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Mit den anderen zwei Mädchen steht sie hinter ihrer halbfertigen Manyatta. Ich strecke ihr meine Hand entgegen und begrüße sie mit „Supa“. Sie kichert verlegen und versteckt ihr Gesicht zur Hälfte hinter einer Hand. Der Mann redet mit ihr und daraufhin reicht sie mir schüchtern die Hand. Ich bin wahrscheinlich der erste weiße Mensch, den sie berührt. Ihr volles Gesicht wirkt noch sehr kindlich. Während ich die anderen beiden jungen Mädchen begrüße, erklärt mir der „Informant“, dass auch sie bereits verheiratet sind.

jetzt bin ich wirklich erschüttert. Das eine Mädchen ist mindestens einen Kopf kleiner als Lketingas Frau und scheint noch nicht einmal zwölf Jahre alt zu sein. Als ich mein Entsetzen mitteile, lacht der Mann und sagt: „Ja, es ist verrückt, aber sie gehört diesem Mann da.“ Dabei zeigt er in eine bestimmte Richtung. Doch bevor ich den Mann ausmachen kann, sehe ich Lketinga wütend auf uns zukommen. Noch während ich überlege, warum und wieso, schimpft mein Ex-Mann bereits los. Auch an seine Frau richtet er scharfe Worte, worauf sie sich scheu entfernt. Ich versuche ihn zu beruhigen und erkläre ihm, dass ich mich gefreut habe, seine Frau kennen zu lernen. Doch er hört nicht zu, sondern verlangt nachdrücklich, dass ich nicht mehr mit ihr spreche, weil das nicht gut sei. Irritiert ziehe ich mich in James' Haus zurück, damit ich nicht noch mehr anrichte, was Lketinga verärgern könnte.

James unterhält sich mit Albert und Klaus. Seine Frau steht etwas abseits. Saruni klebt natürlich am Papa, nur Little Albert ist nirgendwo zu sehen. Als wir nachfragen, legt James einen Finger auf seinen Mund und sagt:

„Hört jemand ein Glöckchen bimmeln?“ Alle lauschen und bald ist klar, Little Albert spielt noch draußen im Dunkeln. Wir lachen herzlich, als uns James erzählt, dass der Kleine bei solchen Anlässen ein Fußglöckchen trägt, damit er schneller zu finden ist.

Stefania holt einen großen Topf mit Fleischstücken und stellt ihn auf den Tisch. Jeder greift zu und James ist bemüht, uns auf die besten Stücke aufmerksam zu machen. Nun knabbern auch wir das Fleisch von den Ziegenknochen. Dazu gibt es Reis mit Bohnen.

Etwas später gesellt sich auch Papa Saguna zu uns und lädt sich seinen Teller voll. Er setzt sich nie auf einen Stuhl, sondern geht in die Hocke und lehnt sich in dieser Haltung an die Wand. Normalerweise ist er sehr still, doch wenn er einmal spricht, wird er äußerst lebendig. Im Moment scheint er aufregende Dinge über die Festvorbereitungen zu berichten. Am Ende seiner Erzählung spuckt er wie zur Bekräftigung auf den Boden.

Jeder weiß noch etwas Lustiges zu berichten und es herrscht eine heitere Stimmung im Haus. Klaus und Albert erklären bereits nach einigen Stückchen Fleisch, satt zu sein, und ernten bei den erstaunten Brüdern dafür lautes Gelächter.

Als wir von unserem Besuch bei Pater Giuliani erzählen, fällt mir mein kleiner Rekorder ein. Während der Messe hatte ich die wunderschönen Gesänge aufgenommen. Nun schalte ich das Gerät ein und alle lauschen neugierig.

Die aufgeweckte Saruni kommt sofort zu mir, drückt es entzückt an ihr Ohr und beginnt, begeistert zur Musik mitzuwippen. Sogar ihren scheuen Bruder Little Albert kann sie herbeilocken, bis auch er sich das Kästchen ans Ohr halten lässt und seine Augen immer größer und runder werden. Erheitert schauen wir den beiden zu.

Nur Lketinga wirkt ernst und sagt kaum etwas. Ich glaube zu spüren, dass er sich schon mit dem Abschied befasst, denn er beobachtet mich ständig und intensiv. Unvermittelt fragt er: „Um welche Zeit geht ihr morgen?“! „Wenn wir alles eingepackt haben, besuchen wir den Pater, um uns zu verabschieden, und danach kommen wir in den Kral und trinken noch einmal Chai mit Mama.“ „Okay, no problem, Mama möchte euch segnen und Enkai mit auf den Weg geben. Und ich werde euch nach Maralal begleiten.“ Ich bin überrascht und erfreut, denn so können wir den Abschied wenigstens in Etappen vollziehen.

Stefania hat sich mittlerweile mit den Kindern in den Schlafraum zurückgezogen. Bald treten auch wir den Weg zur Mission an, da alle müde sind. Lketinga begleitet uns bis zum Missionstor und wünscht uns eine gute Nacht.

Wie jeden Abend sitzen wir eine Weile auf den Camping-stühlen und reden über unsere Eindrücke vom heutigen Tag. In gewisser Weise finden wir alle, dass dem Abend etwas Festliches gefehlt hat. Den Gästen jedoch scheint es, wie uns mehrfach beteuert wurde, gut gefallen zu haben.

Dann beraten wir den weiteren Ablauf unserer Reise. Albert muss in Richtung Nairobi aufbrechen, da er von dort in zwei Tagen seinen Rückflug antreten will, während ich noch eine weitere Woche in Kenia bleiben werde.

Weil ein weiterer Besuch beim Filmset nicht sinnvoll erscheint und noch mehr Regen droht, beschließen wir, morgen gemeinsam nach Nairobi zu fahren. Nur das Spital in Wamba möchte ich unbedingt noch besuchen. Hier wurde ich mehrmals aufgenommen und erfolgreich behandelt, als mein Leben an einem seidenen Faden hing, und auch meine geliebte Tochter Napirai kam in diesem Krankenhaus zur Welt. Ich möchte ihr von dort ein paar Fotos mit nach Hause bringen. Immerhin war sie das erste Mischlingskind, das in Wamba geboren wurde. Meine 178

Begleiter verstehen mein Anliegen und so wird eine Route nach Nairobi ausgesucht, die über Wamba führt.

Nächtlicher Tanz

Während wir noch unsere Pläne schmieden, vernehmen wir erst leise, dann immer lauter Singen und Klatschen.

Es hört sich nach einem Kriegertanz an und scheint ganz in der Nähe zu sein. Meine Müdigkeit ist wie weggeblasen. Ich schlage vor, uns auf die Suche zu begeben, damit Albert und Klaus auch einmal einen solchen Tanz miterleben können. Ich wickle mir eine dunkle Decke um den Körper, damit ich nicht friere und etwas getarnt bin. Schließlich wollen wir nicht stören. Doch als wir im Dunkeln das Tor des Missionsgeländes erreichen, stellen wir zu unserem Erstaunen fest, dass es abgeschlossen ist. Wir wussten gar nicht, dass wir nachts immer eingeschlossen wurden. Enttäuscht will ich mich zu unseren Zelten zurückbegeben, als in Albert offensichtlich der Krieger erwacht und er trotz später Stunde an die Haustüre der Mission klopft. Tatsächlich wird für uns nochmals geöffnet, damit wir den Tanz nicht verpassen. Früher habe ich viele dieser Tänze miterlebt und war jedes Mal völlig verzaubert, wenn die schlanken, graziösen Männer in die Höhe sprangen, stampften und dabei gesungen und rhythmisch geklatscht wurde.

Wir laufen durch das vom Mondschein erhellte Dorf, immer dem Gesang nach. Nach einigen Minuten erreichen wir die Ebene, wo sich eine kleine Gruppe versammelt hat. Wir setzen uns unter eine Akazie, damit wir nicht gleich erkannt und als störend empfunden werden. Nur wenige junge Männer und Mädchen sind anwesend.

Schnell erkenne ich, dass es sich um Boys, um unbeschnittene Jungen handelt, die noch keine Krieger sind.

Diese Tatsache könnte morgen zwar zu Diskussionen führen, weil es sich nict gehört, dass ich als „verheiratete“ Frau eines ehemaligen Kriegers unbeschnittenen Boys beim Tanzen zusehe, aber ich bin vom Zauber des Tanzes schon zu sehr gefangen. Auch Albert und Klaus sind von dem Schauspiel fasziniert.

Ich erinnere mich an die aufregende Zeit, als Lketinga noch ein starker, schöner Krieger war. Er als der größte von allen sprang meistens am höchsten. Dabei flatterte seine lange rote Haarpracht im Wind. Nach stundenlangem Tanzen sahen die Krieger wild und unnahbar aus. Einige fielen manchmal sogar in eine Art Trance. Diese Boys hier sind von solchen Zuständen noch weit entfernt, da sie gerade erst mit dem Tanz begonnen haben.