Выбрать главу

Ich drehte mich entmutigt um, denn ich wusste, wer da rief. Begleitet von mehreren Schreibern und zwanzig bewaffneten Gardisten schritt der Notar Paulus mit seinem geschmeidigen Gang auf uns zu. Seine dünnen Lippen waren weiß vor aufgestauter Wut.

Wir wurden gepackt und zu einem freien steinigen Platz hinter den Pavillons gebracht. Die Gardisten hielten uns an den Armen fest. Als Paulus sah, dass wir hilflos waren, trat er vor. Langsam schritt er unsere Reihe ab und musterte unsere Gesichter wie ein Offizier vor dem Drill.

Vor Marcellus blieb er stehen. »Aha, hier haben wir also Aquinus’ Enkel. Mir scheint, ich habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.«

Marcellus erwiderte nichts, starrte Paulus nur verächtlich an.

»Und nun werde ich euch vernichten«, fuhr Paulus fort. »Ich bedaure, dass es schnell gehen muss, aber ich kann keine weiteren Störungen gebrauchen.« Und an den Offizier gewandt: »Deinen Dolch, wenn ich bitten darf.«

Der Offizier griff an seinen Gürtel und reichte Paulus die Waffe. Sie war üppig verziert, mit ziselierter Klinge und Edelsteinen am Heft. Der Notar drehte den Dolch in der Hand. Das Heft mochte protzig sein, die Klinge aber war scharf und tödlich.

Decimus wollte sich losreißen. »Haltet sie fest!«, schnauzte der Notar.

Wieder blickte er Marcellus an, überlegte es sich dann aber anders und ging einen Schritt weiter, sodass er vor Decimus stand.

»Du zuerst«, sagte er scheinbar sanft.

Decimus holte Luft und straffte die Schultern. Er war ein guter junger Soldat. Er wusste, was kam, und war entschlossen, es tapfer zu ertragen.

Selbst jetzt noch überlegte der Notar, sei es aus Gewohnheit oder aus schierem Vergnügen, wie er den größtmöglichen Schrecken erzielen konnte. Es war scheußlich mit anzusehen. Langsam hob er den Dolch und setzte ihn an die weiche Haut unter Decimus’ Kinn. Ich hörte Decimus schlucken. Dann folgte eine schnelle Bewegung, jedoch nicht von der Hand des Notars. Es war Marcellus, der mit dem linken Arm zuschlug – er musste sich losgerissen haben – und den Notar am Handgelenk traf, sodass er den Dolch fallen ließ.

»Ich habe befohlen, sie festzuhalten!«, brüllte Paulus. Marcellus zuckte zusammen, als ihm der Arm auf den Rücken gedreht wurde. Paulus rieb sich sein schmales Gelenk. Der Schlag hatte offenbar wehgetan, sehr zu meiner Freude.

»Der vergebliche Mut eines Kameraden«, höhnte Paulus, sowie er sich gefasst hatte. »Bis zum letzten Augenblick ein Ehrenmann, genau wie dein lächerlicher Großvater, voll nutzloser Gesten längst untergegangener Tugenden. Damit hast du dein Todesurteil gefällt.«

»Das stand ohnehin fest.«

»Aber nicht die Todesart, oh nein, nicht die Todesart. Nun wird dein Freund – dein Geliebter – zuschauen, wie du stirbst. Ich bin gespannt, ob du schreien wirst. Ob du bettelst und flehst. Nun, wir werden sehen.«

Er bückte sich nach dem Dolch. Dabei sah ich hinter ihm, ungefähr zwanzig Schritte entfernt an der Reihe der Pavillons, einen Mann herankommen, einen dicken Eunuchen mittleren Alters, der mehrere Lagen Stoff in Blau, Weiß und Gold am Körper und eine Filzkappe auf dem großen Kopf trug, dazu ein Juwelenhalsband. Er räusperte sich bedeutsam, sodass der Notar aufblickte. Als er sah, wer da kam, richtete er sich abrupt zu voller Größe auf und ließ den Dolch liegen.

»Was willst du?«, fragte er.

»Ich werde diese Männer mitnehmen«, sagte der Eunuch mit kalter, unechter Höflichkeit.

»Aber sie sind meine Gefangenen!«

»Maßt du dir an, mich in Frage zu stellen, Notar?«

Paulus blickte ihn an. Sein Gesicht war starr geworden, seine Lippen weiß. Er setzte zu einer Erwiderung an, schien sich dann aber zu besinnen. Der geschmacklos herausgeputzte Eunuch strahlte Macht und höchste Autorität aus. Paulus rang sichtlich um Beherrschung; dann antwortete er freundlich, aber mit einer Miene, als hätte er Zahnschmerzen: »Nein, edler Eusebius, nimm sie mit. Ganz wie du befiehlst.«

Ich betrachtete den Eunuchen und musste an Julians Worte denken. Das also war der Kerl, der den Kaiser gedrängt hatte, Julian hinzurichten, anstatt ihn nach Gallien zu schicken. Und er hätte seinen Willen bekommen, hätte die Kaiserin sich nicht für Julian verwendet. Mir fiel auch der Witz ein, den Eutherius in Paris erzählt hatte, wonach Constantius einen gewissen Einfluss auf seinen Oberkämmerer besäße. Und nun sah ich, dass selbst der Notar, der anderen Todesangst einjagte, in Gegenwart dieses Mannes unsicher, ja unterwürfig wurde.

»Ja, ganz wie ich befehle«, sagte der Oberkämmerer mit eisigem Lächeln. »So ist es.«

Der Notar sagte nichts mehr. Er beobachtete zornig, wie wir auf ein bloßes Fingerschnippen weggeführt wurden.

Man brachte uns zu einem großen Kuppelbau jenseits der Pavillons, der an einem kiesbestreuten Platz stand. Dort wurde ich von den anderen getrennt. Drei Gardisten lenkten mich mit blankem Schwert in einen kahlen Raum, wo der ockerfarbene Putz abblätterte und in dem nur eine einzelne Holzbank stand.

»Ausziehen!«, befahl der Gardist.

Ich blickte ihn an. »Ausziehen?«, wiederholte ich argwöhnisch und dachte daran, was Rufus erlebt hatte.

»Ja, ausziehen. Na los!«

Ich legte meine Kleider ab und sagte dabei: »Bist du so tief gesunken? Vergiss nicht, dass du ein Römer bist, und ein Mann. Selbst hier ist ein Gott, der dich sieht.«

Als er begriff, erwiderte er: »Sei nicht albern. Du stinkst. Jetzt runter mit dem Zeug! So kann man dich nicht vor den Kaiser führen.«

Ich stockte, und wahrscheinlich starrte ich ihn offenen Mundes an. »Zum Kaiser?«

»Zum Kaiser«, wiederholte er. »Und jetzt beeil dich.«

Ich zog mich aus. Als ich nackt war, brachten die drei mich in einen angrenzenden Raum mit kaltem Steinboden, hohen, unverglasten Fenstern und einem Brunnen. Sie behielten mich im Auge, als ich mich unter dem Wasserhahn wusch. Anschließend, als ich mich abgetrocknet und saubere Sachen angezogen hatte, führten sie mich nach draußen, wo Marcellus unter Bewachung wartete.

»Sie bringen uns zu Constantius.«

»Ich weiß«, sagte er.

»Hat der Oberkämmerer das angeordnet?«, fragte ich einen Gardisten. Doch der antwortete nur: »Schluss mit der Fragerei. Das werdet ihr gleich selbst sehen.«

Kurz darauf erschien ein reich gekleideter Diener, und wir wurden zu einem nahe gelegenen Haus mit Marmorsäulen und Vordach gebracht.

Es sah aus wie das Domizil eines Provinzkaufmanns, was es zweifellos gewesen war, bevor der Hof es für sich beschlagnahmt hatte. Lange rote Banner mit den Symbolen des Kaisers waren zwischen die Säulen gehängt, und das Atrium war hastig mit kostbaren Teppichen und Zierrat ausgestattet worden, die alle zu groß und prachtvoll für dieses Haus waren.

In einer Ecke neben einem schweren, vergoldeten Lampenständer stand eine Schar wohlbeleibter Eunuchen, die sich flüsternd unterhielten. Sie blickten sich neugierig um, als wir hereinkamen, und verstummten, um uns mit ernster Miene zu mustern.

»Da stimmt etwas nicht«, raunte ich Marcellus zu.

Er drehte den Kopf und sah zu ihnen hinüber, wie sie mit ihren Goldohrringen und bestickten Gewändern dastanden. Ob dieser Dreistigkeit wandten sie sich abrupt ab und setzten ihr Gespräch fort.

»Jedenfalls sind sie nicht unseretwegen hier«, stellte er fest.

Darauf wollte ich fragen, wozu man uns dann hierhergebracht hatte, doch dazu kam es nicht mehr.

Wir wurden in die Obhut von zwei diskret bewaffneten Dienern gegeben, die mit kurzen förmlichen Mänteln aus blauem Damast bekleidet waren. Sie prüften unsere Fesseln und brachten uns in ein Vorzimmer mit persischen Teppichen und einem goldenen Käfig mit einem Distelfinken. Dort warteten wir in Gesellschaft der bewaffneten Diener. Nach kurzer Zeit näherten sich draußen Schritte. Eine Tür ging auf, und der Oberkämmerer kam herein, begleitet von einem Tross Beamter, die hinter ihm herschwärmten wie schüchterne Brautjungfern hinter einer korpulenten Braut.