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Lee Hopkins schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Miss Evans, aber wenn Sie vorhaben, etwas schlechtes über Taylor Winthrop zu veröffentlichen, sind Sie bei mir an die falsche Person geraten. Er war der freundlichste, rücksichtsvollste Mensch, den ich je kennen gelernt habe.«

Da wären wir wieder, dachte Dana.

In den nächsten zwei Stunden sprach Dana mit vier weiteren Leuten, die während Taylor Winthrops Amtszeit in der Botschaft tätig gewesen waren.

Er war ein hinreißender Mann ...

Er mochte die Menschen wirklich ...

Er hat sich eigens dafür eingesetzt, uns zu helfen .

Feinde? Doch nicht Taylor Winthrop .

Ich vergeude meine Zeit, dachte Dana. Sie suchte noch einmal Botschafter Hardy auf.

»Haben Sie etwas in Erfahrung gebracht?«, fragte er. Er wirkte weit weniger freundlich.

Dana zögerte. »Nicht unbedingt«, sagte sie offen.

Er beugte sich vor. »Und meiner Meinung nach werden Sie das auch nicht, Miss Evans. Jedenfalls nicht, wenn Sie darauf aus sind, Taylor Winthrop anzuschwärzen. Sie haben jeden hier im Haus gegen sich aufgebracht. Die Leute haben den Mann geliebt. Das gilt auch für mich. Versuchen Sie keine Leichen auszugraben, die es nicht gibt. Wenn Sie nur zu diesem Zweck hergekommen sind, können Sie gleich wieder abreisen.«

»Vielen Dank«, sagte Dana. »Das werde ich auch.«

Doch Dana dachte nicht daran, wieder abzureisen.

Der unmittelbar gegenüber von Kreml und Manege gelegene VIP National Club war ein Restaurant samt angeschlossenem Casino, das sich in Privatbesitz befand. Tim Drew wartete bereits, als Dana dort eintraf.

»Willkommen«, sagte er. »Ich glaube, das hier wird Ihnen gefallen. Hier verkehrt die gesamte feine Gesellschaft von Moskau. Wenn auf dieses Lokal eine Bombe fiele, wäre wohl die ganze Regierung auf einen Schlag ausgeschaltet.«

Das Essen war köstlich. Sie fingen mit Blini und Kaviar an, ließen sich danach Borschtsch auftischen, gefolgt von georgischem Stör in Walnusssoße, Boeuf Stroganoff mit Reis und Watruschki-Käsetörtchen als Dessert.

»Das ist ja wunderbar«, sagte Dana. »Ich habe bisher immer nur gehört, dass das Essen in Russland fürchterlich wäre.«

»Ist es auch«, versicherte ihr Tim Drew. »Das hier ist nicht Russland. Das ist eine Art Insel der Seligen.«

»Wie ist das Leben hier?«, fragte Dana.

Tim Drew überlegte einen Moment lang. »Es ist, als ob man auf einem Vulkan steht und darauf wartet, dass er ausbricht. Man weiß nie, was demnächst passieren wird. Die Männer, die an der Macht sind, plündern das Land aus und verschieben Milliardenbeträge, und das Volk leidet Hunger. Genau so hat hier die letzte Revolution angefangen. Wer weiß, was diesmal passiert. Aber um gerecht zu sein - das ist nur die eine Seite der Medaille. Das kulturelle Angebot ist unglaublich. Hier gibt es das Bolschoi-Ballett, die große Eremitage, das Puschkin-Museum, den Moskauer Nationalzirkus - und so weiter und so fort. In Russland werden mehr Bücher veröffentlicht als in der ganzen übrigen Welt zusammen, und die Russen lesen im Schnitt etwa dreimal so viele Bücher wie die Amerikaner.«

»Vielleicht lesen sie die falschen Bücher«, versetzte Dana trocken.

»Kann sein. Im Augenblick steckt das ganze Volk irgendwo zwischen Kapitalismus und Kommunismus, und keins von beiden haut hin. Nichts funktioniert, die Kosten explodieren, und die Kriminalität nimmt überhand.« Er blickte zu Dana. »Ich hoffe nur, ich verderbe Ihnen nicht die Laune.«

»Nein. Sagen Sie mal, Tim, haben Sie Taylor Winthrop gekannt?«

»Ich habe ihn ein paar Mal interviewt.«

»Haben Sie mal irgendwas von einem großen Vorhaben gehört, an dem er beteiligt war?«

»Er war an allerhand Projekten beteiligt. Immerhin war er unser Botschafter.«

»Das habe ich nicht gemeint. Mir geht es um etwas anderes. Eine ganz vertrackte Sache - bei der viele Einzelheiten zu regeln waren.«

Tim Drew dachte kurz nach. »Dazu fällt mir nichts ein.«

»Gibt es hier irgendjemanden, mit dem er häufiger zu tun hatte?«

»Ein paar seiner russischen Ansprechpartner, nehme ich an. Mit denen sollten Sie vielleicht mal reden.«

»Gut«, sagte Dana. »Mach ich.«

Der Kellner brachte ihnen die Rechnung. Tim Drew überflog sie und blickte dann zu Dana. »Das ist mal wieder typisch. Auf der Rechnung hier sind drei verschiedene Zuschläge aufgeführt. Und fragen Sie bitte nicht, wofür die sind.« Er bezahlte.

»Haben Sie eine Waffe bei sich?«, sagte Tim Drew zu Dana, als sie draußen auf der Straße standen.

Sie blickte ihn verdutzt an. »Natürlich nicht. Wieso?«

»Weil wir hier in Moskau sind. Da kann man nie wissen, was kommt.« Dann fiel ihm etwas ein. »Wissen Sie was? Wir machen einen kurzen Abstecher.«

Sie stiegen in ein Taxi, und Tim Drew nannte dem Fahrer eine Adresse. Fünf Minuten später hielten sie vor einem Waffengeschäft und stiegen aus.

Dana warf einen Blick in den Laden. »Ich will mir keine Schusswaffe zulegen.«

»Ich weiß«, erwiderte Tim Drew. »Kommen Sie einfach mit.« In den Auslagen des Geschäfts wurde jede nur erdenkliche Waffe angeboten.

Dana blickte sich um. »Kann hier jeder einfach reinschneien und sich eine Knarre kaufen?«

»Man braucht nur das nötige Kleingeld«, sagte Tim Drew.

Der Mann hinter dem Ladentisch grummelte Tim irgendetwas auf Russisch zu. Tim erklärte ihm, was er wollte.

»Da.« Er griff unter den Ladentisch und holte eine kleine schwarze Dose hervor.

»Wofür soll das sein?«, fragte Dana.

»Das ist für Sie. Pfefferspray.« Tim Drew nahm die Dose in die Hand. »Sie müssen nur auf den Knopf da oben drük-ken, dann lassen Sie die bösen Buben in Ruhe, weil das viel zu weh tut.«

»Ich glaube nicht -«, setzte Dana an.

»Nun nehmen Sie sie schon. Sie können mir ruhig glauben.« Er reichte Dana die Dose, drückte dem Mann ein paar Scheine in die Hand und ging mit ihr hinaus.

»Möchten Sie mal einen Moskauer Nachtclub erleben?«, fragte Tim Drew.

»Klingt nicht schlecht.«

»Großartig. Dann nichts wie hin.«

Der Night Flight Club in der Uliza Twerskaja war ebenso plüschig wie prunkvoll und voller gut gekleideter Russen, die hier speisten, zechten und tanzten.

»Den Leuten hier scheint es ja nicht schlecht zu gehen«, stellte Dana fest.

»Nein. Die sorgen schon dafür, dass die Bettler draußen bleiben.«

Um zwei Uhr morgens kehrte Dana todmüde in ihr Hotel zurück. Es war ein langer Tag gewesen. Eine Frau saß an einem Tisch im Flur und führte Buch über das Kommen und Gehen der Gäste.

Dana begab sich in ihr Zimmer und ging ans Fenster, vor dem im Mondlicht leise der Schnee rieselte. Ein malerischer Anblick, fast wie auf einer Ansichtskarte.

Morgen, dachte Dana entschlossen, morgen werde ich erfahren, weshalb ich hierher gekommen bin.

Der Düsenlärm des anfliegenden Jets war so laut, dass man meinte, die Maschine würde jeden Augenblick das Haus streifen. Der Mann stand rasch auf, griff zu dem Fernglas auf dem Schreibtisch und trat ans Fenster. Er konnte gerade noch das Heck der Maschine erkennen, die zum Landeanflug auf den kleinen, eine halbe Meile entfernten Flugplatz ansetzte. Von der frisch geräumten Rollbahn einmal abgesehen, war die ganze Einöde ringsum tief verschneit. Immerhin waren sie hier in Sibirien, mitten im Winter.

»Aha«, sagte er zu dem Mann neben ihm. »Die Chinesen sind wieder mal die Ersten.« Eine Bemerkung, auf die es nichts zu erwidern gab. »Wie man mir mitteilte, wird unser alter Freund Ling Wong diesmal nicht dabei sein. Als er von unserer letzten Zusammenkunft mit leeren Händen zurückkehrte, bereitete man ihm einen etwas unangenehmen Empfang. Schade um ihn. Er war ein anständiger Mann.«