Im nächsten Augenblick stellte ich die Funkverbindung her und verwendete beide Geheimnummern, so daß Mary mithören konnte. Sogleich meldete sich jemand. »Hier Oldfield, Stellvertreter des Chefs. Schießen Sie los.«
»Ich muß den Alten persönlich sprechen.«
Nach einer Pause kam die Frage: »Amtlich oder privat.«
»Hm, vermutlich würden Sie es privat nennen.«
»Privat verbinde ich nicht, und amtliche Fragen erledige ich.«
Ehe ich fluchte, schaltete ich ab. Dann versuchte ich es auf einem anderen Weg. Der Alte war nämlich
noch über ein besonders verschlüsseltes Kennwort zu erreichen.
Er antwortete mit einer Flut von Schimpfworten.
»Chef«, sagte ich, »es handelt sich um Iowa ...«
Sogleich verstummte er. »Ja?«
»Mary und ich haben die ganze Nacht damit zugebracht, Daten aus den Akten auszugraben. Wir möchten gern darüber mit dir sprechen.«
Erneut fing der Alte zu poltern an. Gleich darauf befahl er mir, meine Notizen zur Analyse weiterzuleiten, und drohte mir an, sich meine Ohren für ein Sandwich braten zu lassen.
»Chef!« sagte ich scharf.
»He?«
»Wenn du davonläufst, können wir es auch. Hiermit legen Mary und ich die Arbeit nieder. Das ist amtlich!«
Mary zog die Augenbrauen hoch, aber sie schwieg. Eine lange Stille folgte, dann murmelte er mit müder Stimme. »Hotel Palmglade, Nord-Miami-Strand.«
»Wir erscheinen sofort!« Ich rief ein Taxi herbei, und wir starteten vom Dach aus.
Der Alte lag im Sand, ließ die Körnchen durch die Finger rieseln und machte ein mürrisches Gesicht, während wir berichteten. Wir hatten ein Tonband mit, und so konnte er sich die Ereignisse selbst anhören.
Als wir zu dem Punkt gelangten, an dem von den Zyklen vor dreißig Jahren die Rede war, blickte er hoch, ließ aber die Frage auf sich beruhen. Erst nachdem ich später noch die Möglichkeit ähnlicher Perioden beim Verschwinden von Menschen erwähnt hatte, rief er die Abteilung an. »Bitte Analyse. Hallo -Peter? Hier spricht der Chef. Ich möchte von achtzehnhundert an eine Kurve über ungeklärtes Verschwinden von Personen. Wie? Bekannte Umstände scheide aus und vermeide unnötigen Ballast. Ich wünsche eindeutige Minima und Maxima. Wann? In zwei Stunden. Worauf wartest du noch?«
Er richtete sich mühsam auf, ließ sich von mir den Stock reichen und murrte: »Nun geht’s wieder in die Tretmühle zurück.«
»Ins Weiße Haus?« fragte Mary eifrig.
»Wie? Sei kein Kindskopf. Ihr zwei habt nichts entdeckt, was die Ansicht des Präsidenten ändern könnte.«
»Ach so. Was nun?«
»Ich weiß es nicht. Solange euch nichts Gescheites einfällt, verhaltet euch ruhig.«
Der Alte hatte einen Wagen und brachte uns zurück. Nachdem ich das Fahrzeug auf automatische Blocksteuerung umgeschaltet hatte, sagte ich: »Chef, ich weiß einen Dreh, wie man den Präsidenten vielleicht überzeugen könnte.«
Er knurrte nur. Ich fuhr fort: »Ungefähr so: setze zwei Agenten ein, mich und einen anderen. Mein Begleiter trägt einen Fernsehsender mit sich und läßt das Gerät dauernd auf mich eingestellt. Du veranlaßt dann den Präsidenten, sich die Übertragung anzusehen.«
»Und wenn sich nichts ereignet?«
»Dafür laß mich nur sorgen. Zuerst will ich an die Stelle, an der das Raumschiff gelandet ist, und wenn ich mir den Weg dorthin mit Gewalt bahnen muß. Wir werden Großaufnahmen des Schiffs bekommen und sie in das Weiße Haus weiterleiten. Dann fahre ich in das Büro von Barnes und untersuche die runden Schultern. Vor der Kamera werde ich ihnen die Hemden herunterreißen. Irgendwelche zarte Rücksichten kann ich dabei nicht nehmen, ich muß mit allen Mitteln die Wahrheit ans Licht bringen.«
»Du bist dir klar, daß du die gleichen Aussichten auf Erfolg hast wie eine Maus in einer Katzenversammlung?«
»Davon bin ich nicht so überzeugt. Nach meiner Ansicht besitzen diese Geschöpfe keine übermenschlichen Fähigkeiten. Ich möchte wetten, daß sie nicht mehr leisten können als der Mensch, den sie befallen haben. Ich habe nicht vor, ein Märtyrer zu werden. Auf jeden Fall werde ich dir Aufnahmen von den Parasiten verschaffen.«
»Hmm -«
»Vielleicht gelingt es«, warf Mary ein. »Ich werde der zweite Agent sein. Dann kann ich ...«
Gleichzeitig sagten der Alte und ich »Nein!« Und dann wurde ich rot; ich hatte kein Recht, ihr etwas zu verbieten. Mary fuhr fort: »Noch eines: vernünftigerweise müßte ich mit von der Partie sein, weil ich die Gabe habe, einen Mann mit einem Schmarotzer zu erkennen.«
»Nein«, wiederholte der Alte. »Wo er hingeht, sind alle Menschen davon befallen. Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, dürfen wir das getrost annehmen. Abgesehen davon, habe ich dich für etwas anderes aufgespart.«
Mary hätte den Mund halten sollen, aber sie tat es nicht. »Wofür denn? Sams Vorhaben ist wichtig genug.«
Ruhig erklärte der Alte: »Das ist der andere Auftrag auch. Ich habe den Plan, dich dem Präsidenten als Leibwache beizugeben.«
»Oh.« Sie dachte nach und entgegnete. »Ach, Chef, ich bin nicht sicher, ob ich auch bei einer Frau festzustellen vermag, ob sie befallen ist. Das kann ich nicht.«
»So werden wir die Sekretärinnen aus seiner Nähe entfernen. Und, Mary, du darfst auch ihn selbst nicht aus den Augen lassen.«
Sie überlegte. »Und wenn ich nun entdeckte, daß sich trotz allem ein solches Geschöpf an ihn herangemacht hat?«
»Dann mußt du das Notwendige veranlassen. Der Vizepräsident übernimmt die Regierung, und du wirst wegen Hochverrats erschossen. Nun zum anderen Auftrag. Jarvis soll das Aufnahmegerät bedienen und Davidson das Kriegsbeil schwingen. Während Jarvis dich mit der Kamera deckt, kann Davidson Jarvis überwachen und du ihn.«
»Du glaubst also, daß es gelingen wird?«
»Nein. Aber irgendein Plan ist besser als keiner. Vielleicht kommt ein wenig Schwung in die Angelegenheit.«
Während wir - Jarvis, Davidson und ich - uns nach Iowa aufmachten, fuhr der Alte nach Washington. Als wir aufbrachen, fing Mary mich in einem Winkel ab, packte mich bei den Ohren, küßte mich herzhaft und mahnte: »Sam - komm wieder.«
Mich überlief ein Prickeln, und ich kam mir vor wie ein Fünfzehnjähriger.
Jenseits der Stelle, wo ich seinerzeit durch die zerstörte Brücke aufgehalten worden war, landete Davidson mit dem Flugwagen auf der Straße. Ich wies den Weg und verwendete dazu eine Karte, auf der ich den Landeplatz des echten Raumschiffs abgesteckt hatte. Die Brücke gab einen genauen Anhaltspunkt. Etwa dreihundert Meter östlich davon bogen wir ab und fuhren mit unserem geländegängigen Allzweckfahrzeug durch das Unterholz bis zu der gesuchten Örtlichkeit.
Besser gesagt, beinahe bis dorthin. Wir stießen auf ein Gebiet, das niedergebrannt war, und beschlossen, zu Fuß zu gehen. Das Geviert, das die Fotografie von der Raumstation aus zeigte, lag innerhalb des Bezirks, den ein Waldbrand verheert hatte, und keine fliegende Untertasse war zu sehen. Es hätte eines weit geschickteren Detektivs bedurft, als ich einer war, um zu beweisen, daß hier überhaupt jemals ein Raumschiff gelandet war. Das Feuer hatte alle Spuren vernichtet.
Trotzdem tastete Jarvis mit seinem Aufnahmegerät alles ab. Mir war jedoch klar, daß die Ungeheuer erneut eine Runde gewonnen hatten. Als wir uns wieder in freiem Gelände befanden, begegnete uns ein alter Farmer; laut Vorschrift hielten wir uns in entsprechender Entfernung und waren auf der Hut.
»Ein ganz schönes Feuer«, bemerkte ich und machte einen Bogen um ihn.
»Das war es wirklich«, meinte er kummervoll. »Hat mich zwei meiner besten Milchkühe gekostet, arme dumme Tiere. Seid ihr Reporter?«
»Ja, aber unsere Jagd war bisher ergebnislos.« Ich wünschte, Mary wäre jetzt bei uns. Wahrscheinlich hatte dieser Mann von Natur aus runde Schultern. Nahm man jedoch an, daß der Alte mit dem Raumschiff recht hatte - und er konnte sich nicht geirrt haben -, dann mußte dieser allzu unschuldsvolle Bauerntölpel etwas davon wissen und verschwieg es nur. Also war er befallen.