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Der Erzmagusch lächelte innerlich. »Ja«, murmelte er, »du bist wirklich schön. Ich mag Aurian wollen, um unsere im Aussterben begriffene Rasse vor dem Untergang zu bewahren, und ich mag ihre Kräfte brauchen, um meine Pläne voranzutreiben, aber sie wird immer launisch und eigensinnig bleiben. Ich könnte ihr nie vertrauen, Eliseth, und daher muß sie meine Gefangene bleiben, während du die Freiheit hast, aus eigenem Willen an meiner Seite zu arbeiten.« Dann gestattete er sich ein Lächeln. »Du wärest eine überaus passende Gefährtin für einen Erzmagusch, wenn du beweist, daß ich dir vertrauen kann.« Mit diesen Worten entließ er sie.

»Lügner«, hauchte Eliseth, aber hinter ihren Augen leuchtete ein neues Licht auf.

Der Erzmagusch zuckte mit den Schultern. »Das wird die Zeit erweisen«, sagte er. »Für uns beide.«

Als er hörte, wie sich die Tür leise hinter ihr schloß, kicherte Miathan. Hatte sie den Köder geschluckt? Nun, tatsächlich: die Zeit würde es erweisen.

Als die kleine Magd hörte, wie die Wettermagusch die Treppe hinuntergestürmt kam, floh sie auf lautlosen Füßen treppab. Dann stürzte sie durch Eliseths offene Tür, griff nach ihrem Putzlumpen und begann, eifrig den Tisch zu polieren, während sie tief durchatmete und ihren Gesichtszügen die gewohnt ausdruckslose Maske aufzwang. Unterdessen schäumte in ihrem Herzen jedoch der Jubel. Sie war wie gewöhnlich hergekommen, um Eliseths Gemächer zu säubern, aber als sie dann Stimmen von oben gehört hatte, hatte sie sich so nahe wie möglich herangeschlichen, um zu lauschen. Und bei den Göttern, das Risiko war es wert gewesen!

Eliseth kam ins Zimmer gestampft und hielt sich eine Hand ans Gesicht. »Inella!« Sie erschrak beim Anblick der vergessenen Magd, faßte sich dann jedoch schnell wieder. »Ist das alles, was du getan hast, du faule Schlampe?« Sie setzte zum Schlag an, aber das Mädchen wich ihrer Hand geschickt aus. Eliseth runzelte die Stirn, schien jedoch nicht geneigt zu sein, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. »Hol mir etwas Wein«, fuhr sie ihre Dienerin an und verschwand in ihrem Schlaf gemach.

»Jawohl, Herrin.« Das Mädchen knickste Eliseths davonrauschendem Rücken noch einmal zu und machte sich dann daran, schnellstens ihre Bitte zu erfüllen. Obwohl ihr Gesicht nach wie vor ausdruckslos war, jubilierte sie innerlich. Die Lady Aurian war entkommen. Bei den Göttern, eine solche Neuigkeit war das Risiko ihrer Anwesenheit hier tausendmal wert!

23

Die Brücke der Sterne

Iscalda, die eine Todesangst vor den ausgehungerten Wölfen hatte, war geflohen und hatte den Turm weit hinter sich gelassen. Nicht einmal ihre Liebe zu Schiannath konnte ihren tierischen Instinkt im Angesicht einer solchen Übermacht von Feinden überwinden. Sie stürmte den Hügel hinunter und legte die Ohren an, als sie die Schreie der erschrockenen Wachen hörte, die mit den Wölfen kämpften. Hände streckten sich nach ihr aus, um sie festzuhalten, als sie an den in die Enge getriebenen Männern vorbeigaloppierte, aber sie war zu schnell, als daß irgend jemand sie hätte einfangen können. Iscalda flog über den flachen Boden zu den Felsen hinüber und dann durch die schmalen Steintore des Passes. Immer weiter lief sie durch den Schnee, als hätten ihre Füße Flügel. Die weiße Stute hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wo sie eigentlich hinwollte. Sie wußte nur, daß sie fliehen mußte, und zwar so weit wie möglich; weit weg von dem heulenden Wolfsrudel und dem Geruch von Blut. Ihre Hufschläge hallten hohl in dem schmalen Spalt zwischen den Felsen wider, und Iscalda stürmte durch den Paß, über den Hügel dahinter und dann schließlich wieder auf der anderen Seite hinunter ins Tal.

Besessen von Furcht, achtete sie nicht auf irgendwelche Gefahren.

Kein anderer Klang erreichte ihre Ohren als das Trommeln ihrer eigenen Hufe. So kam es, daß Iscalda einen Felsvorsprung, der weit ins Tal hineinragte, umkreiste und Hals über Kopf in einen Trupp von Reitern stürmte.

Xandim! Das waren ihre Leute! Noch während sie sich aufbäumte und versuchte, den vordersten Pferden auszuweichen, erkannte Iscalda alte Freunde und Kameraden wieder. Beschämt über ihre Verbannung und unwillig, sich in einem solchen Zustand unvernünftiger Furcht zu zeigen, wirbelte sie auf ihren Hinterbeinen herum und versuchte, denselben Weg, den sie gekommen war, wieder zurückzurennen. Aber ein Pferd, schwarz wie ein Mitternachtsschatten, sprang aus der Traube der Reiter hervor und rannte hinter ihr her. Ein ängstlicher Blick über ihre Schulter verriet Iscalda das Schlimmste. Phalias war hinter ihr her! In ihrer Bestürzung darüber, ihren früheren Verlobten wiederzusehen, schenkte sie der seltsamen Gestalt, die auf seinem Rücken hockte, keine Beachtung.

Die Stute stolperte nun vor Müdigkeit. Als ihre Panik langsam nachließ, wurden ihre schweißnassen Glieder plötzlich steif und unbeweglich. Das schwarze Pferd kam näher und näher; sie konnte die Hufschläge immer deutlicher hören, und aus den Augenwinkeln sah sie, wie seine große, dunkle Gestalt sich neben ihre Schulter schob.

Plötzlich streckte sich eine Hand nach ihr aus und ergriff das Seil, das dieser verflixte Khazalim an ihrem Kopf befestigt hatte.

Ihr Hals wurde grausam zur Seite gerissen, und Iscalda kam widerwillig rutschend in einem Sprühnebel aus Schnee zum Stehen.

»He, holla! Immer mit der Ruhe, meine Hübsche, das ist ein braves Mädchen.« Der Reiter, der das Seil noch fest umklammert hielt, sprang von dem Rudelfürsten herunter und trat neben sie. Iscalda ging mit einem überraschten Schnauben einen Schritt zurück. Dieser drahtige, kleine Mann war kein Xandim! Warum hatte Phalias sich bereitgefunden, eine solche Kreatur auf dem Rücken zu tragen? Der Fremde streichelte sie unablässig weiter, und die Stute stand zitternd da, während sie mit zuckenden Ohren der rauhen Stimme lauschte, die in einer fremden Sprache sanft auf sie einsprach. Sie rollte mit den Augen und versuchte, zu dem Rudelfürsten hinüberzuspähen. Außerdem fragte sie sich mit einem kurzen Aufblitzen von Zorn, warum Phalias sich nicht in Menschengestalt zurückverwandelte.

»Weil er es nicht kann. Er unterliegt demselben Zauber wie du.«

Iscalda stieß ein wütendes Wiehern aus, als sie das Windauge erblickte. Als sie dann auch noch mit den Vorderhufen ausschlug, sprang der Fremdländer, der Phalias geritten hatte, ängstlich zur Seite. Iscalda riß ihm das Seil aus den Händen und sprang mit gebleckten Zähnen und flammenden Augen auf Chiamh zu. Das Windauge wich keinen Schritt zur Seite. Statt dessen hielt er eine Hand hoch und begann die Worte eines Zaubers zu sprechen …

Und Iscalda landete, alle viere von sich gestreckt, mit dem Gesicht nach unten im Schnee, als ihre vier Beine sich plötzlich in zwei verwandelten. Wie betäubt versuchte sie, sich auf die Knie zu erheben, und blickte hinab auf ihre Hände – zwei menschliche Hände – und brach in Freudentränen aus. Als sie wieder den Kopf hob, sah sie vor sich eine Hand, ausgestreckt, um ihr zu helfen. Chiamh blickte auf sie herab, und in seinem Gesicht standen sowohl die Bitte um Verzeihung als auch Mitleid. »Phalias ist nicht mehr Rudelfürst«, sagte er sanft. »Ich habe so lange auf diesen Tag gewartet. Du hast auf meinem Gewissen gelastet, seit ihr verbannt wurdet. Willkommen daheim bei Xandim, Iscalda.«

Iscalda ignorierte die ausgestreckte Hand und sah ihn kalt an. »Und Schiannath?« wollte sie wissen.

Das Windauge nickte. »Auch Schiannaths Verbannung ist aufgehoben.« Dann wurden seine kurzsichtigen Augen plötzlich schmal, und er sah sich suchend um. »Wo ist er?«

»Beim Lichte der Göttin!« Iscalda erhob sich unsicher auf die Füße. »Ich habe ihn im Turm gelassen, bei dieser Frau.«

»Einer Frau?« Chiamhs Blick wurde plötzlich aufmerksam. »Eine Gefangene?«

Iscalda nickte. »Woher wußtest du das?«

Aber das Windauge hatte sich bereits von ihr abgewandt. »Parric!« schrie er. »Ich glaube, wir haben sie gefunden.«

Schiannath, nun ebenfalls in Pferdegestalt, traf auf dem Hügel auf die Armee der Xandim. Er hatte seinen zweiten geflügelten Angreifer oben auf dem Turm schließlich besiegt, nur um mit einem Blick nach unten festzustellen, daß die Wölfe über Harihns hilflose Wachen hergefallen waren und ein wahres Blutbad angerichtet hatten. Dann sah er die weiße Gestalt Iscaldas, die in die Wälder floh. Fluchtend war er den Turm wieder hinuntergeklettert und hatte Aurian und Yazour vergessen – hatte alles vergessen, bis auf seine Angst um seine geliebte Schwester. Sobald er erst in sicherer Entfernung von den Soldaten und Wölfen gewesen war, hatte er die Pferdegestalt angenommen und war hinter ihr hergaloppiert. Die Spuren im Schnee zwischen dem Hügel und dem Paß wiesen ihm den Weg.