Ich schüttelte den Kopf.
»Herr General, wir dürfen niemals dazu Freiwillige verwenden. Denn der Parasit würde alles wissen, was seinem Wirt bekannt ist, und - er würde die unmittelbare Fühlungnahme mit seinesgleichen meiden; statt dessen wird er unfehlbar die anderen mündlich warnen lassen. Nein! Wir müssen Tiere benützen -Affen, Hunde, alle Geschöpfe, die groß genug sind, ein Schneckenwesen zu tragen, die aber nicht sprechen können; und wir müssen sie in so großer Menge einsetzen, daß die ganze Gruppe angesteckt wird, ehe noch ein Parasit ahnt, daß er krank ist.«
Ich umriß schnell, wie sich der Absprung von Fallschirmtruppen am Ende abspielen sollte, und schilderte das Unternehmen der >barmherzigen Samariter^ wie ich es mir vorstellte. »Das >Unternehmen Fieber<, das den Anfang bildet, kann beginnen, sobald wir genügend Gegengift für die Rettung hergestellt haben. In weniger als einer Woche dürfte dann kein Parasit mehr auf diesem Kontinent am Leben sein.«
Sie klatschten nicht Beifall, aber es herrschte ganz die Stimmung danach. Der General eilte fort, um
Luftmarschall Rexton anzurufen, dann schickte er seinen Adjutanten zurück, um mich zu einem Imbiß einzuladen. Ich ließ ihm sagen, daß es mir ein Vergnügen sei, vorausgesetzt, daß meine Frau ebenfalls daran teilnehmen dürfte.
Vater wartete vor dem Konferenzraum auf mich. »Nun, wie habe ich mich angestellt?« fragte ich und bemühte mich, meiner Stimme nicht anmerken zu lassen, wie gespannt ich auf sein Urteil wartete.
Er nickte mit dem Kopf. »Sam, du warst der Held des Tages. Ich glaube, daß ich für dich einen Vertrag auf sechsundzwanzig Wochen beim Fernsehen abschließen werde.«
Ich war bestrebt, ihm meine Freude nicht zu zeigen. Ohne ein einziges Mal zu stottern, hatte ich meine Rede gehalten, und ich fühlte mich wie ein neuer Mensch.
32
Wir verwendeten Affen für die Versuche. Wir bekamen sie nicht nur aus den staatlichen zoologischen Gärten, sondern auch aus einem halben Dutzend Tierparks und Zirkusunternehmen. Am Mittwoch, den zwölften, erhielt der Affe Satan eine Injektion mit Neuntagefieber. Freitag hatte ihn die Krankheit gepackt; ein zweiter Schimpanse mit einem Parasiten wurde zu ihm in den Käfig gesteckt; die Schneckenwesen nahmen sofort Fühlung auf, und der zweite Affe wurde entfernt.
Am Sonntag, dem sechzehnten, schrumpfte Satans Parasit ein und fiel ab. Sogleich spritzte man Satan das Gegengift ein. Montag verendete der zweite Parasit, und sein Wirt wurde ebenfalls behandelt. Mittwoch, den neunzehnten, war Satan wieder gesund, wenn auch ein wenig mager, und der zweite Affe erholte sich zusehends. Um das Ereignis zu feiern, reichte ich Satan eine Banane, er aber biß mir das erste Glied meines Zeigefingers ab, und ich hatte nicht einmal Zeit, den Schaden auszubessern. Aber das war kein unglücklicher Zufall, sondern der Affe war von Natur bösartig.
Nachdem ich mich hatte verbinden lassen, suchte ich Mary, fand sie aber nicht und landete schließlich
in der Offiziersmesse, weil ich unbedingt mit jemandem auf den Erfolg anstoßen wollte.
Das Lokal war leer; alle Leute arbeiteten jetzt in den Laboratorien, sie bereiteten die beiden Unternehmen, die Verbreitung des Fiebers und den Einsatz der Retter vor.
Oberst Kelly schlenderte herein und setzte sich zu mir. »Wie wäre es mit einem Gläschen?« schlug ich ihm vor. »Mir ist nach feiern zumute.«
Ich bestellte für ihn und erzählte ihm dann von dem Erfolg des Affenversuchs ...
33
Wir waren wieder im gleichen Raum des Weißen Hauses versammelt; ich erinnerte mich an die Nacht nach der Botschaft des Präsidenten vor vielen Wochen. Vater und Mary, Rexton und Martinez waren hier, ebenso die Leiter unseres Laboratoriums, Dr. Hazelhurst und Oberst Gibsy.
Unsere Augen hingen an der riesigen Landkarte, die immer noch die Wand bedeckte; viereinhalb Tage waren verflossen, seit wir die Träger des Fiebers mit Fallschirmen abgesetzt hatten, aber im Mississippital erglühten noch immer die rubinroten Lämpchen.
Mir war richtig bange, obwohl das Unternehmen sichtlich von Erfolg begleitet war und wir nur drei Flugzeuge verloren hatten. Selbst wenn man dreiundzwanzig Prozent Zufälle einrechnete, hätte nach den aufgestellten Gleichungen jeder Parasit, der einen Genossen in der Nähe hatte, um mit ihm Fühlung aufzunehmen, schon vor drei Tagen angesteckt sein müssen. In den ersten zwölf Stunden sollte das Unternehmen schätzungsweise achtzig Prozent, hauptsächlich in Städten, verseuchen.
Plötzlich blinkte ein grünes Licht auf; alle setzten sich gespannt zurecht. Aus dem Stereoapparat ertönte eine Stimme, obwohl kein Bild zustande kam.
»Hier spricht Station Dirie, Little Rock«, sagte jemand todmatt in südlicher Mundart. »Wir brauchen dringendst Hilfe. Jeder, der mithört, gebe bitte diese Botschaft weiter: Little Rock in Arkansas ist von einer schrecklichen Seuche befallen. Verständigen Sie das Rote Kreuz. Wir sind in den Händen von ...« Die Worte erstarben, entweder vor Schwäche, oder weil der Sender versagte.
Ich hatte zu atmen vergessen. Nun holte ich tief Luft. Mary tätschelte meine Hand, ich setzte mich zurück und genoß es bewußt, daß die Spannung gewichen war. Ein unaussprechliches Glücksgefühl überwältigte mich. Ich bemerkte nun, daß vorhin das grüne Licht nicht in Little Rock, sondern weiter westlich in Oklahoma aufgeflammt war. Zwei weitere Lämpchen schimmerten grün, eines in Nebraska und eines nördlich der kanadischen Grenze.
Am Spätnachmittag des nächsten Tages schimmerte die Karte mehr grün als rot. Rexton hatte angeordnet, daß in der Kommandostelle im Pentagon zwei Meldegeräte aufgestellt wurden. Das eine zeigte an, bis zu wieviel Prozent die mühsame Rechnung aufgegangen und die Zahl erreicht war, die man für nötig hielt, ehe man den Absprung wagte. Das andere Gerät zeigte die geplante Zeit für den Masseneinsatz der Fallschirmtruppen. In den verflossenen zwei Stunden war sie mit 17 Uhr 43 Minuten Ostküstenzeit angegeben.
Rexton erhob sich. »Um siebzehn Uhr fünfundvierzig werde ich das Startzeichen geben«, verkündete er. »Herr Präsident, wollen Sie mich bitte beurlauben.«
»Aber natürlich!«
Rexton wandte sich an Vater und mich. »Wenn ihr beiden Don Quichottes noch immer entschlossen seid, mitzumachen, ist es jetzt an der Zeit.«
Ich stand auf. »Mary, du wartest auf mich.«
»Wo?« fragte sie.
Der Präsident mischte sich ein. »Ich schlage vor, daß Frau Nivens hierbleibt. Sie gehört schließlich zur Familie.«
»Danke, Herr Präsident«, sagte ich. Oberst Gibsy sah reichlich verblüfft drein.
Zwei Stunden später schwebten wir über unserem Ziel, und die Falltüren klappten auf. Vater und ich kamen als letzte an die Reihe, nach den jungen Soldaten, denen die Hauptarbeit zufiel. Meine Hände waren schweißnaß, und wieder regte sich das alte üble Lampenfieber. Ich hatte verteufelte Angst, denn das Fallschirmspringen war mir immer ein Grauen gewesen.
34
Mit der Pistole in der Linken und der Injektionsspritze voll Gegengift in der Rechten ging ich in dem Block, der mir zugeteilt war, von Tür zu Tür. Es war ein älteres Viertel der Stadt Jefferson, beinahe Elendsquartiere, die vor fünfzig Jahren erbaut worden waren. Zwei Dutzend Spritzen hatte ich schon verabreicht, und weitere zwei Dutzend standen mir noch bevor, ehe es Zeit wurde, zum verabredeten Treffpunkt am Rathaus zu kommen. Mir wurde die Arbeit allmählich zur Qual.
Es war keine schwere Arbeit, nur eintönig und ekelerregend. Bis jetzt hatte ich nicht einen einzigen lebenden Parasiten entdeckt, aber unzählige tote.