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»Nein, danke, ich gehe«, erwiderte ich. »Ich muß wirklich arbeiten.«

»Bleib«, bat sie eindringlich. »Lies diesen Anschlag hier. Wenn du Filmspulen aus dem Raum entfernst, für den sie bestimmt sind, wirst du nicht nur schuld daran sein, daß beim Sortierapparat ein Dutzend Röhren durchbrennen, sondern auch daran, daß der Mann, der im Archiv die Kartei in Ordnung hält, einen Nervenzusammenbruch erleidet.«

»Wenn ich fertig bin, bringe ich sie zurück.«

Sie packte mich beim Arm, und mich überlief es prickelnd heiß.

»Bitte, Sam. Es tut mir leid ...«

Ich setzte mich und grinste. »Nichts bringt mich mehr von hier fort. Ich gedenke, dich nicht aus den Augen zu lassen, ehe ich nicht deine geheime Funknummer, deine Adresse und deine echte Haarfarbe weiß.«

»Liebling«, sagte sie weich: »Keines von den dreien wirst du jemals erfahren.« Und schon wandte sie sich ab und versuchte mit viel Umstand, den Kopf wieder in den Vorführapparat einzupassen. Ich war anscheinend Luft für sie. In dem Zuleitungsrohr, das die bestellten Filmbänder anlieferte, raschelte es, und meine

Spulen quollen in den Korb. Ich stapelte sie neben dem zweiten Bildgerät auf. Ein Streifen rollte zu Marys Vorrat hinüber und warf ihren auf geschichteten Turm über den Haufen. Ich hob einen Film auf, den ich für mein Eigentum hielt, und blickte das Ende an, das verkehrte, denn es enthielt nur die Seriennummer und das Punktmuster, das der Selektor auswertete. Ich drehte die Spule um, las das Schild und stellte sie zu mir.

»He!« brummte Mary. »Die gehört mir.«

»Spiel dich nicht so auf«, entgegnete ich höflich.

»Es ist aber so, und gerade diesen Film möchte ich mir jetzt angucken.«

Ich hob andere Streifen auf, die ihr gehörten, und las die Aufschriften. »Also deshalb war nichts mehr zu haben«, meinte ich. »Aber gründlich hast du nicht gesucht.« Ich zeigte ihr meine eigene Auswahl.

Mary sah die Filme durch, dann schob sie alles zu einem einzigen Stoß zusammen. »Wollen wir teilen oder beide alles ansehen?«

»Machen wir halb und halb, um den Ramsch auszuscheiden, und was übrigbleibt, wollen wir uns beide vornehmen«, entschied ich. »Und nun ran an die Arbeit!«

Ich hatte zwar den Parasiten auf dem Rücken des armen Barnes persönlich gesehen, und der Alte hatte mir versichert, daß tatsächlich eine fliegende Untertasse gelandet war, aber trotzdem war ich nicht auf die Fülle von Beweisen gefaßt, die ich hier in einer öffentlichen Bibliothek vergraben fand. Die Pest über Digby und seine Auswertungsformel! Das Material zeigte eindeutig, daß die Erde nicht nur einmal, sondern öfter von Schiffen aus dem Weltraum besucht worden war.

Die Berichte gingen bis auf die Zeit zurück, in der wir selbst noch keine Raumschiffahrt besaßen; manche reichten bis ins siebzehnte Jahrhundert, aber man konnte unmöglich Angaben beurteilen, die aus einer Welt stammten, in der > Natur wissenschaften< gleichbedeutend mit den Ansichten des Aristoteles waren. Die ersten zuverlässigen Daten stammten aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Der nächste Masseneinflug folgte in den achtziger Jahren. Eine merkwürdige Tatsache fiel mir dabei auf, und ich notierte sie mir. In Abständen von ungefähr dreißig Jahren schienen >merkwürdige Gebilde am Himmel< regelmäßig wiederzukehren. Ein Statistiker konnte dieses Zusammentreffen vielleicht auswerten.

Fliegende Untertassen hingen mit > geheimnisvollem Verschwinden von Personen< zusammen, nicht nur weil sie in die gleiche Gruppe wie Seeschlangen, Blutregen und ähnliche fantastische Erscheinungen gerechnet wurden; in gut belegten Fällen hatten Piloten Untertassen gejagt und waren nicht mehr zurückgekehrt. Das heißt: amtlich meldete man sie als >in unwegsamem Gelände abgestürzt und nicht geborgen^ aber ich hielt diese Erklärung für eine faule Ausrede.

Außerdem regte sich in mir noch eine andere kühne Vermutung: ich versuchte zu überblicken, ob auch bei dem geheimnisvollen Verschwinden von Personen ein Zyklus von dreißig Jahren bestand; deckte er sich mit der regelmäßigen Wiederkehr merkwürdiger Himmelserscheinungen? Mit Sicherheit ließ sich das nicht feststellen, die Daten waren zu zahlreich und zeigten keine gleichmäßige Streuung. Zu viele Menschen verschwinden alljährlich auch aus anderen Gründen. Aber für große Zeiträume besaßen wir die nötigen Unterlagen, und nicht alle waren bei den Bombenangriffen verlorengegangen. Ich merkte sie mir vor, um sie später mathematisch auswerten zu lassen.

Die ganze Nacht hindurch wechselten Mary und ich keine drei Worte. Schließlich standen wir auf und streckten die müden Glieder. Dann lieh ich Mary Kleingeld, damit sie die Maschine bezahlen konnte, mit der sie sich Auszüge zum Mitnehmen gemacht hatte. Dann löste ich auch meine Bandaufnahmen aus. »Nun, welches Urteil hast du dir darüber gebildet?« fragte ich.

»Ich komme mir wie ein Spatz vor, der sein hübsches Nest in einer Dachtraufe gebaut hat.«

Worauf ich das alte Sprüchlein zitierte: »Und wir werden es genauso machen: nichts daraus lernen und wieder in der Traufe bauen.«

»Nein, Sam, wir müssen etwas unternehmen! Der Ablauf der Ereignisse zeichnet sich deutlich ab; diesmal kommen sie, um endgültig hierzubleiben.«

»Möglich. Aber gehen wir.«

Es dämmerte schon, und die Bibliothek war fast leer. »Weißt du was?« sagte ich, »holen wir uns ein Fäßchen Bier, das nehmen wir in mein Hotelzimmer mit, zapfen es an und besprechen die Lage.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich komme nicht auf dein Zimmer mit.«

»Verdammt noch mal, wir sind doch im Dienst.«

»Fahren wir in meine kleine Wohnung. Sie ist nur ein paar hundert Kilometer entfernt; dort werde ich uns Frühstück machen.«

Ich erinnerte mich an meinen Vorsatz, zur gegebenen Zeit stets unverschämt zu grinsen. »Das ist das beste Angebot, das ich heute nacht erhalten habe.«

Ich winkte ein Taxi herbei, und wir fuhren zu ihrer Wohnung.

Als wir eintraten, durchsuchte sie zuerst sorgfältig alle Räume; dann kam sie zurück und sagte: »Dreh dich um, ich möchte deinen Rücken abtasten.«

»Warum, ich ...«

»Dreh dich um!«

Ich verstummte. Sie klopfte mich kräftig ab, dann meinte sie: »So, jetzt komme ich dran.«

»Mit Vergnügen!« Trotzdem leistete ich gründliche Arbeit, denn ich begriff, worauf sie hinauswollte. Unter den Kleidern steckten nur ein Mädchen und eine Sammlung lebensgefährlicher Schießeisen.

Sie wandte sich um und seufzte. »Deshalb wollte ich nicht in dein Hotel gehen. Seit ich jenes unheimliche Wesen auf dem Rücken des Direktors der Fernsehstation erblickte, fühle ich mich jetzt das erste Mal wirklich sicher. Diese Wohnung hält dicht; jedesmal, wenn ich sie verlasse, schließe ich sogar den Lüftungsschacht, und die Räume bleiben fest versiegelt wie ein Tresor.«

»Sag, wie steht es mit den Zufuhrkanälen für die Klimaanlage?«

»Ich habe jetzt die Anlage nicht eingeschaltet, sondern eine Sauerstoffflasche geöffnet, die ich für Luftalarm bereithalte. Du kannst also unbesorgt sein; was möchtest du gern essen?«

»Vielleicht ein Steak - halb durchgebraten?«

Mary hatte es vorrätig. Während wir mit vollen Backen kauten, sahen wir uns die letzte Tagesschau an. Immer noch nichts Neues aus Iowa.

5

Die >Bärenfallen< bekam ich nicht zu Gesicht; Mary sperrte ihr Schlafzimmer ab. Drei Stunden später weckte sie mich, und wir frühstückten zum zweitenmal. Dann zündeten wir Zigaretten an.

»Nun?« fragte ich.

»Wir müssen die Tatsachen ordnen und sie dem Präsidenten vor die Nase halten.«

»Aber wie?«

Darauf wußte sie keine Antwort.

»Es gibt nur einen Weg - über den Alten«, sagte ich.