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»Daran hätte ich selbst denken müssen!« rief Peter aus. Die vier Kinder und der Zwerg gingen ans Wasser hinunter, schoben das Bot mit einiger Mühe hinein und kletterten an Bord. Der Zwerg übernahm sofort das Kommando. Natürlich waren die Riemen für ihn zu groß; darum ruderte Peter. Der Zwerg steuerte sie nordwärts den Wasserarm entlang und dann ostwärts um die Spitze der Insel. Von hier konnten die Kinder den ganzen Fluß entlangsehen und alle Buchten und Vorgebirge auf der anderen Seite betrachten. Sie hofften, etwas davon wiederzuerkennen, aber die seit ihrer Zeit emporgewachsenen Wälder hatten den Anblick vollständig verändert. Als sie das offene Wasser östlich der Insel erreicht hatten, warf der Zwerg die Angel aus.

Sie machten einen ausgezeichneten Fang an Pfauenfischen, regenbogenfarbenen Fischen, die sie schon in den alten Tagen in Feeneden gegessen hatten, wie ihnen wieder einfiel. Als die Beute groß genug war, brachten sie das Boot in eine schmale Bucht und machten es an einem Baum fest. Der Zwerg erwies sich als sehr gewandtes Geschöpf (übrigens habe ich zwar manchmal schon von bösen, aber noch nie von dummen Zwergen gehört); er schnitt die Fische auf, nahm sie aus und sagte dann: »Zunächst brauchen wir jetzt Feuerholz.« »Oben im Schloß haben wir etwas«, antwortete Edmund. Der Zwerg stieß einen langen Pfiff aus. »Donner und Doria«, sagte er. »Also gibt es dort wirklich ein Schloß?« »Es ist nur noch eine Ruine«, antwortete Lucy. Sehr neugierig schaute der Zwerg den vieren der Reihe nach ins Gesicht. »Aber, was, zum Kuckuck –« begann er, brach dann aber ab und bemerkte: »Einerlei, erst das Frühstück. Nur noch eine Frage, bevor wir gehen. Könnt ihr, Hand aufs Herz, beschwören, daß ich wirklich lebe. Seid ihr sicher, daß ich nicht ertränkt wurde und daß wir nicht alle miteinander Geister sind?« Nachdem sie ihm alle versichert hatten, keine Geister zu sein, beratschlagten sie darüber, wie die Fische getragen werden sollten. Sie hatten weder etwas zum Zusammenbinden noch einen Korb bei sich. Schließlich mußte Edmunds Mütze herhalten. Edmund, der als einziger eine Mütze bei sich hatte, hätte sich wohl sehr viel mehr dagegen gesträubt, wäre er nicht so heißhungrig gewesen. Anfangs schien sich der Zwerg in dem Schloß nicht besonders wohl zu fühlen. Er blickte dauernd um sich, schnüffelte umher und meinte: »Hmm, es sieht hier doch noch recht nach Spuk aus, und außerdem riecht es nach Geistern.« Aber als das Feuer angezündet war, wurde er fröhlicher und zeigte den Kindern, wie man frische Pfauenfische in der glühenden Asche röstet. Ein Fischessen ohne Gabeln und mit nur einem Taschenmesser für fünf Personen ist eine mißliche Sache, und ehe noch die Mahlzeit beendet war, hatten einige sich die Finger verbrannt. Da es aber inzwischen neun Uhr geworden war und die Kinder seit fünf Uhr auf den Beinen waren, nahm keiner die Verbrennungen so ernst, wie ihr vielleicht denkt. Als sie die Mahlzeit mit einem Trunk aus dem Brunnen und einigen Äpfeln beendet hatten, brachte der Zwerg eine Pfeife, so lang wie sein Arm, zum Vorschein, stopfte sie, zündete sie an, blies eine große Wolke wohlriechenden Rauches von sich und sagte: »Nun also!«

»Erzähl du uns erst deine Geschichte«, bat Peter, »und dann werden wir dir unsere erzählen.«

»Gut«, antwortete der Zwerg. »Ihr habt mir das Leben gerettet, und also muß es gerechterweise wohl nach eurem Willen gehen. Aber ich weiß kaum, wo ich anfangen soll. Zunächst also: ich bin ein Bote von König Kaspian.« »Wer ist das?« fragten vier Stimmen auf einmal. »Kaspian der Zehnte, König von Narnia, der noch lange herrschen möge!« erwiderte der Zwerg. »Das heißt, er sollte eigentlich König von Narnia sein, und wir hoffen, daß er es werden wird. Zur Zeit ist er nur König von uns alten Narnianen.« »Was verstehst du, bitte, unter alten Narnianen?« fragte Lucy. »Nun, das sind wir«, entgegnete der Zwerg, »und wir sind vermutlich so etwas wie Rebellen.«

»Ich verstehe«, sagte Peter, »und Kaspian ist der Ober-Alt-Narniane.«

»Ja, sozusagen«, meinte der Zwerg und kratzte sich am Kopf. »Aber tatsächlich ist er eigentlich ein Neu-Narniane, ein Telmarer, wenn ihr das versteht.« »Ich nicht«, bemerkte Edmund. »Das ist schwerer zu begreifen als der Dreißigjährige Krieg«, fand Lucy.

»Oje«, sagte der Zwerg. »Ich erkläre wohl recht schlecht. Paßt auf; ich muß sicherlich ganz am Anfang beginnen und euch erzählen, wie Kaspian am Hofe seines Onkels aufwuchs und wie er dazu kam, überhaupt auf unserer Seite zu stehen.

Aber das wird eine lange Geschichte werden.« »Um so besser«, meinte Lucy. »Wir hören gern Geschichten.« Also ließ sich der Zwerg nieder und erzählte seine Geschichte. Ich will sie euch nicht mit seinen Worten und mit all den Fragen und Zwischenrufen der Kinder wiedergeben. Das würde zu lange dauern und euch nur verwirren; außerdem würde dann einiges fehlen, was die Kinder erst später erfuhren. Aber den wesentlichen Inhalt der Geschichte – wie sie die vier Kinder am Schluß kannten – will ich euch jetzt berichten.

4. Der Zwerg erzählt von Prinz Kaspian

Prinz Kaspian lebte in einem großen Schloß mitten in Narnia bei seinem Onkel Miraz, dem König von Narnia, und seiner rothaarigen Tante, Königin Prunaprismia. Sein Vater und seine Mutter waren tot, und von allen Menschen, die ihn umgaben, hatte Kaspian seine Kinderfrau am liebsten. Obgleich er als Prinz die schönsten Spielsachen besaß – sie konnten fast alles, nur nicht sprechen –, war für ihn die letzte Stunde des Tages am schönsten. Dann wurde alles Spielzeug in die Schränke gepackt, und seine Kinderfrau erzählte ihm Geschichten.

Von seinem Onkel und seiner Tante hielt er nicht viel. Etwa zweimal in der Woche sandte der Onkel nach ihm, und dann pflegten sie für eine halbe Stunde auf der Südseite des Schlosses auf und ab zu gehen. Eines Tages, als sie dies wieder einmal taten, sprach der König zu Kaspian: »Nun, mein Junge, wir müssen dir bald Reiten beibringen und dich lehren, das Schwert zu schwingen. Wie du weißt, haben deine Tante und ich keine Kinder, und es sieht so aus, als würdest du König, wenn ich nicht mehr lebe. Wie denkst du darüber, he?«

»Ich weiß nicht recht, Onkel«, antwortete Kaspian. »Du weißt nicht recht, he?« sagte Miraz. »Nun, ich möchte wohl wissen, was man sich Besseres wünschen könnte.« »Trotzdem habe ich einen anderen Wunsch«, sagte Kaspian. »Was denn für einen Wunsch?« fragte der König. »Ich möchte – ich möchte – ich wünschte, ich hätte in den alten Zeiten gelebt«, antwortete Kaspian, der damals noch ein sehr kleiner Junge war.

Bisher hatte König Miraz in dem langweiligen Ton mancher Erwachsenen gesprochen, der deutlich erkennen läßt, daß das, was sie sagen, ihnen ziemlich gleichgültig ist. Nun aber blickte er plötzlich Kaspian scharf an.

»He? Was heißt das?« fragte er. »Was für alte Zeiten meinst du?«

»Aber, weißt du denn das nicht, Onkel?« entgegnete Kaspian. »Als alles ganz anders war. Als alle Tiere sprechen konnten und freundliche Wesen in Flüssen und Bäumen lebten, Wassergötter und Baumfeen. Und dann gab es Zwerge und in den Wäldern reizende kleine Faune. Sie hatten Ziegenfüße. Und...« »Das ist alles Unsinn. Für kleine Kinder erdacht«, sagte der Onkel streng. »Nur für ganz kleine Kinder, hörst du! Du bist für solche törichten Dinge zu alt. In deinem Alter solltest du an Schlachten und Abenteuer, nicht an Märchen denken.« »Oh, aber damals gab es auch Schlachten und Abenteuer«, entgegnete Kaspian. »Wundervolle Abenteuer. Es war einmal eine Weiße Hexe, die machte sich zur Königin des ganzen Landes und ließ es immer Winter sein. Und dann kamen von irgendwoher zwei Jungen und zwei Mädchen, die töteten die Hexe und wurden Könige und Königinnen von Narnia. Ihre Namen waren Peter, Suse, Edmund und Lucy. Diese vier regierten lange, lange Jahre, und für alle war es eine wundervolle Zeit, und das war alles, weil Aslan...« »Wer ist das?« fragte Miraz, und wäre Kaspian älter gewesen, so hätte ihm der Ton in der Stimme seines Onkels geraten, lieber aufzuhören. So aber plapperte er munter weiter. »Oh, weißt du das nicht?« fragte er. »Aslan ist der große Löwe, der von jenseits des Meeres kommt.« »Wer hat dir diesen Unsinn beigebracht?« fragte der Onkel mit Donnerstimme. Kaspian war erschrocken und sagte nichts mehr. »Königliche Hoheit«, sprach König Miraz feierlich und ließ des Jungen Hand fallen, die er bis jetzt gehalten hatte, »ich bestehe darauf, daß mir geantwortet wird. Sieh mich an. Wer hat dir diese Lügenmärchen erzählt?« »Die – die Kinderfrau«, stammelte Kaspian und brach in Tränen aus.