasen. Doch St. Louis lag in der roten Zone. Die Karte hatte Chicago grün angezeigt; die gelbe Linie verlief im Zickzack westlich davon, irgendwo oberhalb Hannibal in Missouri, und ich wünschte sehnlichst, den Mississippi noch innerhalb der grünen Zone zu überqueren. Ein Fahrzeug, das über diesen kilometerbreiten Strom setzte, würde ein so scharfes Radarsignal auslösen wie ein Stern in der Wüste.
Ich gab der Blockkontrolle ein Zeichen und bat um Erlaubnis, auf die Ebene des Ortsverkehrs hinunterzutrudeln, dann führte ich mein Vorhaben aus, ohne die Antwort abzuwarten. Nun steuerte ich wieder selbst und hielt mich mit mäßiger Geschwindigkeit nach Norden.
Kurz vor der Springfield-Schleife nahm ich Kurs nach Westen und blieb auf geringer Höhe. Als ich den Fluß erreichte, flog ich langsam hinüber, immer dicht am Wasser und mit abgeschaltetem Transponder. Gewiß, dem Radarerkennungszeichen kann man in der Luft nicht ausweichen, aber die Wagen der Abteilung waren besonders ausgestattet. Wurde der örtliche Verkehr überwacht, hatte ich einige Hoffnung, daß mein Fahrzeug bei der Überfahrt fälschlich für ein Boot auf dem Fluß gehalten würde.
Ich wußte nicht genau, ob die nächste Blockkontrolle jenseits des Flusses zur roten oder grünen Zone gehörte. In der Annahme, daß es sicherer wäre, mich erneut in das Verkehrsnetz einzugliedern, wollte ich gerade den Transponder wieder einschalten, als ich plötzlich in der Uferstrecke vor mir eine Mündung entdeckte. Da die Karte keinen Nebenfluß anzeigte, hielt ich die offene Stelle für eine Bucht oder einen neuen Kanal, der noch nicht eingetragen war. So ließ ich mich fast bis auf den Wasserspiegel hinuntergleiten und bog in die Abzweigung ein. Der Lauf des Gewässers war schmal, gewunden und beinahe ganz von überhängenden Bäumen bedeckt; hier hatte ich mit meinem > Himmels wagen< nicht mehr zu suchen als eine Biene in einer Posaune; aber dieser Weg gewährte mir vollkommenen Radarschatten, ich konnte >verlorengehen<.
In wenigen Minuten hatte ich mich wirklich verirrt, ich vermochte auch auf der Karte meine Position nicht mehr zu finden. Der Kanal wechselte die Richtung, wand sich und schwenkte wieder zurück, und ich war so damit beschäftigt, meine Maschine mit Handsteuerung dauernd herumzureißen, daß ich auf alle Navigation verzichten mußte.
Ich fluchte und wünschte, einen Triphib zu haben, dann hätte ich aufs Wasser niedergehen können. Plötzlich verschwanden die Bäume; ich sah ein Stück ebenes Gelände vor mir, hielt darauf zu, und während ich das Fahrzeug zu Boden drückte, drosselte ich jäh die Geschwindigkeit; dabei prallte ich so heftig gegen den Sicherheitsgurt, daß er mich um ein Haar mitten entzweigeschnitten hätte. Aber ich war auf der Erde und versuchte nicht mehr, wie ein Fisch in einem schlammigen Strom herumzuschwänzeln.
Was nun? Zweifellos gab es in der Nähe eine Landstraße. Es war günstiger, sie zu suchen und am Boden zu bleiben.
Andrerseits war es unsinnig - ich hatte nicht Zeit dazu und sollte meine Reise lieber in der Luft fortsetzen. Aber das wagte ich nicht, ehe ich nicht eindeutig wußte, ob der Verkehr hier von freien Männern oder von Parasiten überwacht wurde.
Seit ich Washington verlassen hatte, war der Stereoapparat abgeschaltet gewesen. Jetzt drehte ich ihn auf und jagte nach Meldungen, fand aber keine.
Ich suchte immer noch nach neuen Sendern, um Nachrichten zu hören, und starrte plötzlich in das Gesicht eines Ansagers, der salbungsvoll lächelte.
Er steckte in einem vollständigen Anzug.
Bald wurde mir klar, daß es sich um eine der albernen Geschenksendungen handelte. Der Mann sagte eben: »... und irgendeine glückliche kleine Frau, die in diesem Augenblick vor dem Bildschirm sitzt, wird völlig kostenlos einen automatischen Hausdiener der Firma General Atomic erhalten, mit sechs Geräten auf einmal. Wer wird ihn bekommen? Sie? Sie? Oder werden Sie die Glückliche sein?«