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Klaus wohnt in einer ruhigen Gegend, die sich nur etwas wohlhabendere Leute leisten können. Die Wohnblocks sind mit Mauern und Stacheldraht umgeben. Hinein kommt hier nur, wer den beiden Wachleuten bekannt ist. Im Gebäudetrakt befinden sich außerdem ein Fitnesscenter, ein Restaurant und ein Schönheitssalon. Die Vorstellung, erst Wachmänner passieren zu müssen, bevor ich in ein Fitnesscenter gehen könnte, erscheint mir äußerst merkwürdig. Später stelle ich fest, dass sogar ganz normale Restaurants eingezäunt und bewacht sind.

Früher waren nur Villen in dieser Form abgesichert. Nairobi scheint noch viel gefährlicher geworden zu sein, als es zu meiner Zeit ohnehin schon war. Niemand läuft abends zum fünf Minuten entfernten Restaurant. Wer es sich leisten kann, fährt jeden Meter im geschlossenen Wagen.

Solch ein Leben würde ich nicht führen wollen. Man ist der Sklave seines Besitzes. Da lebte ich doch lieber in Barsaloi, sozusagen unter freiem Himmel, besaß fast nichts und musste deshalb auch nichts bewachen lassen.

Geschützt haben wir uns nicht vor Räubern, sondern vor Löwen und Hyänen.

Als wir zum vereinbarten Zeitpunkt beim Lokal eintreffen, erleben wir, wie Giuliani gerade auf einem Motorrad angebraust kommt. Sein Helm könnte aus der Vorkriegszeit stammen und zum ersten Mal sehe ich ihn in „normaler“ Kleidung: lange Hosen, Pullover und geschlossene Schuhe!

Da sich in unserer Begleitung ein älteres englisches Paar befindet, das in der kenianischen Filmindustrie eine wichtige Rolle spielt, bleibt es nicht aus, dass wir bald über das Filmprojekt „Die weiße Massai“ reden. Pater Giuliani ist interessiert, wer seine Rolle im Film spielt. Lachend und mit erhobenem Zeigefinger droht er:

„Wehe, der Typ entspricht mir nicht oder ihr verdreht Tatsachen, dann finde ich euch überall auf der Welt!" Alle brechen in lautes Gelächter aus. Mit dem Namen des Schauspielers kann er nicht viel anfangen. Wie auch! Er besitzt seit Jahrzehnten keinen Fernseher und hätte dort, wo er lebt, auch keinen Empfang. Also muss er warten, bis der Film auf Video erhältlich ist. Vielleicht aber gibt es in einem Kino in Nairobi eine Kenia-Premiere, das wäre ja möglich. Er und James wären wahrscheinlich gerne dabei, bei Lketinga bin ich mir allerdings nicht so sicher.

Leider vergehen die zwei Stunden viel zu schnell und wir müssen zum Flughafen aufbrechen, um Albert zu verabschieden. Am Flughafen überkommt mich Heimweh nach meiner Tochter. Ich vermisse sie sehr. Aber es gibt noch einige Orte und Menschen, die ich auf meiner „Reise in die Vergangenheit“ unbedingt aufsuchen möchte.

Flying Doctors

Als Erstes steht der Besuch bei der Hilfsorganisation AMREF auf dem Programm. Den Flying Doctors verdanken außer mir noch unzählige andere Menschen in Afrika ihr Leben. Darüber hinaus bemüht sich die Organisation seit fast fünfzig Jahren durch eine Vielzahl von Aktivitäten und konkreten Projekten einen flächen deckenden Basisgesundheitsdienst zu ermöglichen. Mit meinem Besuch möchte ich mich nicht nur nach über fünfzehn Jahren direkt vor Ort für meine Rettung bedanken, sondern auch dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen von der hervorragenden Arbeit von AMREF erfahren.

Als Klaus und ich am nächsten Morgen dort eintreffen, werden wir freundlich und erwartungsvoll begrüßt.

Einige fragen mich, wann denn endlich meine Geschichte in englischer Sprache erscheint. Ich bin froh, mitteilen zu können, dass endlich ein englischer Verlag gefunden wurde, der das Buch 2005 herausbringen will. Wir werden zum Büro der Leiterin des Flugdienstes begleitet. Bei dem anschließenden Gespräch staune ich, was diese Organisation in ganz Afrika auf die Beine gestellt hat.

Ursprünglich bekannt geworden sind sie eigentlich durch die „Flying Docrors“. Man weiß, dass ihre Piloten in die entlegensten Buschregionen fliegen können. So wurde auch ich damals in letzter Minute mit einem ihrer Flugzeuge von Barsaloi nach Wamba gebracht.

Hier in Nairobi haben sie unter anderem in dem größren Slumgebiet ein Krankenhaus aufgebaut und saubere Wasserstellen und Toiletten errichtet. Das Angebot, ihre Arbeit vor Ort zu besichtigen, nehme ich gerne an. Wir vereinbaren einen Termin für den nächsten Tag. Einen Besuch in den Slums, wo die Ärmsten der Armen leben, müsse allerdings gut vorbereitet werden. Als Weißer dort einfach herumzuspazieren, sei nicht empfehlenswert.

Raub, Totschlag und Mord seien an der Tagesordnung. Für die Besichrigung müsse ein speziell gekennzeichneter Wagen mit einem Fahrer, der sich auskennt, organisiert werden. Außerdem müsse das Hospital zuvor informiert werden.

Unserer Bitte, den Hangar aufzusuchen, damit Klaus ein Erinnerungsfoto von mir mit meinem Rettungsflugzeug machen kann, steht nichts entgegen. Auf dem Weg dorthin schließt sich uns die Frau an, die uns morgen in den Kibera-Slum begleiten wird. Zu viert gehen wir zum Hangar. Leider steht in der Halle nur eine große Maschine, da die kleinen alle im Einsatz sind. Doch als wir auf das Rollfeld schauen, entdecken wir etwas abseits ein kleines Flugzeug, das dem ähnelt, mit dem ich damals todkrank aus dem Busch geholt wurde. Klaus als Profi sieht natürlich sofort, dass dort das Licht für Film und Fotos wesentlich besser wäre. Das Flugzeug steht etwa zwanzig Schritte von uns entfernt. Allerdings ist es verboten, das Rollfeld zu betreten. Außer von AMREF wird der kleine Wilson-Flughafen auch von den Sportmaschinen der Safariunternehmen und von Privatfliegern genutzt.

Da momentan kein Betrieb herrscht, fragen die AMREF-Frauen einen Polizisten, der sich in der Nähe aufhält, ob wir fünf Minuten neben dem Flugzeug filmen und fotografieren dürften. Normalerweise brauchte man hierfür eine offizielle Erlaubnis, die man nach einer schriftlichen Antragstellung frühestens in zwei, drei Tagen erhalten würde. Der gefragte Polizist lacht und sagt schließlich: „Okay, you can go there.“

Nichts ahnend schlendern wir zu dem kleinen Rettungsflugzeug und die Leiterin des Flugdienstes erklärt mir die Neuerungen, während Klaus uns ablichtet. Nicht weit von uns entfernt liegen ein paar Arbeiter im Schatten eines anderen Kleinflugzeuges und dösen ihren Mittagsschlaf. Doch die trügerische Ruhe wird bald unterbrochen, als ein gewichtiger Mann wütend auf uns zustürmt. Eine der AMREF-Mitarbeiterinnen sagt leise: „Oh, jetzt kriegen wir Probleme. Das ist der Sicherheitschef hier.“

Gebieterisch werden wir angehalten, mit dem Filmen aufzuhören und Auskunft zu geben. Die beiden Frauen erklären die Situation und zeigen ihre Ausweise und Visitenkarten, was den Mann in keinster Weise beeindruckt.

Er ist nicht interessiert an Visitenkarten von Frauen und besteht auf der Vorschrift, dass das Rollfeld nicht betreten werden darf und Fotos und Filme nur mit schriftlicher Genehmigung zugelassen sind. Ob mit oder ohne Betrieb auf dem Rollfeld, ob später für einen guten Zweck oder nicht, interessiert ihn ebenfalls nicht.

In Nairobi bei den Flying Doctors

Die Likoni-Fähre in Mombasa, auf der alles begann

Er hört sich nicht einmal an, was wir ihm erklären wollen, sondern klärt uns auf, dass er ermächtigt sei, uns alle für mehrere Jahre ins Gefängnis zu bringen.

Ich glaube, mich verhört zu haben! Weit und breit ist kein anderes Flugzeug zu sehen. Wir sind zwanzig Schritte neben dem Hangar. Vorschrift ist zwar Vorschrift, aber dennoch kann das hier wohl nicht Gefängnis für mehrere Jahre bedeuten! Die beiden Frauen versuchen Ruhe zu bewahren und reden auf den Sicherheitschef ein. Auch der Polizist, der uns seine Einwilligung gab, wird verhört, aber für nicht zuständig erklärt. Mittlerweile stehen wir mindestens eine halbe Stunde in brütender Hitze auf dem Asphaltplatz und die Argumente sind uns ausgegangen. Wir wissen einfach nicht, was er will. Geld kassieren oder seine Macht demonstrieren?