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»In allen ist Gift?«, fragte ich.

»Oh ja, in allen. Und alle sind tödlich. Nur die Art des Todes ist unterschiedlich. Eines wird auch für Faustina und das Kind taugen … dieses hier vielleicht. Du brauchst dich mit der Sache nicht selbst zu belasten. Ich werde mich darum kümmern.«

Draußen ging der Tag zu Ende. Der Notar saß still da und sah mich starr an wie eine Eidechse auf einem Stein.

»Deshalb sollten wir zusammenarbeiten«, fuhr er fort, als ich nichts sagte. »Du und ich. Du als das öffentliche Antlitz der Macht, ich als das verborgene. Beide sind notwendig.«

»Nein«, sagte ich.

Er hob den Kopf. »Nein?«

»Deine Gifte stehen vor dir. Ich lasse dich allein, damit du deine Wahl treffen kannst. Entweder tust du es, oder du wirst für deine Verbrechen vor Gericht gestellt. Du weißt wohl, wie das Urteil ausfallen würde.«

Es folgte ein kurzes Schweigen.

»Du kannst die Hydra nicht töten«, hielt er mir streng entgegen. »Ich handle lediglich, wie die Natur es gebietet, und andere werden es mir nachtun, bis ans Ende der Zeit.«

»Vielleicht hast du recht. Aber auch ich handle, wie die Natur es gebietet. Und bis ans Ende der Zeit wird es Menschen geben, die dir widerstehen.«

Der Notar seufzte. Langsam nahm er eine seiner Phiolen, betrachtete sie, zog den Wachsstopfen heraus und leerte sie in ein kleines Glasgefäß.

»Diese Menge kann zehn Menschen töten«, sagte er und hob das Glas, wie um mir zuzuprosten. »Aber bedenke, ich bin dein Schatten … deine Rache macht dich zu meinesgleichen.«

Ich ließ mir mit der Antwort Zeit. Doch als ich sprach, war meine Stimme fest und klar.

»Nein, das stimmt nicht.«

SCHLUSSBEMERKUNG DES AUTORS

Diese Geschichte ist zwischen 355 und 361 n. Chr. angesiedelt, ein Jahrhundert vor dem Fall des Weströmischen Reiches. Zum Teil zeichnet es den Aufstieg des jungen Kaisersohnes Julian nach.

Schon oft war es so, dass der Sieger die Geschichte schreibt. Im Altertum war es die spätantike und mittelalterliche Kirche, die die Vergangenheit auslegte und zensierte. Was der Kirche missfiel, womit sie nicht einverstanden war, das unterdrückte sie. Vor der Erfindung der Druckerpresse hing das Überleben eines Buches vom handschriftlichen Kopieren ab, was langwierig war und große Sorgfalt erforderte, und es war die Kirche, die über das Schreiben, Kopieren und Bücherverbrennen bestimmte.

Die Kirche brandmarkte Julian als vom Glauben Abgefallenen, als Apostaten. Dieser Makel blieb an ihm haften, sodass man ihn noch heute vor allem als »Julian Apostata« kennt. Sein Onkel hingegen, Kaiser Constantin, der das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches erhob, ist als Constantin der Große bekannt.

Umso überraschender ist es, dass viele von Julians Schriften überlebt haben. Nach wie vor können wir eine Verbindung zu diesem Mann herstellen – nicht nur über seine eigenen Worte, auch über die seiner Freunde und Feinde, denn er war eine Persönlichkeit, die heftige Kontroversen hervorrief. Aus diesen Texten erschließt sich uns das Bild eines intelligenten, nachdenklichen jungen Mannes, der im Zentrum der spätrömischen Macht gelebt und sie herausgefordert hat.

Vielleicht ist es sinnvoll, kurz auf die Begriffe »Cäsar« und »Augustus« einzugehen. Ursprünglich bezog »Cäsar« sich auf Julius Caesar, und »Augustus« war der Name, den Caesars Neffe und Adoptivsohn Oktavian annahm, als er der erste römische ›Kaiser‹ wurde. Im späten Römischen Reich waren diese Namen zu Amtstiteln geworden. Ein Augustus war ein Kaiser; ein Cäsar war ein Stellvertreter des Kaisers und dessen designierter Nachfolger. Und oft, aber nicht immer, waren beide Blutsverwandte.

Darüber hinaus erachtete man es zu verschiedenen Zeiten für zweckmäßig, das gewaltige Reich zwischen zwei oder mehr Kaisern aufzuteilen, von denen jeder einen Teil regierte – gewöhnlich trennte man in Ost und West. In der Spätzeit des Reiches gab es oft mehr als einen Kaiser, und jeder beherrschte ein anderes Gebiet. Da es dieser Geschichte dienlich schien, habe ich die komplizierteren Aspekte der spätrömischen Provinzverwaltung vereinfacht.

Was die Ortsnamen angeht, habe ich mich überall dort für den modernen Namen entschieden, wo die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er dem Leser von heute vertraut ist. So habe ich Britannien gegenüber Britannia den Vorzug gegeben, London gegenüber Londinium, York gegenüber Eboracum, Autun gegenüber Augustodunum. Für weniger bekannte Orte und für Städte, die nicht mehr existieren, habe ich den antiken Namen beibehalten. Sirmium ist das moderne Sremska Mitrovica, Naïssus ist Nǐs, und Letocetum ist das Dorf Wall südlich des englischen Lichfield.

Wen die Götter lieben ist eine Fortsetzung meines Romans Wer trauert um Apoll.