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Bei meiner ersten Kenia-Reise 1986

Der geschmückte Samburu-Krieger Lketinga 19S7

der Ferne das gewachsene Barsaloi

Flussbett bei unserer ehemaligen Wasserstelle

Ich schlürfe den heißen süßen Tee und fühle, wie ich langsam ruhiger werde. Dieser Tee löst in mir ein Heimatgefühl aus. Klaus findet ihn scheußlich und auch Albert zieht eine Wasserflasche aus dem Auto vor, während er mir wie der beste Champagner vorkommt. Häufig war dieses Getränk über Tage hinweg das einzige Nahrungsmittel, das uns zur Verfügung stand.

Draußen vor dem Eingang sitzen zwei jüngere Mädchen am Boden und ich frage Lketinga nach Napirais Halbschwester. Er dreht sich um und spricht zu den zwei Kindern. Eine der beiden kommt schüchtern in den Raum. Sofort erkenne ich eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner Tochter, vor allem um die Augen- und Stirnpartie. Lächelnd winke ich ihr zu, doch sie wagt sich nicht bis zu mir. Lketinga spricht in einem energischen Ton mit ihr und nun gibt sich das scheue Mädchen einen Ruck und begrüßt mich, ohne aufzublicken. Napirai war und ist bis heute auch eher ein scheues Kind. Ob das wohl an den Genen liegt? Shankayon hat die markante Nase ihres Vaters, während Napirai eindeutig die eher runde Nase ihrer afrikanischen Großmutter geerbt hat.

Lketinga erklärt, dass seine Tochter zur Schule geht und macht dabei eine leicht abschätzige Handbewegung.

Schule hat für ihn nichts mit dem richtigen Leben zu tun, und deshalb finde ich es bemerkenswert, dass er dennoch seinem bisher einzigen Kind hier in Afrika diese Möglichkeit bietet. Nach wie vor bestimmt nämlich der Vater, ob ein Kind zur Schule gehen darf, obwohl unter der neuen Regierung die Schulpflicht eingeführt wurde. Die hübsche Shankayon ist mit acht Jahren für ihr Alter sehr groß. Neben ihr hüpft die dreijährige Saruni vorbei und bestaunt uns unverhohlen und neugierig.

Ihr Vater James erzählt stolz, dass außer dem älteren Bruder die gesamte Familie hier im Kral zusammenlebt.

Selbst Mama sei von der anderen Seite des Dorfes, wo wir früher gelebt hatten, herübergekommen, um näher bei ihnen zu sein.

Überhaupt gebe es auf dem Hügel keine Manyattas mehr, sondern alle seien ins Dorf gezogen. Verwundert frage ich nach dem Grund. Da antwortet James lachend: „Du siehst doch, wie sich Barsaloi vergrößert und verändert hat. Heute haben wir hier im Dorf eine Wasserstelle, wo immer sauberes Trinkwasser aus einem Rohr fließt.

Niemand geht mehr den weiten Weg, um Wasser am Fluss zu holen.“

Ich kann nur immer wieder staunen, wie viel sich in den vierzehn Jahren getan hat. James deutet auf den Hof und zeigt uns ein kleines Gebäude aus Wellblech. „Das ist unser Bad und unsere Toilette“, erklärt er voller Stolz.

Wie ich später feststellen kann, ist die Toilette ein einfaches Stehklo und das Bad ist ein kahler Raum, in dem ein rotes Plastikwaschbecken am Boden steht. So einfach diese „Nasszelle“ auch ist, bin ich froh, nicht mehr im Busch verschwinden und anschließend noch das gebrauchte Toilettenpapier verbrennen zu müssen. Zwischen einer Akazie und dem Toilettenhäuschen hängt Wäsche zum Trocknen an einer Leine. Ja, von diesem Kral geht etwas Friedliches aus. James hat wirklich alles gut organisiert.

Lketinga unterbricht meine Gedanken, indem er fragt: „Weißt du, wie viele Shops jetzt hier sind?“ Ich schüttle den Kopf und schaue ihn erwartungsvoll an. „Vierzehn Shops, drei Metzgereien und eine Bierbar gibt es heute in Barsaloi, verrückt, oder?“ Das ist allerdings eine große Überraschung. War ich doch vor siebzehn Jahren die Erste, die einen vernünftigen Lebensmittelladen auf die Beine gestellt hatte. Wenn wir ausverkauft waren, gab es in ganz Barsaloi und Umgebung keine Möglichkeit, etwas zu erwerben. Zu hören, dass es heute immer genügend Lebensmittel gibt, freut mich sehr. Alles, was ich in der kurzen Zeit unseres Hierseins gesehen und gehört habe, vermittelt den Eindruck, dass das zwar nach wie vor karge und harte Leben wesentlich leichter geworden ist.

Sicherlich geht es auch meiner afrikanischen Familie durch die finanzielle Unterstützung unsererseits über all die Jahre hinweg um einiges besser als vielen anderen.

Als ob Lketinga meine Gedanken erraten hätte, schaut er mich an und sagt: „Really, das Leben ist jetzt viel besser. Vielleicht willst du ja wieder hier bleiben?“ Dabei lacht er und seine weißen Zähne blitzen. Etwas verlegen und doch schelmisch entgegne ich: „Du hast doch schon wieder eine junge Frau geheiratet. Wo ist sie denn?“ Sofort wird er ernst, macht eine unwillige Armbewegung und antwortet knapp: „I don't know — somewhere!“ Offensichtlich möchte er nicht über sie sprechen und deshalb wechsle ich das Thema.

Im Türrahmen lässt sich ab und zu der kleine zweijährige Sohn von James blicken. Zu Ehren meines Verlegers wurde er auf den Namen Albert getauft. Die Namensgleichheit jedoch scheint wenig Eindruck auf ihn zu machen, denn sobald ihn ein weißes Gesicht anschaut, weint er los oder rennt davon. Seine Schwester Saruni dagegen ist viel zutraulicher. In Etappen schleicht sie langsam auf mich zu. Sie ist so niedlich, dass ich sie am liebsten sofort auf den Arm nehmen möchte. Sie erinnert mich sehr an Saguna.

Stefania — mittlerweile haben wir erfahren, dass James' Frau so heißt — steht in dem schmalen Raum neben dem Eingang, der als Kochstelle dient. Unaufgefordert spricht sie nichts. In der „Küche“ befindet sich lediglich eine Feuerstelle, allerdings nicht am Boden wie normalerweise üblich, sondern etwas erhöht, so dass sie im Stehen kochen kann. Rund um die zementierte Kochstelle ist eine kleine Ablagefläche, links an der Wand hängen einige Töpfe, Tassen und Teller. Das Wasser steht in einem 20-Liter-Kanister am Boden.

James fragt, ob wir Hunger haben, doch Lketinga protestiert sofort energisch: „No, ihr müsst nachher eine Ziege essen. Ich schlachte die beste und größte für euch.“ Albert bemerkt, das müsse wirklich nicht sein, und verzieht als ehemaliger Vegetarier und Tierliebhaber sein Gesicht. Aber James erwidert bestimmt: „Doch, das muss sehr wohl sein. Was sollen denn die Leute denken, wenn wir zu deiner Rückkehr nicht die allerbeste Ziege schlachten!“ Beim Anblick der leicht betretenen Gesichter von Albert und Klaus muss Lketinga lauthals lachen.

Bis die Herde jedoch am Abend zurückkommt, wird es noch etwa zwei Stunden dauern. Diese Zeit sollten wir nutzen, um unsere Schlafplätze zu erkunden, bevor die jähe Dunkelheit hereinbricht.

Unser Lager

Wir marschieren zur nahe gelegenen Mission. Auf dem Weg muss ich ständig Hände drücken und höre immer wieder: „Mama Napirai! Supa! Serian a ge?“ Es ist wirklich beeindruckend, wie ich empfangen werde nach all den Jahren. In der Mission erkenne ich den Wachmann und eine Angestellte wieder. Wie wir bereits wussten, ist Pater Giuliani nicht mehr hier. Stattdessen begrüßt uns ein junger kolumbianischer Pater und heißt uns auf seinem Gelände herzlich willkommen. Natürlich hat er nichts dagegen, wenn wir unsere Zelte hier oben für ein paar Tage aufstellen. Er verwaltet die Mission seit ein paar Jahren und hat schon von der weißen Massai gehört.

Unsere Wagen werden auf das Missionsgelände gefahren und auf einer ebenen Fläche geparkt, da auf jedem Autodach ein Zelt errichtet wird. Die Fahrer beginnen sofort mit dem Aufbau und eine halbe Stunde später sind die Übernachtungsmöglichkeiten für meine Reisebegleiter geschaffen.

Als die Fahrer gerade dabei sind, ein Bodenzelt für mich aufzustellen, kommt Lketinga dazu. Mit großen Augen schaut er auf die Dachzelte und fragt irritiert: „What is this?“ Ich lache und erkläre ihm, dass dies die „Häuser“

für Albert und Klaus sind. Wie immer, wenn ihm etwas neu und ungewohnt vorkommt, schüttelt er den Kopf und brummt: „Crazy, really crazy! Wie kann man da oben nur schlafen?“ Vorsichtig steigt er an einer der beiden Leitern ein paar Stufen hoch und steckt den Kopf ins Zelt. Schon hören wir ein glucksendes Lachen und seinen belustigten Kommentar: „Yes, oh yes, das sieht wirklich gut aus!“