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»Ja, aber was ist dabei für mein Volk Gutes herausgekommen?« giftet sich Nikabrik. »Wer muß all die gefährlichen Angriffe machen? Die Zwerge. Wer wird knappgehalten, wenn die Rationen nicht ausreichen? Die Zwerge. Wer...« »Lügen! Alles Lügen!« sagte der Dachs.

»Und darum«, fuhr Nikabrik fort, und seine Stimme schwoll nun zum Geschrei an, »werde ich, wenn ihr meinem Volk nicht helfen könnt, mich an jemanden wenden, der das kann.« »Soll das offenen Verrat bedeuten, Zwerg?« fragte der König. »Steck das Schwert wieder in die Scheide, Kaspian«, sagte Nikabrik. »Mord im Rat, was? Spielt ihr so? Seid nicht so töricht, das zu versuchen. Glaubt ihr, ich fürchte mich vor euch? Hier sind drei auf meiner Seite und drei auf eurer.« »Los denn«, knurrte Trüffeljäger, wurde aber sofort unterbrochen. »Halt, halt«, rief Doktor Cornelius. »Ihr habt es zu eilig. Die Hexe ist tot. Alle Überlieferungen stimmen darin überein. Was meint Nikabrik damit, wenn er die Hexe anrufen will?« Die hohle, schreckliche Stimme, die bisher nur einmal gesprochen hatte, sagte: »So, ist sie tot?«

Darauf begann die schrille winselnde Stimme: »Oh – gesegnet sei sein Herz – die liebe kleine Majestät braucht sich wegen des Todes der Weißen Dame – so nennen wir die Hexe nämlich – nicht zu beunruhigen. Der ehrenwerte Herr Doktor zieht nur eine arme, alte Frau wie mich auf, wenn er das sagt. Teurer Herr Doktor, weiser Herr Doktor, wer hat jemals davon gehört, daß eine Hexe wirklich stirbt? Man kann sie immer zurückholen.« »Ruf sie an«, sprach die hohle Stimme. »Wir sind bereit. Zieht den Kreis. Bereitet das blaue Feuer.« Über dem ständig anwachsenden Knurren des Dachses und dem scharfen »Was?« von Cornelius erhob sich wie Donner die Stimme König Kaspians.

»So, das ist dein Plan, Nikabrik! Schwarze Hexerei und die Beschwörung eines verfluchten Geistes. Jetzt erkenne ich, wer deine Begleiter sind – eine Hexe und ein Werwolf!« Darauf ging in den nächsten Minuten alles durcheinander. Tiere brüllten auf; Stahl krachte auf Stahl; die Jungen und Trumpkin stürzten herein. Peter hatte blitzartig das Bild eines schrecklichen, grauen, dürren Geschöpfes vor sich, halb Mann und halb Wolf, das sich gerade auf einen Knaben seines Alters stürzen wollte. Edmund sah einen Dachs und einen Zwerg im Freistil ringend auf dem Boden rollen, Trumpkin fand sich plötzlich der Hexe gegenüber. Ihre Nase und ihr Kinn stachen nußknackerhaft aus ihrem Gesicht; schmutziges, graues Haar flatterte ihr um den Kopf, und sie hatte gerade Doktor Cornelius bei der Kehle. Ein Schlag von Trumpkins Schwert, und ihr Kopf rollte am Boden. Darauf wurde das Licht umgestoßen. Sechzig Sekunden lang wirbelten Schwerter, Zähne, Klauen, Fäuste und Stiefel durcheinander. Dann herrschte Schweigen. »Lebst du noch, Edi?«

»Ich – ich glaube«, keuchte Edmund. »Ich habe diesen Schuft Nikabrik beim Wickel, aber er lebt noch.«

»Wickel und Waage«, erscholl eine ärgerliche Stimme. »Ich bin’s, auf dem du sitzt. Geh runter; du bist wie ein Elefantenbaby.« »Verzeihung, LKF«, antwortete Edmund. »Ist es so besser?« »Au, nein«, brüllte Trumpkin. »Jetzt stopfst du deinen Stiefel in meinen Mund. Geh weg.« »Ist irgendwo König Kaspian?« fragte Peter. »Ich bin hier«, erwiderte eine ziemlich schwache Stimme. »Mich hat etwas gebissen.«

Nun hörten alle, wie jemand ein Streichholz anriß. Es war Edmund. Die kleine Flamme erleuchtete sein bleiches, schmutziges Gesicht. Er suchte umher, fand die Kerze – sie hatten die Lampe nicht mehr benutzen können, weil das Öl ausgegangen war –, setzte sie auf den Tisch und zündete sie an. Als die Flamme hell geworden war, stellten sich sechs Leute auf ihre Füße. Sechs Gesichter blickten einander im Kerzenschein an. »Wir scheinen keine Feinde übriggelassen zu haben«, meinte Peter. »Dort liegt die Hexe – tot. (Schnell wandte er seine Augen von ihr ab.) Und Nikabrik auch tot. Und dieses Ding hier scheint ein Werwolf zu sein. Es ist lange her, seit ich einen gesehen habe. Wolfskopf und Männerkörper. Also hat er sich in dem Augenblick, als er getötet wurde, gerade vom Menschen in einen Wolf verwandeln wollen. Du aber bist sicherlich König Kaspian?« »Ja«, antwortete der andere Junge. »Aber ich habe keine Ahnung, wer du bist.« »Er ist König Peter der Prächtige«, stellte Trumpkin vor. »Eure Majestät ist mir sehr willkommen«, sagte Kaspian. »Und mir Eure Majestät«, antwortete Peter. »Bitte, glaube nicht, daß ich gekommen bin, um deinen Platz einzunehmen. Ich möchte dir nur hineinhelfen.«

»Eure Majestät«, sagte da eine andere Stimme an Peters Ellbogen. Er drehte sich um und stand dem Dachs gegenüber. Sogleich legte er seine Arme um das Tier und küßte den pelzigen Kopf. Das aber war nicht kindisch von ihm. Er konnte so etwas tun, denn er war eben ein großer König.

»Bester aller Dachse«, sagte er, »du hast während der ganzen Zeit nicht einmal an uns gezweifelt.«

»Nicht mein Verdienst, Majestät«, erwiderte Trüffeljäger. »Ich bin ein Tier, und wir ändern uns nicht. Ich bin ein Dachs, was noch mehr ist, und wir schwanken nicht.«

»Es tut mir leid um Nikabrik«, sagte Kaspian, »wenn er mich auch vom ersten Augenblick an, als er mich sah, gehaßt hatte. Er war innerlich ganz verbittert, weil er so lange gezweifelt und gehaßt hatte. Hätten wir schnell gesiegt, so wäre er in Friedenstagen vielleicht ein guter Zwerg geworden. Ich weiß nicht, wer von uns ihn tötete, und darüber bin ich froh.« »Du blutest«, bemerkte Peter.

»Ja, ich wurde gebissen«, entgegnete Kaspian, »von dem – von dem Wolfsding.« Es dauerte einige Zeit, bis die Wunde gereinigt und verbunden war. Dann aber sagte Trumpkin: »Vor allem wollen wir nun endlich frühstücken.« »Doch nicht hier?« meinte Peter.

»Nein«, sagte Kaspian schaudernd. »Außerdem müssen wir jemanden herschicken, der die Leichen fortschafft.« »Laß das Gewürm in eine Grube werfen«, empfahl Peter. »Nur den Zwerg wollen wir seinem Volk übergeben, damit er begraben wird, wie es ihm gemäß ist.«

Endlich frühstückten sie in einem anderen der dunklen Keller in Aslans Mal. Freiwillig hätten sie sich dieses Frühstück nicht ausgesucht. Kaspian und Cornelius dachten an Wildpasteten und Peter und Edmund an Spiegeleier und heißen Kaffee; aber jeder bekam nur ein kleines Stück kaltes Bärenfleisch aus den Taschen der Jungen, ein Stückchen harten Käse, eine Zwiebel und einen Krug Wasser. Aber sie machten sich so darüber her, als sei es ein köstliches Mahl.

13. König Peter hat das Kommando

»Also«, erklärte Peter, während sie ihr Mahl beendeten, »Aslan und die Mädchen – das sind Königin Suse und Königin Lucy, Kaspian – sind irgendwo in der Nähe. Wir wissen nicht, wann er handeln wird. Sicherlich zu seiner Zeit und nicht, wann es uns paßt. Inzwischen wünscht er, daß wir auf eigene Faust tun, was wir können. Du meinst also, Kaspian, wir sind nicht stark genug, uns Miraz in einer offenen Schlacht zu stellen?« »Ich fürchte nein, König Peter«, entgegnete Kaspian. Er mochte Peter sehr gern, war aber ziemlich befangen. Für ihn war es merkwürdiger, die großen Könige aus den alten Geschichten zu treffen, als umgekehrt für diese, auf ihn zu stoßen. »Nun denn«, sprach Peter, »so werde ich eine Herausforderung zum Zweikampf hinübersenden.« Daran hatte noch keiner gedacht.