Dana folgte Cesar durch den langen Flur, wobei ihr all die unglaublichen Dinge durch den Kopf gingen, die sich ereignet hatten, seit sie zum ersten Mal hier entlanggegangen war. Dann standen sie vor dem Arbeitszimmer. Roger saß an seinem Schreibtisch und packte gerade einige Unterlagen zusammen.
»Miss Evans«, sagte Cesar.
Roger blickte auf. Dana sah Cesar nach, als er sich wieder verzog. Am liebsten hätte sie ihn zurückgerufen.
»Nun denn, Dana. Treten Sie ein.«
Dana ging hinein. Wutentbrannt wandte sie sich an Roger. »Wo ist Kemal?«
»Ach, der liebe Junge«, versetzte Roger Hudson.
»Die Polizei ist bereits unterwegs, Roger. Die sind jeden Moment hier. Wenn Sie uns irgendetwas antun -«
»Oh, ich glaube nicht, dass wir uns wegen der Polizei Sorgen machen müssen, Dana.« Er kam auf sie zu, und ehe Dana wusste, wie ihr geschah, hatte er ihre Handtasche an sich gerissen und untersuchte sie. »Pamela hat mir berichtet, dass Sie Pfefferspray besitzen. Sie haben Vorsorge getroffen, nicht wahr, Dana?« Er nahm die Dose, hob sie hoch und sprühte ihr das Pfefferspray mitten ins Gesicht. Sie schrie vor Schmerz auf.
»Sie wissen noch nicht, was wirkliche Schmerzen sind, meine Liebe, aber ich versichere Ihnen, dass Sie es noch erfahren werden.«
Dana liefen die Tränen über das Gesicht. Sie versuchte sie wegzuwischen. Roger wartete, bis sie fertig war, dann sprühte er sie wieder an.
Dana schluchzte auf. »Ich möchte Kemal sehen.«
»Selbstverständlich. Und Kemal möchte Sie sehen. Der Junge ist außer sich vor Angst, Dana. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so viel Angst hat. Er weiß, dass er sterben wird, und ich habe ihm klar gemacht, dass auch Sie sterben werden. Sie meinen, Sie wären schlau gewesen, nicht wahr, Dana? Tatsächlich aber waren Sie sehr naiv. Wir haben Sie benutzt. Wir wussten, dass irgendjemand in der russischen Verwaltung erfahren hatte, was wir tun, und damit an die Öffentlichkeit gehen wollte. Aber wir konnten nicht feststellen, wer es war. Aber durch Sie haben wir es herausgefunden, nicht wahr?«
Dana hatte wieder die blutigen Leichen von Sascha Schda-noff und seiner Freundin vor Augen.
»Sascha Schdanoff und sein Bruder Boris waren sehr schlau. Boris haben wir bislang noch nicht gefunden, aber wir werden ihn schon noch kriegen.«
»Roger, Kemal hat mit alledem nichts zu tun. Lassen Sie ihn -«
»Ich glaube nicht, Dana. Ihretwegen habe ich mir zum ersten Mal Sorgen gemacht, als Sie sich mit der armen, unglückseligen Joan Sinisi trafen. Sie hatte mitgehört, wie Taylor Winthrop über das russische Vorhaben redete. Er wollte sie nicht umbringen lassen, weil es zwischen ihnen eine Verbindung gab. Folglich hat er sie nur gefeuert. Als sie ihn daraufhin verklagte, weil ihrer Meinung nach kein gerechtfertigter Kündigungsgrund vorlag, ließ er sich auf einen Vergleich ein, unter der Bedingung, dass sie mit niemandem über diese Angelegenheit sprechen durfte.« Roger Hudson seufzte. »Folglich haben leider Sie den tödlichen Unfall zu verantworten, dem Joan Sinisi zum Opfer fiel.«
»Roger, Jack Stone weiß -«
Roger Hudson schüttelte den Kopf. »Jack Stone und seine Männer haben Sie auf Schritt und Tritt beobachtet. Wir hätten Sie jederzeit beseitigen können, aber wir haben abgewartet, bis Sie uns die nötigen Erkenntnisse besorgt hatten. Jetzt haben wir wirklich keine Verwendung mehr für Sie.«
»Ich möchte Kemal sehen.«
»Zu spät. Dem armen Kemal ist leider ein Missgeschick passiert.«
Dana schaute ihn erschrocken an. »Was haben Sie -«
»Pamela und ich haben uns gedacht, dass es am besten wäre, wenn man Kemals erbärmliches Leben mit einer Feuersbrunst beendet. Daher haben wir ihn zu seiner Schule gebracht. Ungezogen, wie er nun einmal ist, ist er sonnabends dort eingestiegen. Er ist gottlob so klein, dass er gerade noch durch das Kellerfenster passte.«
Sie war außer sich vor Wut. »Ihr unmenschlichen Ungeheuer. Damit kommt ihr nie im Leben durch.«
»Sie enttäuschen mich, Dana. Was sollen diese Phrasen? Ihnen ist offenbar immer noch nicht klar, dass wir bereits damit durchgekommen sind.« Er ging zu seinem Schreibtisch und drückte auf einen Knopf. Im nächsten Moment tauchte Cesar auf.
»Ja, Mr. Hudson.«
»Kümmern Sie sich um Miss Evans. Und sehen Sie zu, dass sie noch lebt, wenn sie den Unfall erleidet.«
»Ja, Mr. Hudson. Ich werde darauf achten.«
Er steckt auch mit ihnen unter einer Decke. »Roger, hören Sie doch -«
Cesar ergriff Danas Arm und wollte sie aus dem Arbeitszimmer führen.
»Roger -«
»Leben Sie wohl, Dana.«
Cesar griff fester zu und führte Dana den Flur entlang und durch die Küche zu einem Nebenausgang, wo eine Limousine bereitstand.
Der WTN-Hub schraub er näherte sich dem Anwesen der Hudsons.
»Sie können im Garten landen und -«, wollte Jeff gerade zu Norman Bronson sagen. Er stockte, als er nach unten schaute und Cesar sah, der Dana gerade in eine Limousine verfrachtete.
»Nein! Warten Sie einen Moment.«
Die Limousine rollte über die Auffahrt und stieß auf die Straße.
»Was jetzt?«, fragte Bronson.
»Hängen Sie sich ran.«
»Das wollen Sie doch gar nicht tun, Cesar«, sagte Dana, als sie in der Limousine saßen. »Ich -«
»Halten Sie den Mund, Miss Evans.«
»Cesar, hören Sie mir zu. Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben. Das sind Mörder. Sie aber sind ein anständiger Mann. Lassen Sie sich von Mr. Hudson nicht zu irgendetwas zwingen, das -«
»Mr. Hudson zwingt mich zu gar nichts. Ich mache das nur Mrs. Hudson zuliebe.« Grinsend blickte er Dana im Rückspiegel an. »Mrs. Hudson sorgt für mein Wohlbefinden.«
Dana schaute ihn fassungslos an. Ich muss das irgendwie verhindern. »Wohin bringen Sie mich?« »Zum Rock Creek Park.« Alles Weitere konnte sie sich denken. Er will mich dort umbringen.
Roger und Pamela Hudson, Jack Stone und Mrs. Daley waren in einem Kombi zum Washington National Airport unterwegs.
»Die Maschine steht bereit«, sagte Jack Stone. »Der Pilot weiß Bescheid, wie er nach Moskau kommt.«
»Gott, wie ich die Kälte hasse«, sagte Pamela Hudson. »Ich hoffe, das Miststück, wegen dem ich das hier durchmachen muss, schmort in der Hölle.«
»Was ist mit Kemal?«, fragte Roger Hudson.
»In zwanzig Minuten wird in der Schule ein Feuer ausbrechen. Der Junge ist im Keller. Er steht unter starken Beruhigungsmitteln.«
Dana wurde immer verzweifelter. Sie näherten sich dem Rock Creek Park, und der Verkehr ließ allmählich nach.
Der Junge ist außer sich vor Angst. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so viel Angst hat. Er weiß, dass er sterben wird, und ich habe ihm klar gemacht, dass auch Sie sterben werden.
»Er biegt ab, Jeff«, sagte Norman Bronson im Hubschrauber, der die Limousine verfolgte. »Sieht so aus, als ob er zum Rock Creek Park fährt.«
»Bleiben Sie dran.«
General Booster stürmte in sein Büro bei der FRA. »Was, zum Teufel, ist hier los?«, fragte er einen seiner Adjutanten.
»Wie schon gesagt, General. In Ihrer Abwesenheit hat Major Stone ein paar unserer besten Männer für irgendeine große Aktion mit Roger Hudson eingespannt. Sie haben Dana Evans aufs Korn genommen. Schauen Sie sich das an.«
Der Adjutant gab einen Befehl in seinen Computer ein, und kurz darauf tauchte eine Nacktaufnahme von Dana am Bildschirm auf, als sie im Hotel Breidenbacher Hof gerade unter die Dusche gehen wollte.
General Boosters Miene wurde noch verkniffener. »Herrgott!« Er wandte sich an den Adjutanten. »Wo ist Stone?«
»Er ist weg. Er will mit den Hudsons außer Landes fliegen.«
»Verbinden Sie mich mit dem National Airport«, blaffte General Booster.
Norman Bronson blickte aus dem Hubschrauber nach unten. »Sie fahren zum Park, Jeff«, sagte er. »Wenn sie erst mal dort sind, kriegen wir sie nicht mehr, weil wir wegen der Bäume nicht landen können.«