»Ja, natürlich.«
»Du weißt es? Warum hast du nichts gesagt?«
»Keiner hat mich danach gefragt.«
»Ach, du lieber Himmel! Stehen wir auf; ich habe Hunger.«
Ehe wir fortgingen, meinte ich: »Rätselraten um die übliche Zeit?«
»Ja.«
»Mary, du erzählst nie von dem, was sie dich fragen.«
Überrascht blickte sie mich an. »Aber ich habe keine Ahnung davon.«
»Das habe ich vermutet. Tiefe Trance, mit einem Befehl, zu >vergessen<, wie?«
»Ich nehme es an.«
»Hmm ... nun, daran wird sich einiges ändern. Heute gehe ich mit dir.«
Sie erwiderte nicht mehr als: »Ja, Liebster.«
Wie gewohnt, waren sie alle in Dr. Steeltons Büro versammelt: der Alte, Steelton selbst, ein Oberst Gib-sy als Stabschef, ein Oberstleutnant und eine merkwürdige Gesellschaft von Technikern im Unteroffiziersrang, Offiziersanwärtern und anderen dienstbaren Geistern.
Als der Alte mich erblickte, zog er jäh die Brauen hoch, sagte aber nichts. Ein Feldwebel versuchte mich aufzuhalten.
»Guten Morgen, Frau Nivens«, begrüßte er Mary und fügte hinzu: »Sie stehen aber nicht auf meiner Liste, mein Herr.«
»Dann trage ich mich hiermit ein«, verkündete ich und eilte an ihm vorbei.
Der Alte hinkte zu mir herüber. Mit leiser Stimme, nur für mich hörbar, flüsterte er mir zu: »Du hast mir ein Versprechen gegeben.«
»Und das ziehe ich jetzt zurück. Du hattest keine Berechtigung, mir eines, das meine Frau betraf, abzufordern.«
»Hier hast du nichts zu suchen, mein Sohn. Du bist in diesen Dingen nicht geschult. Um Marys willen, geh.«
Unversehens faßte ich einen Entschluß und sprach ihn aus: »Wer hier nichts verloren hat, bist du. Oder bist du etwa Psychoanalytiker? Also verschwinde.«
Der Alte blickte Mary an. Ihr Gesicht verriet nichts. Langsam sagte er: »Was ist in dich gefahren, mein Sohn?«
»Die Versuche werden mit meiner Frau gemacht«, begehrte ich auf. »Von nun an schreibe ich die Regeln vor.« Oberst Gibsy mischte sich ein: »Junger Mann, sind Sie von Sinnen?«
»Welche Ausbildung haben Sie genossen?« fragte ich kurz. Ich warf einen Blick auf seine Hände und fügte hinzu: »Das ist doch ein Ring, der Ihren militärischen Dienstgrad kennzeichnet. Haben Sie irgendwelche anderen Titel? Sind Sie Arzt? Oder Psychologe?«
Er stellte sich stramm hin. »Sie scheinen zu vergessen, daß wir hier innerhalb eines militärischen Befehlsbereichs sind.«
»Und Sie vergessen, daß meine Frau und ich nicht der Armee unterstellt sind. Wer sind diese Leute hier? Wie steht es mit ihm?« Ich wies auf den Oberstleutnant.
»Das ist Dr. Hazelhurst, er war zwei Jahre auf der Venus.«
»Gut, er kann bleiben.« Ich fing den Blick eines weiblichen Unteroffiziers auf und fragte: »Was haben Sie mit der Angelegenheit zu tun, Schwester?«
»Ich? Oh, ich bin eine Art Anstandsdame.«
»Diese Aufgabe übernehme jetzt ich. Nun, Doktor, wie wäre es, wenn Sie die überflüssigen Zuschauer von denen schieden, die Sie tatsächlich benötigen?«
»Gewiß, Herr Nivens.«
Es stellte sich heraus, daß er außer Oberst Hazelhurst niemand brauchte. Wir gingen hinein - Mary, meine Wenigkeit und die zwei Spezialisten.
Der Untersuchungsraum enthielt eine Psychiatercouch, die von Stühlen umgeben war. Die Doppelöffnung einer dreidimensionalen Kamera ragte aus der Decke heraus. Mary ging zur Couch und legte sich nieder. Dr. Steelton holte eine Spritze heraus und sagte: »Wir wollen versuchen, dort wieder einzusetzen, wo wir stehengeblieben sind, Frau Nivens.«
»Einen Augenblick«, sagte ich. »Sie besitzen Aufnahmen von den früheren Versuchen?«
»Natürlich.«
»Wir wollen sie zuerst ablaufen lassen. Ich mochte den Anschluß finden.«
Er zögerte, dann antwortete er: »Wenn Sie es erlauben, Frau Nivens. Ich schlage vor, daß Sie in meinem Büro warten. Oder soll ich Sie später holen lassen?«
Wahrscheinlich kam es von der widerspenstigen Stimmung, in der ich mich befand, aber seit ich gegen den Alten aufgemuckt hatte, war ich richtig in Fahrt. »Zuerst wollen wir sie fragen, ob sie wegzugehen wünscht.«
Steelton machte ein erstauntes Gesicht. »Sie wissen nicht, was Sie da vorschlagen. Diese Aufnahmen würden Ihre Frau aufregen, ihr vielleicht sogar schaden.«
Ich bekam einen Wutanfall. »Sie haben in dieser Angelegenheit keine Vollmachten. Die Berichte wurden sozusagen meiner Frau aus dem Kopf gestohlen, sie sind ihr ureigenster Besitz. Mary wird selbst entscheiden. Sie können ihr die Frage vorlegen.«
Steelton gab nach: »Frau Nivens, wünschen Sie Ihre Aufnahmen anzusehen?«
»Ja, Doktor, sehr gern«, entgegnete Mary.
Er schien erstaunt. »Wünschen Sie die Filme allein zu sehen?«
»Mein Mann soll dabei sein. Sie und Dr. Hazelhurst sind herzlich eingeladen, zu bleiben.«
So geschah es.
Wir begannen mit ihrer frühesten Jugend. Jede Aufnahme fing damit an, daß Mary erstickt stöhnte und sich wehrte, wie Menschen es stets tun, die gezwungen werden, in ihrem Gedächtnis eine Spur zurückzuverfolgen, der sie lieber nicht nachgehen möchten; dann beobachtete man, wie sie die Vergangenheit von neuem erlebte, wie sie mit ihrer eigenen Stimme und mit fremden Stimmen sprach. Am meisten überraschte mich Marys Gesicht, als sie sich in den Behälter zurückversetzt fühlte. Wir ließen die Aufnahme vergrößern, so daß wir das Stereobild zum Greifen nahe vor uns hatten und jeden Gesichtsausdruck verfolgen konnten.
Zuerst verwandelte sich ihr Gesicht in das eines kleinen Mädchens. Oh, ihre Züge waren genau die gleichen, die sie jetzt als Erwachsene trug, aber ich wußte, daß ich meine Liebste vor mir sah, wie sie als kleines Kind ausgesehen haben mußte. Und ich hoffte, daß wir ein Mädelchen bekommen würden.
Dann änderte sich ihr Mienenspiel entsprechend den von ihr dargestellten Personen, die in ihrer Erinnerung auftauchten. Es war, als beobachtete man einen unglaublich begabten Schauspieler, der sich in verschiedene Rollen einlebte.
Mary blieb gefaßt und ruhig, aber sie legte verstohlen die Hand in meine.
Die Bänder, die sich mit dem Dämmerschlaf befaßten, übersprang ich und ließ mir jene zeigen, die aus dem Abschnitt von Marys Wiederbelebung bis zu ihrer Errettung aus den Sümpfen stammten. Eines ging klar hervor: Als sie wieder zum Leben erwachte, stand sie unter der Herrschaft eines Parasiten.
Dann war sie plötzlich nicht mehr befallen, sondern wieder ein kleines Mädchen, das todkrank und verängstigt schien. Die Eindrücke, an die sie sich erinnerte, glichen Fieberfantasien. Doch schließlich ertönte laut und klar eine neue Stimme: »Ach, Pete, das ist zum Aus-der-Haut-Fahren! Sieh, ein kleines Mädchen!«
Eine andere Stimme fragte: »Lebt sie noch?«, und die erste antwortete: »Ich weiß es nicht.«
Die Bandaufnahme führte uns weiter nach Kaiser-ville, wo Mary sich wieder erholte, und man hörte viele neue Stimmen und Erinnerungen; kurz darauf endete der Bericht.
»Ich schlage vor, daß wir aus dem gleichen Zeitraum eine andere Aufnahme betrachten«, meinte Dr. Steelton, während er den Streifen aus dem Vorführgerät zog. »Die Berichte sind alle ein wenig verschieden, und diese Spanne enthält den Schlüssel, auf den es uns ankommt. Wir müssen versuchen, uns ein Bild davon zu machen, was mit den Parasiten geschah, und warum sie zugrunde gingen. Wenn wir feststellen könnten, was den Titanier tötete, der Sie befallen hatte, ehe Sie gefunden wurden - was ihn vernichtete und Sie am Leben ließ, hätten wir vielleicht die Waffe, die wir suchen.«
»Aber wissen Sie das nicht?« fragte Mary verwundert.
»Noch nicht, doch wir werden es herausbekommen.«
»Aber ich dachte, Sie wüßten es. Es war Neuntagefieber.«