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»Ich weiß, es klingt womöglich etwas weit hergeholt«, sagte Pamela nachdenklich, »aber wäre es möglich, dass sich alle drei zusammengetan haben, um sich zu rächen?«

Dana schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sie gemeinsame Sache gemacht haben. Die Männer, mit denen ich gesprochen habe, verfügen über große Macht. Ich bin davon überzeugt, dass jeder auf eigene Faust handeln wollte. Nur einer von Ihnen ist der Täter.«

Aber wer?

Dana blickte plötzlich auf ihre Uhr. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich habe Kemal versprochen, dass wir heute Abend zu McDonald’s essen gehen, und wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch, bevor ich wieder zur Arbeit muss.«

»Natürlich, meine Liebe!«, sagte Pamela. »Dafür haben wir doch vollstes Verständnis. Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«

Dana stand auf. »Und ich danke Ihnen für den köstlichen Tee und die moralische Unterstützung.«

»Das hat mir gefehlt«, sagte Dana, als sie Kemal am Montagmorgen zur Schule fuhr. »Aber jetzt bin ich wieder da.«

»Ich bin ja so froh.« Kemal gähnte.

Dana fiel auf, dass er ständig gähnte, seit er aufgestanden war. »Hast du letzte Nacht gut geschlafen?«, fragte sie.

»Ja, ich glaube schon.« Wieder gähnte Kemal.

»Was treibst du denn so in der Schule?«, fragte Dana.

»Du meinst, außer dem öden Geschichtsunterricht und den langweiligen Englischstunden?«

»Ja.«

»Ich spiele Fußball.«

»Du übernimmst dich doch nicht etwa, oder, Kemal?«

»Nee.«

Sie warf einen Blick auf die schmächtige Gestalt neben ihr. Dana hatte den Eindruck, dass Kemal irgendwie schlapp und kraftlos wirkte. Außerdem war er ungewöhnlich still. Sie fragte sich, ob sie mit ihm zum Arzt gehen sollte. Vielleicht sollte sie ihn untersuchen lassen und sich erkundigen, ob man ihm nicht ein paar Vitamine verschreiben konnte, damit er wieder zu Kräften kam. Sie blickte auf ihre Uhr. In einer halben Stunde begann die Redaktionskonferenz für die Abendnachrichten.

Der Morgen verging wie im Flug, und es tat gut, wieder in der gewohnten Umgebung zu sein. Als Dana in ihr Büro zurückkehrte, fand sie auf ihrem Schreibtisch einen verschlossenen Briefumschlag vor, auf dem nur ihr Name stand. Sie öffnete ihn und las den Text:

»Miss Evans: Ich habe die Informationen, hinter denen Sie her sind. Ich habe im Sojus-Hotel in Moskau ein Zimmer für Sie reservieren lassen. Kommen Sie sofort. Erzählen Sie niemandem etwas davon.«

Keine Unterschrift. Ungläubig las Dana den Brief noch einmal. Ich habe die Informationen, hinter denen Sie her sind.

Natürlich handelte es sich um einen Trick. Wenn jemand in Russland etwas wusste, was ihr weiterhelfen könnte, wieso hatte der Betreffende ihr dann nichts davon erzählt, als sie dort war? Dana musste an die Begegnung mit Kommissar Sascha Schdanoff und seinem Bruder Boris denken. Boris hatte allem Anschein nach unbedingt mit ihr reden wollen, aber Sascha war ihm ständig ins Wort gefallen. Dana saß an ihrem Schreibtisch und dachte nach. Wie war diese Nachricht auf ihren Schreibtisch gelangt? Wurde sie beobachtet?

Ich werde die Sache einfach vergessen, beschloss Dana. Sie steckte den Brief in ihre Handtasche. Ich zerreiße ihn, wenn ich nach Hause komme.

Dana verbrachte den Abend mit Kemal. Sie dachte, er wäre begeistert von dem neuen Computerspiel, das sie ihm aus Moskau mitgebracht hatte, aber er wirkte eher gleichgültig. Um neun Uhr fielen ihm fast die Augen zu.

»Ich bin müde, Dana. Ich glaube, ich geh lieber ins Bett.«

»In Ordnung, mein Schatz.« Dana blickte ihm hinterher, als er in das Arbeitszimmer ging. Er hat sich so verändert, dachte sie. Er kommt mir ganz anders vor als früher. Na ja, aber jetzt bleiben wir zusammen. Wenn ihm irgendetwas zu schaffen macht, werde ich es schon herausfinden. Es war höchste Zeit, dass sie sich ins Studio begab.

Der Mieter in der Nachbarwohnung saß vor dem Fernsehgerät und sprach auf einen Kassettenrecorder.

»Zielperson hat die Wohnung verlassen und ist ins Fernsehstudio gegangen. Der Junge liegt im Bett. Die Haushälterin näht.«

»Wir sind auf Sendung!« Das rote Licht an der Kamera blinkte auf.

»Guten Abend«, ertönte die Stimme des Ansagers. »Es ist dreiundzwanzig Uhr. Hier sind die Spätnachrichten auf WTN mit Dana Evans und Richard Melton.«

Dana lächelte in die Kamera. »Guten Abend. Ich bin Dana Evans.«

»Und ich bin Richard Melton«, sagte Richard, der neben ihr saß.

»Wir berichten heute Abend zunächst von einem schrecklichen Unglück in Malaysia ...«, fing Dana an.

Hier gehöre ich hin, dachte sie, statt mich sinnlos irgendwo da draußen in der Weltgeschichte herumzutreiben.

Die Sendung ging gut über die Bühne. Als Dana in ihre Wohnung zurückkehrte, schlief Kemal bereits. Nachdem sie Mrs. Daley eine gute Nacht gewünscht hatte, ging auch Dana zu Bett, doch sie fand keinen Schlaf.

Ich habe die Informationen, hinter denen Sie her sind. Ich habe im Sojus-Hotel in Moskau ein Zimmer für Sie reservieren lassen. Kommen Sie sofort. Erzählen Sie niemandem etwas davon.

Es ist eine Falle. Ich wäre schön blöde, wenn ich nach Moskau zurückkehren würde, dachte Dana. Aber was ist, wenn es stimmt? Wieso macht sich jemand überhaupt die Mühe? Der Brief kann nur von Boris Schdanoff stammen. Was ist, wenn er wirklich etwas weiß? Sie lag die ganze Nacht wach.

Als Dana am nächsten Morgen aufstand, rief sie Roger Hudson an und berichtete ihm von der Mitteilung.

»Mein Gott. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.« Er klang aufgeregt. »Das könnte darauf hindeuten, dass jemand bereit ist auszupacken, was den Tod der Winthrops angeht.«

»Ich weiß.«

»Dana, es könnte gefährlich werden. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«

»Wenn ich nicht darauf eingehe, erfahren wir die Wahrheit niemals.«

Er zögerte. »Vermutlich haben Sie Recht.«

»Ich muss hin, aber ich werde vorsichtig sein.«

»Na schön«, sagte Roger Hudson unwillig. »Aber Sie müssen sich regelmäßig bei uns melden.«

»Ganz bestimmt, Roger.«

Am frühen Dienstagnachmittag besorgte sich Dana bei der Corniche Travel Agency ein Ticket für einen Hin- und Rückflug nach Moskau. Allzu lange werde ich ja hoffentlich nicht weg sein, dachte sie. Sie hinterließ eine Nachricht für Matt, in der sie ihm mitteilte, worum es ging.

Danach fuhr sie in ihre Wohnung. »Ich fürchte, ich muss noch mal weg«, sagte sie zu Mrs. Daley. »Es geht bloß um zwei, drei Tage. Passen Sie gut auf Kemal auf.«

»Machen Sie sich darüber mal keine Sorgen, Miss Evans. Wir kommen prima miteinander klar.«

Der Mieter, der nebenan vor dem Fernseher saß, wandte sich ab und griff rasch zum Telefon.

Das reinste Deja vu, dachte Dana, als sie sich tags darauf an Bord einer Aeroflot-Maschine nach Moskau begab. Wahrscheinlich mache ich einen schweren Fehler. Es könnte eine Falle sein. Aber wenn in Moskau jemand Bescheid weiß, erfahre ich womöglich, worum es geht. Sie lehnte sich zurück und machte es sich bequem.

Als sie am nächsten Morgen auf dem mittlerweile vertrauten Flughafen Scheremetjewo II landeten, holte Dana ihr Gepäck ab und begab sich zum Ausgang, wo ihr dichtes Schneetreiben entgegenschlug. Am Taxistand wartete bereits eine lange Schlange von Fluggästen. Dana stand im kalten Wind und war dankbar, dass sie einen warmen Wintermantel anhatte. Sie musste vierzig Minuten anstehen, und als sie endlich an der Reihe war, versuchte sich ein feister Mann vorzudrängen.