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»Was bewirkt es?«, fragte Dana.

»Es ist ein Beruhigungsmittel. Hilft gegen Anspannungen. Wenn man eine zu hohe Dosis davon nimmt, kann man natürlich müde und benommen davon werden.«

Er schläft. Soll ich ihn aufwecken?

Der Junge kam aus der Schule und war müde, deshalb hab ich gedacht, ein kleines Nickerchen würde ihm gut tun ...

Das war also die Erklärung dafür. Und es war Pamela Hudson gewesen, die Mrs. Daley zu ihr geschickt hatte.

Und ich habe Kemal diesem Miststück anvertraut, dachte Dana. Ihr drehte sich schier der Magen um

Sie wandte sich an die Apothekerin. »Vielen Dank, Coqui-na.«

»Gern geschehen, Miss Evans.«

Dana ging wieder hinaus auf die Straße. Die zwei Männer kamen auf sie zu. »Miss Evans, könnten wir kurz mit Ihnen -« Dana drehte sich um und rannte los. Die Männer waren ihr auf den Fersen, als sie die nächste Ecke erreichte. Mitten auf der Kreuzung stand ein Polizist und regelte den dichten Verkehr.

Dana rannte quer über die Straße auf ihn zu.

»He! Gehen Sie zurück, Miss.«

Dana lief weiter.

»Die Ampel ist rot! Haben Sie gehört? Zurück mit Ihnen!«

Die beiden Männer warteten an der Ecke und beobachteten alles.

»Sind Sie taub?«, brüllte der Polizist.

»Halten Sie den Mund!« Sie versetzte dem Polizisten eine schallende Ohrfeige. Wütend packte er Dana am Arm.

»Sie sind festgenommen, Ma’am.«

Er zerrte Dana auf den Gehsteig und hielt sie fest, während er in sein Funkgerät sprach. »Ich brauche einen Streifenwagen.«

Die beiden Männer standen da und schauten sich unschlüssig an.

Dana blickte zu ihnen und lächelte. Dann hörte sie Sirenengeheul, das rasch näher kam, und kurz darauf hielt ein Polizeiwagen vor ihnen an.

Ohnmächtig sahen die beiden Männer mit an, wie Dana auf den Rücksitz des Streifenwagens verfrachtet und abtransportiert wurde.

»Ich habe doch ein Recht darauf, ein Telefongespräch zu führen, stimmt’ s?«, fragte Dana, als sie auf dem Polizeirevier war.

»Stimmt«, sagte der Sergeant.

Er reichte Dana ein Telefon. Sie führte das Gespräch, das ihr zustand.

Etliche Straßenzüge weiter hielt ein Mann Kemal am Hemdkragen fest und zerrte ihn zu einer Limousine, die mit laufendem Motor am Straßenrand wartete.

»Bitte! Bitte lassen Sie mich los«, flehte Kemal.

»Halt den Mund, Kleiner.«

Vier Marineinfanteristen in Uniform gingen vorbei.

»Ich will nicht mit Ihnen in die dunkle Gasse gehen«, brüllte Kemal.

Verdutzt blickte der Mann Kemal an.

»Bitte bringen Sie mich nicht in die dunkle Gasse.« Kemal wandte sich an die Marines. »Er will mir fünf Dollar geben, wenn ich mit ihm in die Gasse gehe. Ich will aber nicht.«

Die Marines blieben stehen und starrten den Mann an. »Was, du dreckiger Perversling .«

Der Mann wich zurück. »Nein, nein. Einen Moment. Sie verstehen nicht .«

»Doch, sehr gut sogar, Freundchen. Nimm die Finger von dem Jungen.« Sie umringten den Mann. Abwehrend hob er die Hände, worauf sich Kemal schleunigst verzog.

In diesem Augenblick stieg ein Botenjunge vom Fahrrad, nahm das Paket, das er ausliefern sollte, und ging auf ein Haus zu. Kemal sprang auf das Fahrrad und trat wie wild in die Pedale. Hilflos musste der Mann mit ansehen, wie Kemal um die Ecke fuhr und verschwand. Die Marines rückten bedrohlich näher.

Die Tür von Danas Zelle auf dem Polizeirevier flog auf.

»Sie können gehen, Miss Evans. Sie kommen auf Kaution raus.«

Matt! Der Anruf hat doch etwas genützt, dachte Dana erleichtert. Er hat keine Zeit verloren.

Als Dana sich zum Ausgang begeben wollte, hielt sie erschrocken inne. Einer der Männer stand da und erwartete sie.

»Sie sind frei, junge Frau«, sagte er und lächelte Dana an. »Gehen wir.« Mit festem Griff packte er Dana am Arm und wollte sie auf die Straße führen. Als sie aus der Tür traten, blieb er verdutzt stehen. Ein Kamerateam von WTN wartete draußen.

»Schauen Sie hierher, Dana ...«

»Dana, stimmt es, dass Sie einen Polizisten geschlagen haben?«

»Können Sie uns sagen, was vorgefallen ist?«

»Hat er Sie belästigt?«

»Werden Sie Anzeige erstatten?«

Der Mann wich zurück, versuchte sein Gesicht zu verdek-ken.

»Was ist denn los?«, rief Dana. »Wollen Sie sich nicht filmen lassen?«

Er ergriff die Flucht.

Matt Baker tauchte neben Dana auf. »Nichts wie weg von hier.«

Sie saßen in Matt Bakers Büro im Verwaltungsgebäude von WTN. Seit einer halben Stunde hörten Elliot Cromwell, Matt Baker und Abbe Lasmann schweigend und erschrocken zu, während Dana berichtete, was ihr widerfahren war.

». und das FRA steckt ebenfalls mit drin. Deshalb wollte General Booster mich von meinen Recherchen abhalten.«

»Ich bin fassungslos«, sagte Elliot Cromwell. »Wie konnten wir uns nur so irren, was Taylor Winthrop angeht? Meiner Meinung nach sollten wir das Weiße Haus von diesen Vorgängen verständigen. Und von dort aus sollte man schleunigst das Justizministerium und das FBI einschalten.«

»Elliot«, sagte Dana, »bislang haben wir nichts in der Hand. Wenn es darauf ankommt, steht Roger Hudsons Wort gegen meines, und wem wird man Ihrer Meinung nach letztlich Glauben schenken?«

»Haben wir denn keinerlei Beweise?«, fragte Abbe Las-mann.

»Sascha Schdanoffs Bruder dürfte noch am Leben sein. Der packt bestimmt aus. Und sobald wir auch nur einen Ansatzpunkt haben, einen Faden, an dem wir ziehen können, löst sich alles von selber auf, und wir haben unsere Story.«

Matt Baker holte tief Luft und schaute Dana bewundernd an. »Sie lassen nicht locker, wenn Sie hinter einer Story her sind.«

»Matt«, sagte Dana. »Was wollen wir wegen Kemal unternehmen? Ich habe keine Ahnung, wo er stecken könnte.«

»Keine Sorge«, erwiderte Matt im Brustton der Überzeugung. »Wir werden ihn finden. Aber bis dahin müssen wir Sie irgendwo unterbringen, wo Sie garantiert niemand findet.«

Abbe Lasmann meldete sich zu Wort. »Sie können doch bei mir wohnen. Dort sucht Sie bestimmt keiner.«

»Vielen Dank.« Dana wandte sich an Matt. »Was Kemal angeht .«

»Wir setzen umgehend das FBI darauf an. Ich lasse Sie von meinem Fahrer zu Abbes Wohnung bringen. Wir übernehmen ab jetzt, Dana. Wir werden die Sache schon schaukeln. Ich rufe Sie an, sobald ich etwas höre.«

Kemal radelte die eisigen Straßen entlang, warf immer wieder ängstlich einen Blick nach hinten. Der Mann, der ihn geschnappt hatte, war nirgendwo zu sehen. Ich muss zu Dana, dachte Kemal voller Verzweiflung. Ich darf nicht zulassen, dass man ihr etwas antut. Aber das Studio von WTN lag am anderen Ende von Washington.

An einer Bushaltestelle stieg Kemal ab und warf das Rad ins hohe Gras neben der Straße. Als kurz darauf ein Bus kam, griff Kemal in die Hosentasche und stellte fest, dass er kein Geld hatte.

Er wandte sich an einen Passanten. »Entschuldigen Sie, hätten Sie vielleicht -«

»Verpiss dich, Kleiner.«

Kemal versuchte es bei einer Frau, die gerade vorbeikam. »Entschuldigen Sie, aber ich brauchte Geld für den Bus -« Die Frau ging einen Schritt schneller.

Zitternd stand Kemal in der Kälte, fror bitterlich ohne Mantel. Anscheinend scherte sich niemand darum. Ich muss das Fahrgeld auftreiben, dachte er.

Er riss seinen künstlichen Arm ab und legte ihn ins Gras. Als der nächste Mann vorbeikam, hielt Kemal den Stumpf hin. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er, »aber könnten Sie mir vielleicht ein bisschen Geld für den Bus geben?«