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Erschrocken bleibt sie geduckt im Eingang stehen und scheint sich nicht sicher zu sein, ob sie rückwärts wieder hinausgehen oder eintreten soll. Ich lächle sie an und sage: „Karibu!“ Vorsichtig geht sie um Mamas Platz herum und betritt neben der Feuerstelle das Kuhfell. Ich rücke zur Seite, um ihr Platz zu machen, und bin gespannt, was sie tun wird. Sie öffnet Lketingas Metallkiste und nimmt den Rock heraus, den ich für seine Frau — welche auch immer — mitgebracht habe. Neugierig befühlt sie den Stoff und beäugt die Größe, um ihn dann sofort wieder sorgsam zurückzulegen. Ich frage sie mit meinen dürftigen Maa-Kenntnissen, ob er ihr gefällt. Schüchtern und leise antwortet sie mit ja. Dann dreht sie sich um und will gerade die Hütte verlassen, als Lketinga hereinkommt.

Jetzt ist er es, der erstaunt schaut, dabei aber keinen Ton von sich gibt, weder zu mir noch zu seiner jungen Frau.

Diese macht sich so schmal wie möglich, um schnell die Manyatta verlassen zu können.

Ich muss ein Lächeln unterdrücken, als ich Lketingas ernstes Gesicht sehe. Er setzt sich neben dem Eingang auf einen kleinen Hocker vor das Feuer, greift nach einem Suppenlöffel und lädt ihn mit Fleisch voll. Spielerisch stoße ich mit meinem Löffel die Fleischstücke zurück in den Topf und protestiere: „No, das ist mein Essen, Mama hat es extra für mich gekocht!“ Lachend bettelt er: „Only a little bit — nur ein bisschen.“

Natürlich gönne ich ihm das Fleisch, kann es mir aber nicht verkneifen, ihn auf seine Frau anzusprechen, und frage etwas scheinheilig wie nebenbei: „Das war doch gerade deine neue Frau, oder?“ Er wird ernst und sagt:

„Yes, hast du damit ein Problem?“ Ich verneine und frage stattdessen: „Wieso sprichst du nicht mit ihr oder schaust sie nicht wenigstens an?“ „Warum soll ich als Mann meiner Frau zuerst Jambo sagen? Sie hat mich noch nie gegrüßt und deshalb grüße ich sie auch nicht! Sie soll zuerst reden, dann spreche ich vielleicht auch mit ihr!“

Er sagt dies so überzeugt, dass ich trotz aller Tragik, die sich dahinter verbirgt, loslachen muss. Etwas verunsichert beginnt auch mein Ex-Mann zu lachen und erklärt, dass das normal sei. Ich versuche ihm klar zu machen, dass diese Form der Sprachlosigkeit noch Monate dauern könnte und es doch besser für beide wäre, wenn sie allmählich miteinander reden würden. Sicher kenne er sie noch gar nicht richtig. Doch, entgegnet er, er habe mit den Eltern gesprochen und sich im Dorf über sie erkundigt. Er wisse viel über seine Frau. Ich erfahre, dass sie aus dem Dörfchen vor Maralal stammt, in dem mir die vielen Plastiktüten an den Büschen aufgefallen sind. Das bedeutet, dass sie ihr ehemaliges Zuhause selten oder vielleicht sogar nie mehr sehen wird, geht es mir durch den Kopf. Ich frage ihn, wie denn diese Ehe gelebt werden könne, wenn sie nicht miteinander sprechen oder lachen? Er erwidert: „Yes, that's crazy! Aber ich spreche sie nicht zuerst an, ich bin doch keine Frau!“

Lachend fügt er hinzu: „Vielleicht heirate ich dich ja noch einmal?“ Etwas irritiert und verlegen lache ich mit, weil das hier in komischen Situationen das Beste ist.

In diesem Moment fallen mir die Eier ein, die ich draußen auf James' Motorrad gelegt hatte, und etwas schuldbewusst denke ich an meine hungrigen Mitreisenden. Wir verlassen die Hütte und schlendern zur Mission.

Im Camp wird gerade Tee und Kaffee gekocht und Albert, Klaus und unsere beiden Fahrer freuen sich über die mitgebrachten Eier, die heute neben ein paar Nüssen und aufgeweichten Chips ihr ganzes Frühstück sind. Als sie sich über meine Enthaltsamkeit wundern, erzähle ich, wie gut es mir in Mamas Manyatta ergangen ist.

Nach dem spärlichen Frühstück gehen wir mit Lketinga zum Kral zurück. Wir treffen auf James, der gerade dabei ist, die kleine Manyatta für die Zicklein mit einer Spraydose gegen Ungeziefer zu desinfizieren. Wieder etwas, das es zu meinen Zeiten noch nicht gab! Während wir uns unterhalten, kommt Lketingas Schwester aus Mamas Manyatta und begrüßt mich wieder überschwänglich. Als Lketinga barsch und energisch auf sie einredet, läuft sie weg. Ich erkundige mich, worum es gerade ging. Lketinga erklärt mit ärgerlicher Gestik: „Gestern Abend war meine Schwester betrunken. Ich will das nicht und ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte.“

Sofort erinnere ich mich an das Geld, das ich ihr und Mama gegeben habe, und fühle mich mitschuldig.

Gespräche in der Manyatta

James hat sich in der Zwischenzeit die Hände gewaschen und nun kriechen er und ich in Mamas Hütte und setzen uns auf das Kuhfell. Er wird die Rolle des Übersetzers übernehmen und deshalb ist es gut, wenn er in meiner Nähe bleibt. Klaus folgt uns und setzt sich auf den kleinen Hocker neben der Feuerstelle. Lketinga lässt sich neben dem Eingang nieder, während Albert nach der Begrüßung wieder außerhalb der Hütte im Schatten Platz nimmt. Dort kann er alles genauso gut hören wie drinnen, da eine Manyatta nicht aus richtigen Wänden besteht, sondern lediglich einen Sichtschutz bietet.

Mama schaukelt wie immer das Baby von James, während sie uns begrüßt. Heute trägt sie einen der neuen Röcke. James beginnt das Gespräch, indem er ihr erklärt, dass ich sie noch einiges fragen möchte. Sie schaut mich an und bekundet ihr Einverständnis. Als Erstes möchte ich gerne wissen, was sie empfunden hat, als James ihr mitteilte, dass ich auf Besuch komme. Mama antwortet: „Ke supati pi — sehr schön! Ich habe mich sehr gefreut, aber wie alle anderen konnte ich es nicht recht glauben. Niemand hier im Dorf hat gedacht, dass du nach so langer Zeit wieder zurückkommst. Das nächste Mal aber bringst du Napirai mit, meine kleine Napirai.“

Ich muss lachen, denn meine Tochter ist mittlerweile größer als ich. Doch für Mama bleibt sie die Kleine, so wie sie Napirai zum letzten Mal gesehen hat. Dann fügt sie hinzu, dass es für alle gut sei, mich nach so langer Zeit wiederzusehen. Lketinga nickt und bestätigt sie mit den Worten: „Really, this is very good! Aber niemand hat es geglaubt. Alle Frauen haben nach der Ankunft eures ersten Wagens gesagt: Da stimmt etwas nicht und Mama Napirai kommt doch nicht, wir haben es ja gewusst!“ Dabei schüttelt er schmunzelnd den Kopf. Als James dann noch den Spruch „Only a Queen is mo-ving in this way“ wiederholt, brechen wir alle, sogar Mama, in Gelächter aus.

Klaus erkundigt sich, wie es war, als ich damals nach Barsaloi kam und sie mich zum ersten Mal sah. Mamas Gesicht ist ernst, als sie nach kurzem Überlegen sagt: „Ich hatte einfach nur Angst.“ Ich frage nach, wovor sie Angst hatte. James übersetzt so gut es geht: „Weil eine Weiße etwas Unbekanntes für mich war. Ich dachte, wie soll ich mit ihr sprechen, wenn sie mich nicht versteht? Wer ist sie überhaupt? Ich weiß nichts über sie. Sie ist sicherlich ein anderes Zuhause gewöhnt und jetzt kommt sie hierher und möchte bei uns in einer Rauchhütte leben. Wir haben fast nichts zu essen, trinken stattdessen Milch mit Blut. So viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, dass ich einfach Angst hatte. Ich dachte auch, was kann diese Weiße für mich tun? Jede Frau meiner Söhne ist wie ein Kind für mich. Ihre Sorgen sind auch meine Sorgen und umgekehrt. Bei dir, fürchtete ich, würden die Sorgen noch größer sein. Ich glaubte, du könntest mir kein Feuerholz, Wasser und Essen besorgen, weil du eine Weiße bist. Wer sollte meine Kleider waschen und meine Arbeit erledigen — doch nicht diese Mzungu? Im Gegenteil, wir würden das alles für dich auch noch tun müssen. Ich sah zuerst einfach nur Probleme. Andererseits wusste ich von Lketinga, dass du den weiten Weg von Mombasa gekommen bist, um ihn zu sehen. So musste ich dir auch eine Chance geben — und du bist geblieben. Und du hast hart gearbeitet. Du hast für mich gesorgt und Feuerholz und Wasser gebracht, besser als jedes Kind vor dir. Du hast mir Essen gebracht, wann du konntest, und es ging mir gut. So ist meine Liebe zu dir langsam gewachsen.“