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»Wir gehen doch bestimmt richtig?« fragte Edmund nach etwa einer Stunde.

»Meiner Meinung nach kann es nicht verkehrt sein, solange wir uns nicht zu sehr nach links wenden«, antwortete Peter. »Halten wir uns zu sehr nach rechts, so verlieren wir schlimmstenfalls etwas Zeit und stoßen zu bald auf den Großen Fluß, ohne eine Schleife abzuschneiden.«

Wieder marschierten sie langsam weiter, ohne einen Laut von sich zu geben. Man hörte nur, wie ihre Füße schlurften und ihre Kettenhemden klirrten.

»Wo ist denn dieser blöde Sturzbach hingeraten?« fragte Edmund nach geraumer Zeit.

»Eigentlich hätten wir ihn schon erreicht haben müssen, meine ich«, erwiderte Peter, »aber es bleibt uns nichts übrig, als weiterzugehen.« Sie fühlten beide, wie der Zwerg sie ängstlich betrachtete, aber er sagte nichts.

Sie schleppten sich weiter, und ihre Panzer wurden immer schwerer und heißer.

»Was zum Donnerwetter bedeutet das?« rief Peter plötzlich aus. Sie waren, ohne es zu merken, fast an den Rand eines Abgrundes gekommen, von wo sie in eine Schlucht blickten. Unten schäumte ein Fluß. Auf der anderen Seite erhoben sich ziemlich hohe Klippen. Sie waren alle – außer Edmund und vielleicht Trumpkin – nicht im Klettern geübt. »Es tut mir leid«, sagte Peter. »Es ist mein Fehler, daß wir hierhergekommen sind. Wir haben uns verirrt. Diese Gegend habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.« Der Zwerg gab einen Pfiff von sich.

»Oh, laßt uns zurückgehen und den anderen Weg nehmen«, rief Suse. »Ich wußte ja, wir würden uns in diesen Wäldern verirren.«

»Suse«, entgegnete Lucy vorwurfsvoll, »hacke doch nicht immer so auf Peter herum. Das ist häßlich, und er tut doch, was er kann.«

»Und meckere du nicht immer über Suse«, warf Edmund dazwischen. »Ich meine, sie hat völlig recht.« »Schellfisch und Schildkröten!« rief Trumpkin aus. »Wenn wir uns auf dem Herweg verirrt haben, wie können wir dann den Rückweg finden? Wenn wir aber auf die Insel zurückkehren und von vorn anfangen müssen – gesetzt den Fall, wir können es überhaupt –, so wäre es am besten, die ganze Sache aufzugeben. Jedenfalls ist Miraz dann mit Kaspian fertig, bevor wir ihn erreichen.«

»Meinst du, wir sollten weitergehen?« fragte Lucy. »Ich bin nicht ganz überzeugt davon, daß König Peter sich verirrt hat«, meinte Trumpkin. »Wer sagt denn, daß dieser Fluß nicht der Sturzbach ist?«

»Weil der Sturzbach nicht in einer Schlucht ist«, antwortete Peter und hielt mit Mühe an sich. »Eure Majestät sagt: ist«, erwiderte der Zwerg. »Solltet Ihr nicht lieber sagen: war? Ihr kanntet dieses Land vor Hunderten von Jahren – vielleicht vor tausend Jahren. Kann es sich nicht verändert haben? Ein Erdrutsch kann die Hälfte dieses Berges dort herabgerissen und nackte Felsen zurückgelassen haben, und schon habt Ihr die Klippen jenseits der Schlucht. Der Sturzbach kann sein Bett Jahr für Jahr ausgehöhlt haben, bis die kleinen Abhänge auf dieser Seite entstanden. Vielleicht aber hat sich auch ein Erdbeben oder etwas Ähnliches ereignet.« »Daran habe ich nicht gedacht«, gab Peter zu. »Immerhin«, fuhr Trumpkin fort, »selbst wenn dies nicht der Sturzbach ist, so fließt er doch ungefähr nach Norden und muß also in den Großen Fluß münden. Mir ist so, als hätte ich etwas Ähnliches auf meinem Herweg gesehen. Wenn wir also nach rechts fußabwärts gehen, so werden wir auf den Großen Fluß stoßen, wenn auch vielleicht nicht so weit oben, wie wir hofften. Wenigstens werden wir nicht schlechter abschneiden, als hättet Ihr meinen Weg genommen.«

»Trumpkin, du bist ein Mordskerl!« rief Peter. »Los denn. Hinunter in die Schlucht.« »Seht! O seht doch!« rief Lucy. »Wo? Was?« riefen alle fragend durcheinander. »Der Löwe«, sagte Lucy, »Aslan selbst. Habt ihr nicht gesehen?« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich vollkommen, und ihre Augen glänzten. »Meinst du wirklich, daß...« begann Peter. »Wo glaubst du ihn denn gesehen zu haben?« fragte Suse. »Rede nur nicht so, als wenn du erwachsen wärest«, sagte Lucy und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich glaubte nicht, ihn zu sehen. Ich sah ihn.« »Wo denn, Lu?« fragte Peter.

»Gerade dort oben zwischen den Eschen. Nein, auf dieser Seite der Schlucht. Und oben, nicht unten. Gerade entgegengesetzt von der Richtung, die ihr nehmen wollt. Und er wollte uns dahin haben, wo er ist – nach oben.« »Wieso weißt du denn, was er wollte?« fragte Edmund. »Er – ich – ich weiß es eben«, antwortete Lucy. »Ich sah es an seinem Gesicht.« Die anderen blickten sich verwirrt an. »Eure Majestät kann durchaus einen Löwen gesehen haben«, warf Trumpkin ein. »Es gibt in diesen Wäldern Löwen, sagte man mir. Aber das braucht kein freundlicher und Sprechender Löwe gewesen zu sein, ebensowenig wie der Bär vorhin ein freundlicher und Sprechender Bär war.« »Oh, seid doch nicht so dumm«, beschwor Lucy sie. »Glaubt ihr etwa, ich erkenne Aslan nicht, wenn ich ihn sehe?« »Er muß jetzt ein ziemlich ältlicher Löwe sein«, meinte Trumpkin, »wenn Ihr ihn noch von damals kennt. Wenn es aber wirklich derselbe ist, warum könnte nicht auch er wild und dumpf wie so viele andere geworden sein?«

Lucy wurde purpurrot, und ich glaube, sie hätte sich auf Trumpkin gestürzt, wenn Peter nicht seine Hand auf ihren Arm gelegt hätte. »Der LKF versteht das nicht. Wie könnte er auch? Du mußt es schon hinnehmen, Trumpkin, daß wir wirklich einiges von Aslan wissen – ein klein wenig, will ich sagen. Und du mußt nicht wieder so über ihn reden. Erstens bringt es kein Glück, und zum anderen ist es Unsinn. Die einzige Frage ist die, ob Aslan wirklich da war.«

»Aber ich weiß es doch«, beteuerte Lucy, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Ja, Lu, aber wir doch nicht, das mußt du verstehen«, beruhigte Peter sie.

»Dann müssen wir abstimmen«, entschied Edmund. »Gut«, erwiderte Peter. »Du bist der älteste, LKF. Wofür stimmst du? Bergauf oder bergab?«

»Bergab«, sagte der Zwerg. »Ich weiß nichts von Aslan, aber ich weiß: wenn wir uns nach links wenden und in der Schlucht aufwärts steigen, können wir den ganzen Tag unterwegs sein, ohne eine Stelle zum Hinübergehen zu finden. Wogegen wir, wenn wir uns nach rechts wenden und abwärts gehen, auf alle Fälle in einigen Stunden den Großen Fluß treffen. Außerdem, wenn es hier richtige Löwen gibt, so sollten wir ihnen aus dem Wege und nicht entgegengehen.« »Was meinst du, Suse?« »Sei nicht böse, Lu«, sagte Suse, »aber ich glaube wirklich, wir sollten abwärts gehen. Ich bin totmüde. Laßt uns nur so schnell wie möglich aus diesem elenden Wald ins Freie gelangen. Und keiner von uns außer dir sah irgend etwas.« »Edmund?« fragte Peter.

»Wißt ihr, ich muß daran denken«, sagte Edmund ganz schnell und wurde dabei ein wenig rot, »als wir zuerst vor einem Jahr – oder vor tausend Jahren, wie es auch sein mag – Narnia entdeckten, da war es Lucy, die es zuerst fand, und keiner von uns wollte ihr glauben. Ich war der Schlimmste von euch, das weiß ich wohl. Dennoch hatte sie recht. Wäre es nicht richtig, ihr diesmal gleich zu glauben? Ich stimme für bergauf.« »Oh, Edi!« rief Lucy aus und ergriff seine Hand. »Und jetzt bist du an der Reihe, Peter«, sagte Suse, »und ich hoffe sehr... «

»Ach, schweig doch jetzt, halt den Mund und laß mich nachdenken«, unterbrach Peter sie. »Ich möchte am liebsten nicht wählen.«

»Ihr seid ein König«, bemerkte Trumpkin nachdrücklich. »Abwärts«, sagte Peter nach einer langen Pause. »Lucy mag recht haben, aber ich kann mir nicht anders helfen. So oder so müssen wir etwas tun.«