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Rachel stiegen die Tränen in die Augen. »Ich dich auch.«

17

Jede Stadt hat ihren eigenen Rhythmus, und Rom lässt sich auch diesbezüglich mit keiner anderen Stadt der Welt vergleichen. Es ist eine moderne Metropole, eingebunden in ihre jahrtausendealte ruhmreiche Geschichte. In Rom bewegt man sich gemessenen Schrittes, denn es gibt keinerlei Grund zur Eile. Und was heute nicht wird, wird eben morgen.

Dana war seit ihrem zwölften Lebensjahr, als ihre Eltern sie dorthin mitgenommen hatten, nicht mehr in Rom gewesen. Bei der Landung auf dem Aeroporto Leonardo da Vinci kamen ihr zahllose Erlebnisse wieder in den Sinn. Sie erinnerte sich an ihren ersten Tag in Rom, als sie das Kolosseum erkundet hatte, wo einst die Christen den wilden Löwen zum Fraß vorgeworfen worden waren. Danach hatte sie eine Woche lang nicht schlafen können.

Sie hatte mit ihren Eltern den Vatikan besichtigt und die Spanische Treppe, hatte Lire-Münzen in die Fontana di Trevi geworfen und sich dabei gewünscht, ihre Eltern möchten mit der ständigen Streiterei aufhören. Als ihr Vater verschwunden war, hatte sie das Gefühl gehabt, der Brunnen hätte sie im Stich gelassen.

Sie hatte in den Terme di Caracalla, den alten römischen Bädern, eine Aufführung der Oper Othello gesehen - ein Abend, den sie nie vergessen würde.

Sie hatte im berühmten Doney’s an der Via Veneto Eiscreme gegessen und die belebten Straßen in Trastevere erkundet. Dana schwärmte für Rom und die Menschen, die dort lebten. Wer hätte gedacht, dass ich nach all den Jahren auf der Suche nach einem mehrfachen Mörder hierher

Dana stieg im Hotel Ciceroni an der Piazza Navona ab.

»Buon giorno«, begrüßte sie der Geschäftsführer des Hotels. »Wir sind entzückt, dass Sie bei uns wohnen, Miss Evans. Soweit ich weiß, bleiben Sie zwei Tage hier?«

Dana zögerte. »Ich weiß es noch nicht genau.«

Er lächelte. »Spielt keine Rolle. Wir haben eine wunderschöne Suite für Sie. Sagen Sie uns Bescheid, wenn wir irgendetwas für Sie tun können.«

Italien ist so ein freundliches Land. Dana musste an Doro-thy und Howard Wharton denken, ihre ehemaligen Nachbarn. Ich weiß nicht, wie die auf mich gekommen sind, aber sie haben eigens jemand hier einfliegen lassen, um mit mir handelseinig zu werden.

Dana beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und die Whartons anzurufen. Sie ließ sich von der Vermittlung mit der Italiano Ripristino Corporation verbinden.

»Ich möchte bitte Howard Wharton sprechen.«

»Könnten Sie den Namen buchstabieren?«

Dana buchstabierte ihn.

»Vielen Dank. Einen Moment.«

Es dauerte ganze fünf Minuten, bis sich die Frau wieder meldete.

»Tut mir Leid. Hier gibt es keinen Howard Wharton.«

Die einzige Bedingung dabei ist, dass wir bis morgen in Rom sein müssen.

Dana rief Dominick Romano an, den Nachrichtenmoderator beim Fernsehsender Italia 1.

»Ich bin’s, Dana. Ich bin hier, Dominick.«

»Dana! Wie schön! Wo wollen wir uns treffen?«

»Schlag du was vor.«

»Wo wohnst du?«

»Im Hotel Ciceroni.«

»Nimm ein Taxi und sag dem Fahrer, er soll dich zum Toula bringen. Ich bin in einer halben Stunde dort.«

Das Toula an der Via Della Lupa war eins der berühmtesten Restaurants von Rom. Als Dana dort eintraf, wartete Romano bereits.

»Buon giorno. Schön, dich wieder zu sehen, ohne dass ringsum Bomben fallen.«

»Ganz meinerseits, Dominick.«

»Was für ein sinnloser Krieg.« Er schüttelte den Kopf. »Vermutlich noch sinnloser als die meisten anderen. Bene! Was machst du in Rom?«

»Ich möchte hier mit einem Mann sprechen.«

»Und wie heißt der Glückliche?«

»Vincente Mancino.«

Dominick Romano wurde mit einem Mal ernst. »Weshalb willst du mit ihm sprechen?«

»Vermutlich springt nichts dabei heraus, aber ich stelle gerade ein paar Recherchen an. Erzähl mir was über Manci-no.«

Dominick Romano dachte scharf nach, ehe er das Wort ergriff. »Mancino war Wirtschaftsminister. Er hat Beziehungen zur Mafia. Hat allerhand auf dem Kerbholz. Jedenfalls gab er plötzlich und unerwartet einen wichtigen Posten auf, ohne dass jemand weiß, weshalb.« Romano blickte Dana neugierig an. »Wieso interessierst du dich für ihn?«

Dana ging nicht auf die Frage ein. »Meines Wissens hatte Mancino mit Taylor Winthrop über ein Wirtschaftsabkommen verhandelt, als er abtrat.«

»Ja. Winthrop brachte die Verhandlungen mit jemand anderem zum Abschluss.«

»Wie lange war Taylor Winthrop in Rom?«

Romano dachte kurz nach. »Etwa zwei Monate. Mancino und Winthrop haben sich im Laufe der Zeit angefreundet, zumindest gingen sie oft einen trinken.« Und dann fügte er hinzu: »Irgendwas muss schief gegangen sein.«

»Was?«

»Wer weiß. Darüber sind allerlei Geschichten im Umlauf. Mancino hatte nur ein Kind, eine Tochter namens Pia, und die ist verschwunden. Mancinos Frau erlitt einen Nervenzusammenbruch.«

»Seine Tochter ist verschwunden? Wie meinst du das? Wurde sie entführt?«

»Nein. Sie ist einfach irgendwie« - er versuchte vergeblich, das richtige Wort zu finden - »verschwunden. Niemand weiß, was aus ihr geworden ist.« Er seufzte. »Pia war eine Schönheit, das kann ich dir sagen.«

»Wo hält sich Mancinos Frau auf?«

»Es geht das Gerücht, dass sie sich in einem Sanatorium befindet.«

»Weißt du, wo?«

»Nein. Und dich sollte es besser auch nicht interessieren.« Ihr Kellner kam an den Tisch. »Ich kenne dieses Restaurant«, sagte Dominick Romano. »Soll ich für dich mitbestellen?«

»Gern.«

»Bene.« Er wandte sich an den Kellner. »Primo, pasta e fagioli. Dopo, abbacchio arrosto conpolenta.«

»Grazie.«

Das Essen war hervorragend, und während sie es genossen, plauderten sie locker und zwanglos miteinander. Doch als sie aufstanden und gehen wollten, sagte Romano: »Dana, halte dich von Mancino fern. Er ist nicht der Mann, dem man Fragen stellt.«

»Aber wenn er -«

»Vergiss ihn. Ich sage nur ein Wort - omerta.« »Vielen Dank, Dominick. Ich weiß deinen Rat zu schätzen.«

Vincente Mancinos Büroräume befanden sich in einem modernen Gebäude an der Via Sardegna, das ihm gehörte. Ein stämmiger Wachmann saß an der Rezeption in dem marmorgetäfelten Foyer.

Er blickte auf, als Dana eintrat. »Buon giorno. Posso aiutarla, signorina?«

»Mein Name ist Dana Evans. Ich möchte Signor Vincente Mancino sprechen.«

»Haben Sie einen Termin?«

»Nein.«

»Dann tut es mir Leid.«

»Sagen Sie ihm, es geht um Taylor Winthrop.«

Der Wachmann musterte Dana einen Moment lang, dann griff er zum Telefon und sagte etwas. Er legte den Hörer auf. Dana wartete.

Was, in aller Welt, werde ich herausfinden?

Das Telefon klingelte, worauf der Wachmann den Hörer abnahm und einen Moment lang lauschte. Er wandte sich an Dana. »Zweiter Stock. Dort wird Sie jemand abholen.« »Vielen Dank.«

»Prego.«

Vincente Mancinos Büro war klein und unscheinbar, ganz und gar nicht das, was Dana erwartet hatte. Mancino saß an einem alten, zerschrammten Schreibtisch. Er war um die sechzig, mittelgroß, mit breiter Brust, schmalen Lippen, weißem Haar und einer Hakennase. Er hatte die kältesten Augen, die Dana je gesehen hatte. Auf dem Schreibtisch stand in einem Goldrahmen ein Foto von einem bildschönen Teenager.