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„The White Massai“ versehen ist. Klaus kennt die Insassen, denn sie gehören zum Filmteam, und lässt sich von ihnen den Weg beschreiben. Einige Kilometer weiter entdecken wir mitten in der Steppe ein Schild mit einem Pfeil und der Aufschrift „White Massai Location“. In meine bangen Erwartungen schleicht sich beim Lesen dieser Worte nun doch ein gewisses Gefühl des Stolzes ein. Nach zweimaligem Durchqueren des mächtigen Wamba-Rivers, der glücklicherweise noch kein Wasser führt, befinden wir uns kurze Zeit später vor der Einfahrt des Camps. Das Areal ist umzäunt und wird von Wachmännern geschützt. Hinein kommt nur, wer eine Erlaubnis hat. Vor der Barriere stehen viele Frauen und Männer. Die meisten von ihnen tragen die traditionelle Samburu-Kleidung. Einige haben kleine Stände aufgebaut und bieten für die zahlreichen Mitarbeiter des Filmprojekts Souvenirartikel an. Nachdem die Autos ordentlich geparkt wurden, betrete ich nun — zum ersten Mal überhaupt — ein Filmset, und dabei geht es noch dazu um meine eigene Lebensgeschichte! Fast kann ich es nicht glauben!

Als Erstes erblicke ich eine richtige Zeltstadt. Links und rechts eines lang gestreckten Areals stehen Hauszelte in Reih und Glied mit jeweils exakt gleichen Abständen dazwischen. Man erkennt sofort, dass hier deutsche Genauigkeit am Werk war. Jedes Zelt sieht wie ein Häuschen mit Vordach aus. Dahinter stehen in etwas größerem Abstand mit Plastikbahnen verkleidete, ungefähr mannshohe Gestelle, die sich als Duschen und Toiletten erweisen. Der erste Eindruck verschlägt mir die Sprache und ich kann nur staunen, welch ein enormer Aufwand notwendig ist, um mein damaliges Leben nachzuspielen, ein Leben, in dem ich nahezu nichts besaß außer einem „Kuh-Badenhäuschen“.

Das Zeltdorfliegt wunderschön zwischen zwei Hügeln eingebettet. In der Ferne schimmern die Berge. Wir werden zum Informationszelt geleitet, das mit modernem Hightech ausgestattet ist. Auf Schreibtischen stehen Laptops und Computer, an denen gearbeitet wird. Überall sind Handys an Aufladegeräten angeschlossen und ich freue mich darauf, endlich wieder einmal mit meiner Tochter in Kontakt treten zu können. Sicherlich wartet sie schon ungeduldig und mit gemischten Gefühlen auf ein Lebenszeichen ihrer Mutter.

Den wenigen im Augenblick Anwesenden stellen wir uns vor. Da es Mittagszeit ist, sind die meisten beim Essen oder schon wieder am Dreh. Weil hier offensichtlich alles general-stabsmäßig organisiert ist, bekommt jeder von uns eines der hübschen Zelte zugeteilt, während die für uns zuständigen Personen über unsere Ankunft informiert werden. Bis zu deren Eintreffen wollen wir uns den Pistenstaub abduschen. Ich betrete das mir zugewiesene Zelt und bin begeistert. Da steht tatsächlich ein richtiges Bett, mit frischer Bettwäsche und weißen Frotteetüchern — unglaublich luxuriös nach den letzten Tagen. Ein Tischchen mit Stuhl und ein kleiner Schrank machen die Einrichtung komplett.

Vor dem Zelt taucht ein Afrikaner auf und fragt, ob ich warmes Wasser zum Duschen möchte. Bei etwa vierzig Grad Außentemperatur verzichte ich auf vorgewärmtes Wasser, lasse mir aber dennoch die Dusche erklären. Sie ist sehr originelclass="underline" Man schlüpft in die schmale und hohe Plastikverkleidung hinter dem Zelt und steht unter einem Brausekopf, an dem eine Schnur befestigt ist. Wenn man daran zieht, funktioniert es wie bei einer Toilettenspülung. Das Wasser, warm oder kalt, je nachdem wie man es bestellt hat, wird vorher in einen Tank oberhalb der Konstruktion eingefüllt. In der anderen Hälfte der Plastikverkleidung befindet sich die Toilette. Sie funktioniert zwar nach dem Plumpsklo-System, da es keine Wasserspülung gibt, ist aber sehr hygienisch ausgestattet. Alles ist sehr einfach und praktisch.

Nach dem erfrischenden Wasserkontakt bin ich froh, wieder einmal Hosen anziehen zu können. Kaum bin ich fertig, ertönt erneut eine Stimme vor dem Zelt: „Madame, your lunch please.“ Ich öffne den Reißverschluss und glaube zu träumen. Ein lächelnder Boy hält mir ein Tablett mit Silberhaube entgegen. Ich setze mich an mein Tischchen und staune über das, was ich unter der Haube vorfinde: eine Vorspeise, ein Hauptgericht, ein Dessert und verschiedene Früchte — alles wunderschön dekoriert. Natürlich genieße ich jeden einzelnen Bissen. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Einstellung zum Essen verändert, sobald man sich eine Zeit lang einschränken und auf einiges verzichten muss. Ich kenne dieses Phänomen allzu gut aus meinen Hungerzeiten in Barsaloi. Da hatte ich zwar Geld, aber keine Möglichkeit, auch nur die einfachsten Lebensmittel zu kaufen, weil die Flüsse für Wochen nicht mehr passierbar waren und es deshalb einfach nichts gab. Doch jetzt, in dieser Minute, komme ich mir vor wie auf einer Luxussafari.

Nach der köstlichen Mahlzeit treffe ich auf Albert, der bereits mit dem Produzenten Günter Rohrbach zusammensitzt. Wir begrüßen uns sehr herzlich und er befragt mich nach meinen ersten Eindrücken. Zunächst könne ich mich ja nur über den Mzungu-Teil äußern, da ich vom Drehort noch nicht viel mitbekommen habe, erkläre ich ihm lachend. Er ist sofort bereit, uns noch heute den Kral zu zeigen, und morgen werden wir das nachgebaute Barsaloi besichtigen. Nach wenigen Minuten Autofahrt erreichen wir den bereits vor einigen Monaten eigens für den Film erstellten Kral. In ihm leben seitdem traditionelle Samburu-Familien, die in dem Film mitwirken. Was ich hier sehe, beeindruckt mich stark. Alles ist haargenau nachgestellt. Die Manyattas sehen aus wie die von Mama in Barsaloi.

Da die Samburu hier tatsächlich leben, ist auch das Alltagsleben authentisch. Überall sitzen Mütter mit ihren Kleinkindern vor den Hütten. Die einen säubern die Kinder, andere waschen ihre Kangas. An der Dornenumzäunung hängen verschiedene Kleidungsstücke zum Trocknen. Das ist für mich im ersten Moment der einzige erkennbare Unterschied: Kinder und Erwachsene tragen sehr saubere Kleidung. Wahrscheinlich liegt der Grund darin, dass sie das Wasser, das täglich in großen Lastwagen für das Filmteam angefahren wird, mitbenutzen können.

Ansonsten sieht das Manyattadorf aus, als lebten diese Menschen schon seit Jahren hier. Jedes Detail stimmt. Ich bin unglaublich froh, dass nichts verfälscht wurde. Immer wieder kommen uns schön geschmückte Mädchen entgegen. Dabei fällt mir sofort auf, dass sie sich neuerdings zum Schmücken bunte Plastikblumen anstelle von Vogelfedern auf den Kopf stecken. Für mich sieht es komisch aus, für sie jedoch ist Plastik in dieser Form ein neues Material, das für die Mädchen und Krieger etwas Besonderes und Luxuriöses bedeutet.

Wir schlendern durch den Kral und werden von den Bewohnern interessiert oder leicht amüsiert beobachtet. Sie wissen nicht, dass ich diejenige bin, die einmal so mit ihrem Stamm lebte, und deshalb diese Geschichte hier nachinszeniert wird. Nach einer Weile stehen wir vor einer etwas größeren unbewohnten Hütte. Wie ich höre, wird sie für die Innenaufnahmen benutzt. Sie stellt meine ehemalige Manyatta dar. Natürlich muss ich sofort hineinschlüpfen und stelle fest, dass auch hier alles mit Sorgfalt und detailgetreu eingerichtet wurde. Nach diesen Eindrücken bin ich überzeugt und ein wenig auch mit Stolz erfüllt, dass mit diesem Film die einzigartige Kultur der Samburu, die es in dieser Form vielleicht nicht mehr allzu lange geben wird, gezeigt und festgehalten wird.

Zur Teezeit stehen wir schon wieder vor einem üppigen Angebot von Säften, Tee, Kaffee und verschiedenen Häppchen.

Wir sind es gar nicht mehr gewöhnt, alle Naselang etwas vorgesetzt zu bekommen, genießen es jedoch in vollen Zügen. Allmählich spricht es sich im Camp herum, dass die „echte“ weiße Massai angekommen ist. Jemand begrüßt mich freudig mit den Worten: „Schön, dass ich Sie persönlich kennen lernen kann. Sie haben ein außergewöhnliches Leben geführt, ich bewundere Sie. Ohne ihren damaligen Mut wären wir heute alle nicht hier und wahrscheinlich nie in diese herrliche Gegend mit den wunderbaren Samburu gekommen. Vielen Dank dafür.“ Ich bin gerührt und weiß natürlich nicht, was ich darauf antworten soll.