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»Das ist genau seine Art. Ist dir aufgefallen, wie sehr er auf Julian herabsieht? Als wäre er einer seiner Schreiber, könnte man meinen.« Nach kurzem Nachdenken fügte ich hinzu: »Ich frage mich, ob Julian weiß, wie der Präfekt über ihn denkt.«

Am Morgen waren wir zu dem alten Bauern gegangen, um ihm mitzuteilen, dass wir bei ihm ausziehen würden. Er war betrübt, weil er nicht wusste, wie er ohne uns zurechtkommen sollte; aber sonderlich überrascht war er nicht. Ihm war klar gewesen, dass wir nicht lange bleiben würden, und er nahm es mit Anstand. Er dankte Marcellus für die vielen Verbesserungen, die er angeregt hatte. Marcellus seinerseits erinnerte den Bauern noch einmal an die Dinge, um die er sich kümmern musste – die Weinstöcke am fernen Hang, den Graben am südlichen Gerstenfeld und den alten Getreideschober hinter dem Haus, der feucht geworden war und belüftet werden musste, sobald schöneres Wetter Einzug hielt.

Ich musterte das traurige, verhärmte Gesicht des Bauern, während er zuhörte und nickend die Brauen zusammenzog. Der Mann tat mir leid; er war ehrlich und anständig, und das Schicksal hatte ihm eine schwere Last aufgebürdet. Allerdings bedauerte ich nicht, den Hof zu verlassen, allein schon wegen Clodia. Als wir voneinander Abschied nahmen, saß sie auf der Türstufe, streichelte beiläufig eine der Katzen und machte ein Gesicht wie eine Gewitterwolke.

Zuletzt ging Marcellus zu ihr, um ihr Lebewohl zu sagen. Ich wartete auf der Straße vor dem Tor und plauderte noch mit dem Bauern. Was immer sie sich zu sagen hatten, dauerte nicht lange. Ich hörte eine Tür knallen, und als Marcellus kam, blickte er reichlich hilflos drein. Ich sagte kein Wort dazu, auch später nicht. Schließlich hatte Clodia in ihm nur gesehen, was auch ich in ihm sah.

Außerdem ist es einfach, großzügig zu sein, wenn man der Sieger ist.

Oribasius stammte aus Pergamon. Er hatte den Beruf des Arztes erlernt und war zurzeit mit der gewaltigen Aufgabe befasst, eine Enzyklopädie der Medizin zu schreiben, wie er uns erzählte. Er kannte Julian schon aus der Zeit, als dieser an der Universität in Athen studierte. Wo Julian ein geborener Redner war, war Oribasius ein geborener Zuhörer. Er war das Publikum für den Protagonisten Julian, und zwischen den beiden Männern bestand eine echte, vertrauensvolle Freundschaft, wie mir schien.

Florentius jedoch, der andere nach seinem eigenen Maß beurteilte, vermutete bei Oribasius von Anfang an eigennützige Motive. Wenn Oribasius sich an Julian heftete, dann nur, weil er etwas zu gewinnen hoffte. Bei Begegnungen in den Kolonnaden und Gängen der Zitadelle brüskierte Florentius ihn, und in Gegenwart anderer – egal, um wen es sich handelte – machte er bissige, sarkastische Bemerkungen. Höhnisch unterstellte er, dass es doch förderlich sein müsse, einen Freund von solch hohem Rang zu haben, und die kaiserlichen Residenzen im Reich seien gewiss eine willkommene Annehmlichkeit. Mit spöttisch hochgezogenen Brauen überlegte er laut, wie viel Geld ein Arzt wohl benötigte, der sich dem Studium und den Fragen des Geistes widmete.

Oribasius ließ diese Bemerkungen mit einem erheiterten Blick seiner dunklen, klugen Augen an sich abgleiten. Julian aber nahm sie zur Kenntnis und wusste, dass sie eigentlich gegen ihn gerichtet waren.

Doch Oribasius war nicht der einzige Grund dafür, dass es Reibungen mit dem Präfekten gab, wie ich bald feststellte. Wo Julian zu gutmütiger Ungezwungenheit neigte, war Florentius steif und sehr auf Rang und Ansehen bedacht, und solche gegensätzlichen Haltungen vertragen sich selten. Unter anderen Umständen hätten sie sich wohl voneinander ferngehalten, doch Florentius, betraut mit der zivilen Verwaltung der Provinz und der Versorgung des Heeres, konnte nicht ignoriert werden. Julian war auf den Präfekten angewiesen, und das wusste Florentius.

Überdies war Julian impulsiv. Wenn er etwas tun wollte, tat er es und ignorierte das komplizierte Fadenspiel der Anträge und Bewilligungen, die aus den Pflichten eines Tages die Arbeit eines Monats machten. Er hatte die Barbaren durch rasches Handeln zurückgeschlagen. Sollten die behäbigen Bürokraten doch sehen, wie sie mit dem Schriftkram hinterherkamen. Dies alles wertete Florentius als Angriff auf seine Person. Er glaubte, Julian wollte seine Autorität untergraben und ihn zum Narren machen. Julian hingegen fand es absurd, dass Florentius wie besessen an Verwaltungsverfahren festhielt, während die Umstände rasches, entschlossenes Handeln erforderten. Keiner hatte Verständnis für den anderen.

In diesem Winter bot Julian uns an, seinem Offizierskorps beizutreten. Ich entschied mich für die Infanterie, die ich durch meine Zeit in London kannte, während Marcellus die Reiterei wählte.

Severus, der Heermeister der Reiterei, war soeben vom Rhein zurückgekehrt, wo er die Verteidigungsanlagen besichtigt und das zerstörte Köln besucht hatte. Unterwegs war er auf fränkische Plänkler gestoßen, die das Ackerland südlich der Maas verwüsteten. Beim Anblick der römischen Soldaten waren sie nach Norden geflohen, aber sowie Julian davon erfuhr, rief er uns zu einem Kriegsrat zusammen. Man dürfe nicht dulden, dass die Barbaren Raubzüge unternehmen oder ihre Stellungen ausbauen. Julian wollte wissen, wie schnell das Heer marschbereit sein könne.

In dem nun einsetzenden Schweigen gab Florentius, der abseits stand, ein vernehmliches Räuspern von sich.

»Ja, Präfekt?« Julian drehte sich zu ihm um.

Jeder wisse doch, dass die Barbaren gewohnheitsgemäß angriffen, wenn das Heer im Winterquartier liege, antwortete Florentius im Tonfall eines Lehrers, der einen begriffsstutzigen Schüler verbessert. »Bis Mai werden sie sich über den Fluss auf ihr eigenes Gebiet zurückgezogen haben.«

»Und nächstes Jahr kehren sie zurück«, entgegnete Julian. »Ganz gewohnheitsgemäß.«

»Es ist tiefer Winter, Cäsar. Da kann man nicht kämpfen. Jeder weiß das.«

»Nur ist es offenbar niemandem eingefallen, das auch den Barbaren beizubringen«, erwiderte Julian. »Wenn sie im Winter kämpfen können, dann können wir es auch.« Er wandte sich der Karte zu, die auf dem Tisch ausgebreitet lag. »Victor, Arintheus, diese Route ist die beste, sofern sie passierbar ist. Schickt Späher aus, damit sie das auskundschaften. Valentinian, du kümmerst dich um die Zusammenziehung der Truppen. Du ebenfalls, Drusus.«

Alle scharten sich um ihn – außer Florentius. Er war rot geworden und hüllte sich in dumpfes Schweigen. Während alle redeten und planten, stand er mit vorgerecktem Kinn da und schaute aus dem Fenster, als gäbe es in dem stillen Hof etwas zu sehen.

Wenige Tage später, kurz vor dem Abmarsch, kam Marcellus zu später Stunde in unsere Zimmer zurück. Er war draußen gewesen und hatte die neuen Rekruten der Reiterei gedrillt, nachdem Severus seine Geschicklichkeit mit Pferden erkannt und ihn zu dieser Aufgabe abgestellt hatte. Die Rekruten waren junge Römer, die zumeist aus Gallien stammten, voller Eifer und vom Geschmack am Erfolg angespornt, aber noch völlig unbeleckt. Auf den väterlichen Höfen hatten sie einigermaßen reiten gelernt, wussten aber nichts über den Kampf im Sattel oder das Reiten in Formation.

Marcellus zog seinen schweren Wintermantel aus und warf ihn auf den Stuhl, setzte sich sodann aufs Bett und schnürte sich die Stiefel auf. Seine Wangen waren rot von der Kälte und einem Tag harter Arbeit.

»Du riechst nach Pferd«, sagte ich.

»Würdest du auch, wenn du dabei gewesen wärst. Aber hast du schon gehört? Florentius hat angekündigt, dass er mit uns marschiert.«

»Wozu denn das? Was kann er uns nützen?«

»Überhaupt nichts. Du hättest Severus fluchen hören sollen, als er davon erfuhr. Da wäre selbst ein Zenturio rot geworden.«

Ich schmunzelte bei der Vorstellung. Severus war ein stämmiger Afrikaner aus Karthago mit wettergegerbtem Gesicht und grauen Stoppelhaaren. Er hatte die derbe Angewohnheit, zu sagen, was er dachte – was ihm Julians Wertschätzung einbrachte und Florentius hochfahren ließ. Severus nahm keine Rücksicht auf das affektierte Gehabe des Präfekten, und es war kein Geheimnis, dass einer den anderen unausstehlich fand.