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Der Oberkämmerer blieb stehen und gab vor, den Singvogel auf seinem silbernen Zweig zu betrachten. Er trug dieselbe aufgeblasene Miene zur Schau wie zuvor. Von Nahem sah ich, dass seine Wangen rot geschminkt waren, und seine schwarzen, sorgfältig frisierten Haare waren gekräuselt und geölt.

Die Beamten seines Gefolges warteten, den Blick respektvoll von ihm abgewandt. Doch ich war es leid, herumgeschubst zu werden. In aggressivem Tonfall, der den Singvogel aufschreckte, rief ich: »Warum sind wir hier? Was hast du mit uns vor?«

Eusebius holte empört Luft und drehte sich um. Man konnte ihn für einen gewöhnlichen Palasteunuchen halten, bis man in seine Augen sah. Sie verrieten Scharfsinn und berechnende Klugheit. Wenn man von der Schminke und der übertriebenen Kleidung absah, hatten diese Augen etwas an sich, das einem die Luft nahm wie ein unerwarteter Fausthieb.

Ich biss die Zähne zusammen und erwiderte Eusebius’ Blick. Es hieß, dass dieser hochmütige Beamte sogar den Kaiser beherrsche. Nun glaubte ich diesen Gerüchten. Unter seiner körperlichen Weichheit schlummerte ein Kern aus Stahl, wie eine Klinge in einem Samtetui.

Und ich erlebte noch eine Überraschung, denn er erwiderte mit seiner lieblichen Eunuchenstimme: »Ich möchte wissen, warum der Kaiser dich herbringen ließ.«

Zuerst starrte ich ihn verständnislos an. Dann sagte ich: »Du bist der Oberkämmerer. Wenn du es nicht weißt, woher soll ich es dann wissen?«

Sein weiches Kinn verspannte sich. Widerworte war er nicht gewohnt. Und ich begriff allmählich, dass er keine Ahnung hatte, was Constantius wollte, obwohl er sich im Zentrum der Macht befand.

»Der göttliche Kaiser teilt mir jeden seiner Gedanken mit«, erklärte er, was wahrscheinlich nicht nur an mich, sondern auch an sein Gefolge gerichtet war. »Ihr seid beide Komplizen des Verräters Julian. Er wird euch befragen wollen.«

Er bedachte mich mit einem durchdringenden Blick, als ob mir diese Worte eine Antwort entlocken müssten. Doch ich schwieg und schaute ihn nur an. Einen Augenblick später wiederholte er: »Er wird euch befragen wollen … Ihr müsst jedoch wissen, dass er vorübergehend indisponiert ist. Er leidet an einem leichten Fieber. Nichts Ernstes, denn der Kaiser kränkelt nie. Ihr dürft aber nichts sagen, was ihn ermüdet oder ärgert.«

Danach versuchte er erneut, durch verschieden formulierte und seiner Ansicht nach listige Fragen aus mir herauszubekommen, was der Kaiser von mir wollte. Natürlich konnte ich es ihm nicht sagen, da ich es selbst nicht wusste.

Mitten in seinen Bemühungen kam ein Diener herein und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Marcellus nahm die Gelegenheit wahr und raunte mir zu: »Krank ist die Bestie am gefährlichsten. Sei auf der Hut, Drusus.«

Dann wandte Eusebius sich uns wieder zu. »Der Kaiser ist nun bereit«, sagte er. Und zu unseren Bewachern: »Löst ihre Fesseln. Bringt sie hinein.«

Der angrenzende Raum war behelfsmäßig zum Audienzsaal hergerichtet worden. Da lagen schwere Teppiche, und an der hinteren Wand stand ein Stuhl mit hoher Lehne unter einem purpurroten Baldachin mit vergoldeten Pfosten. Doch es hielt sich niemand dort auf.

Wir durchquerten ihn und folgten einem Säulengang in einen hoch ummauerten Garten. Zwischen vergessenen Pflanztöpfen und Sträuchern standen große, mit Bronze beschlagene Reisetruhen und anderes Gepäck. Das Haus war groß, aber nicht groß genug für das Gefolge des Kaisers. Unweit der Mauer, wo ein Zitronenbaum wuchs, hatte sich eine kleine Schar von Beamten und Haussklaven versammelt. Sie unterhielten sich mit ernsten Mienen und warfen sich unruhige Blicke zu.

Welche Angelegenheiten des Hofes sie auch beschäftigten, wir hatten unsere eigenen Sorgen. Mir fielen die Geschichten über Constantius’ schreckliche Wutausbrüche ein, und ich bezweifelte, dass wir den Tag überleben würden. Wie es aussah, waren wir dem Notar entkommen, um nun etwas noch Schrecklicherem entgegenzusehen. Was das sein könnte, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen, und so schob ich den Gedanken entschlossen beiseite.

Wir gelangten an eine Tür, die von Gardisten mit Speeren bewacht wurde. Auf einen Wink des Oberkämmerers trat einer der Männer beiseite und klopfte an. Die Tür wurde von innen geöffnet, und man ließ uns ein. Drinnen war es dunkel.

Ich blieb stehen und schaute angestrengt, versuchte, etwas zu erkennen. Es war stickig und heiß; es roch nach Duftöl und scharfen Heilkräutern. Sämtliche Fensterläden waren geschlossen, das einzige Licht stammte von mehreren abgeschirmten Lampen auf Wandkonsolen, die zwischen rot-goldenen Vorhängen standen.

Ich sah mich weiter um und stellte erschrocken fest, dass überall zwischen den Möbeln Leute standen, schweigende Gestalten, die sich undeutlich aus dem Dunkel abhoben – Leibdiener, niedere Beamte, ein Bischof mit einem schweren, juwelenbesetzten Kreuz, Offiziere in ihrer besten Uniform, schwarz gekleidete Notare und mitten unter ihnen eine junge Frau mit großen Augen und blassem Gesicht in einem schimmernden grünen Kleid mit Goldlitze, der zwei Dienerinnen zur Seite standen.

Kurz begegneten sich unsere Blicke. Ihre kleine weiße Hand ruhte auf dem vorgewölbten Bauch; sie erwartete ein Kind. Sie wandte die Augen ab, als ob mein Blick sie beleidigte, und schaute vor sich auf die gepolsterte Liege.

Und da endlich sah ich ihn.

Er lag zwischen dicken Tagesdecken aus roter changierender Seide. Sein Kopf ruhte auf einem hohen, bestickten Polsterkissen. Sein Gesicht war blass, rundlich und glatt rasiert; die schwarzen Locken klebten ihm an der Stirn.

Zuerst glaubte ich, er schliefe. Doch dann regte er sich hustend und drehte sich, sodass er mich anschauen konnte. Halb erschrocken, halb ehrfürchtig erwiderte ich seinen Blick. Hier lag der Mann, der sich gern als Herrn der Welt bezeichnete. Auf dem Krankenbett sah er aus wie ein grämliches Kind, umgeben von Purpur und Gold.

Er keuchte und begann wieder zu husten. Ein Arzt trat von hinten heran, wurde jedoch mit kraftloser Geste weggescheucht. Als ich den Kaiser so sah, verstand ich das erregte Geflüster der zusammengescharten Höflinge: Es war offensichtlich, dass dies keine vorübergehende Krankheit war. Die riesige Regierungsmaschine stand still und wartete auf diesen einen Mann.

Er richtete sich auf.

»Es scheint«, sagte er mit heiserer Stimme, »dass wir mit unserer Familie kein Glück haben. Unser Vetter Julian hat uns viel Sorge bereitet. Haben wir wirklich eine so schlechte Menschenkenntnis?«

Seine Augen waren verschattet und erschöpft, und während er sprach, sah er mich nicht an. Sein Blick war auf eine Stelle über meinem Kopf gerichtet, als spräche er zu einer fernen Zuhörerschar. Das war verwirrend, aber vermutlich seine Gewohnheit.

»Nein, durchaus nicht«, antwortete ich. »Julian hast du richtig beurteilt. Du hättest auf ihn und nicht auf seine Feinde hören sollen, die dich umringen. Sie sind es, nicht Julian, die dir so viel Ärger beschert haben.«

Bei meinen Worten erhob sich ringsumher Gemurmel. Constantius machte eine ungeduldige Geste und hob die Stimme. »Julian ist anmaßend. Er hat ein paar unbedeutende Siege über schlecht bewaffnete Barbaren errungen und hält sich nun für unbesiegbar. Wir haben ihn aus der Verbannung geholt; wir haben ihm ein hohes Amt gewährt; wir haben ihn mit Gunst und Ehre überhäuft, doch er wendet sich gegen uns …«

Er bekam einen Hustenanfall. Die Arzt näherte sich wieder, wurde aber erneut davongescheucht.

»Uns wurde berichtet«, fuhr der Kaiser fort, »dass er den Bart des Philosophen trägt wie ein heidnischer Grieche. Hält er sich gar für einen Gelehrten? Und neuerdings heißt es, dass er sich erdreistet, die alten Götter öffentlich anzubeten, gegen unseren ausdrücklichen Befehl und gegen das göttliche Gesetz.«

Daraufhin fauchte der Bischof aus dem Dunkeln: »Abtrünniger! Sein Name wird auf ewig verflucht sein.«