»Ich bin so aufgeregt, mein Schatz«, sagte Dana. »Dadurch wird alles ganz anders werden. Er ist nur deshalb so auf Streit aus, weil er sich unterlegen vorkommt. Das wird sich jetzt ändern.«
»Er ist bestimmt total aufgeregt«, sagte Jeff. »Ich jedenfalls wäre es.«
»Und das Wunderbare dabei ist, dass das Kinderhilfswerk für alle Kosten aufkommt. Wenn wir -«
Jeffs Handy klingelte. »Entschuldige, Liebling.« Er drückte auf einen Knopf und meldete sich. »Hallo? ... Oh ...« Er warf Dana einen kurzen Blick zu. »Nein ... Ist schon in Ordnung . Schieß los .«
Dana saß da und versuchte nicht zuzuhören.
»Ja . Verstehe . Genau . Vermutlich ist es nichts Ernstes, aber vielleicht solltest du einen Arzt aufsuchen. Wo bist du im Augenblick? In Brasilien? Dort gibt’s ein paar gute Ärzte. Natürlich ... Ich verstehe ... Nein ...« Das Gespräch wollte kein Ende nehmen, bis Jeff endlich sagte: »Pass auf dich auf. Mach’s gut.« Er unterbrach die Verbindung.
»Rachel?«, fragte Dana.
»Ja. Sie hat irgendwelche Beschwerden. Hat die Aufnahmen in Rio abgebrochen. Das hat sie noch nie gemacht.«
»Wieso ruft sie dich an, Jeff?«
»Sie hat sonst niemanden, Liebling. Sie ist völlig allein.«
»Tschüss, Jeff.«
Widerwillig legte Rachel auf, riss sich nur ungern los. Sie blickte aus dem Fenster auf den Zuckerhut in der Ferne und den Strand von Ipanema tief unter ihr. Dann ging sie ins Schlafzimmer und legte sich erschöpft und benommen hin. Unablässig kreisten ihre Gedanken um den heutigen Tag. Es hatte so gut angefangen an diesem Morgen am Strand, als sie für eine Werbekampagne von American Express Modell gestanden hatte.
»Die letzte war klasse, Rachel«, hatte der Regisseur gegen Mittag gesagt. »Jetzt noch eine letzte Einstellung.«
»Nein«, hatte sie erwidert, obwohl sie ursprünglich hatte Ja sagen wollen. »Tut mir Leid. Ich kann nicht.«
Überrascht hatte er sie angeschaut. »Was?«
»Ich bin so müde. Sie müssen mich entschuldigen.« Sie hatte sich umgedreht und war kurzerhand ins Hotel geflüchtet, durch das Foyer gestürmt und hatte sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. Ihr war übel gewesen und sie hatte am ganzen Leib gezittert. Was ist mit mir los? Ihre Stirn hatte sich heiß angefühlt.
Sie hatte zum Telefon gegriffen und Jeff angerufen. Beim bloßen Klang seiner Stimme war es ihr besser gegangen. Ein Segen. Er ist immer für mich da. Als das Gespräch vorüber war, lag Rachel im Bett und dachte nach. Eine Zeit lang hatten wir richtig Spaß miteinander. Er war immer bester Dinge. Wir haben es genossen, wenn wir zusammen etwas unternehmen konnten, gemeinsam etwas erlebt haben. Wie konnte ich ihn nur gehen lassen? Sie musste wieder daran denken, wie ihre Ehe in die Brüche gegangen war.
Angefangen hatte es mit einem Telefonanruf.
»Rachel Stevens?«
»Ja.«
»Roderick Marshall möchte Sie sprechen.« Einer der bedeutendsten Regisseure von Hollywood.
Im nächsten Moment war er auch schon am Apparat. »Miss Stevens?«
»Ja?«
»Roderick Marshall. Wissen Sie, wer ich bin?«
Sie hatte etliche Filme von ihm gesehen. »Selbstverständlich, Mr. Marshall.«
»Ich habe mir Fotos von Ihnen angeschaut. Wir könnten Sie hier bei der Fox gut gebrauchen. Hätten Sie Lust, nach Hollywood zu kommen und ein paar Probeaufnahmen zu machen?«
Rachel zögerte einen Moment lang. »Ich weiß nicht recht. Ich meine, ich weiß nicht, ob ich eine gute Schauspielerin wäre. Ich habe noch nie -«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Wir kommen selbstverständlich für sämtliche Kosten auf. Wann können Sie frühestens hier sein?«
Rachel ging in Gedanken ihre Termine durch. »In drei Wochen.«
»Gut. Das Studio wird alles Weitere in die Wege leiten.«
Erst als Rachel auflegte, wurde ihr klar, dass sie sich nicht mit Jeff abgesprochen hatte. Es macht ihm bestimmt nichts aus, hatte sie damals gedacht. Wir sind doch sowieso nur selten zusammen.
»Hollywood«, hatte Jeff erwidert.
»Das wird der reinste Jux, Jeff.«
Er hatte genickt. »Na schön. Häng dich rein. Wahrscheinlich machst du es großartig.« »Kannst du nicht mitkommen?«
»Liebes, wir spielen am Montag in Cleveland, danach müssen wir in Washington ran und hinterher in Chicago. Wir haben noch allerhand Spiele vor uns. Und ich glaube, die Mannschaft würde es schon merken, wenn einer ihrer stärksten Pitcher fehlt.«
»Schade.« Sie versuchte so ruhig und beiläufig wie möglich zu klingen. »Irgendwie kommen wir anscheinend nie zusammen, was, Jeff?«
»Jedenfalls nicht oft genug.«
Rachel wollte noch etwas sagen, doch sie verkniff es sich. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Am Flughafen von Los Angeles wurde Rachel von einem Chauffeur in Diensten des Studios mit einer langen Limousine abgeholt.
»Ich heiße Henry Ford.« Er kicherte. »Bin aber weder verwandt noch verschwägert. Man nennt mich Hank.«
Die Limousine fädelte sich in den Verkehr ein. Unterwegs ließ er sich fortwährend über dies und jenes aus.
»Zum ersten Mal in Hollywood, Miss Stevens?«
»Nein. Ich war schon oft hier. Zum letzten Mal vor zwei Jahren.«
»Tja, seither hat sich allerhand verändert. Alles ist noch größer und gewaltiger geworden. Wenn Sie Glamour mögen, werden Sie begeistert sein.«
Falls ich Glamour mag.
»Das Studio hat Sie im Chateau Marmont untergebracht. Dort steigt die ganze Prominenz ab.«
Rachel gab sich beeindruckt. »Wirklich?«
»O ja. John Belushi ist dort gestorben, müssen Sie wissen, nachdem er eine Überdosis genommen hat.«
»Herrje.«
»Gable hat dort gewohnt. Paul Newman. Marilyn Monroe.« Er zählte einen Namen nach dem andern auf, bis Rachel irgendwann nicht mehr zuhörte.
Das Chateau Marmont lag unmittelbar nördlich des Sunset Strip. Es sah aus wie eine Schlossattrappe in einem Filmstudio.
»Ich hol Sie um zwei Uhr ab und bring Sie zum Studio«, sagte Henry Ford. »Dort lernen Sie dann Roderick Marshall kennen.«
»Ich erwarte Sie.«
Zwei Stunden später saß Rachel in Roderick Marshalls Büro. Er war Mitte vierzig, klein und untersetzt, sprühte aber förmlich vor Energie.
»Sie werden noch froh sein, dass Sie hergekommen sind«, sagte er. »Ich werde Sie zu einem großen Star machen. Morgen fangen wir mit den Probeaufnahmen an. Eine meiner Assistentinnen wird Sie zur Garderobe bringen, wo Sie sich irgendwas Nettes aussuchen können. Meiner Meinung nach sollten Sie uns eine Szene aus Ende vom Lied vorspielen, einem unserer großen Kinoerfolge. Wenn Sie morgen früh um sieben in der Maske und zum Hairstyling antreten könnten? Ich nehme an, das ist für Sie nichts Neues, was?«
»Nein«, sagte Rachel mit tonloser Stimme.
»Sind Sie allein hier, Rachel?«
»Ja.«
»Warum treffen wir uns dann nicht einfach heute Abend und gehen gemeinsam irgendwo essen?«
Rachel überlegte einen Moment lang. »Von mir aus.«
»Ich hole Sie um acht Uhr ab.«
Aus dem gemeinsamen Abendessen wurde eine turbulente Nacht.
»Wenn man weiß, wo was los ist - und wenn man dort reinkommt«, erklärte Roderick Marshall Rachel, »dann hat L.A. ein paar der schärfsten Clubs auf der ganzen Welt zu bieten.«
Der Zug durch die Gemeinde fing im Standard an, einer angesagten Bar samt Restaurant und Hotel am Sunset Boulevard. Als sie an der Rezeption vorbeigingen, blieb Rachel stehen und starrte auf die Mattglasscheibe, hinter der sich ein Nacktmodell in voller Lebensgröße räkelte.
»Ist das nicht toll?«
»Unglaublich«, sagte Rachel.