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Bei den Göttern, wie schrecklich er fror! Aurian, die entsetzt über ihre Nachlässigkeit war und plötzlich einen wilden Beschützerinstinkt verspürte, handelte sofort. Während sie ihren Sohn fest an sich drückte, lief sie hinüber zu dem ersterbenden Feuer. Dann warf sie fieberhaft Feuerscheite in den Kamin und setzte sie mit einem schnellen Feuerstrahl in Brand. Erneut spürte sie die gewaltige Flamme der Freude über ihre wiedergefundenen Zauberkräfte. Dann kehrte sie zu ihrem Bett zurück, setzte sich nieder und zog sich unbeholfen die Umhänge um ihre Schultern. Wieso war es ihr vorher nicht aufgefallen, wie kalt es im Zimmer geworden war?

Hunger. Unbeschreiblicher Hunger pulsierte durch die Gedanken ihres Kindes, und einen Augenblick lang zögerte Aurian hilflos. Dieses Muttersein war etwas ganz Neues für sie. Aber das Junge hatte Hunger … Aurian zuckte mit den Schultern und legte ihren Sohn an die Brust. Nun, dachte sie, zusammen werden wir das wohl schon irgendwie meistern …

Es war sehr schwierig, aber der Instinkt, zu saugen, war bei dem Wolfling sehr stark ausgeprägt, und Aurian konnte sich mit Hilfe ihrer Heilmagie seinen Bedürfnissen ein wenig anpassen. Schließlich schafften sie es durch ihre einzigartige Gedankenverbindung und durch die noch tiefere Verbindung der Liebe, die zwischen ihnen bestand. Aurian blickte auf ihren Sohn hinab, während er trank. Kleiner Wolf, dachte sie, und erinnerte sich dabei an diese alte Kindergeschichte, die Forral ihr einmal erzählt hatte, von einem Maguschkind, das seine Eltern im Wald verloren hatte und von Wölfen aufgezogen worden war. Aus dem kleinen Jungen war später ein großer Held geworden, und sein Name war in der Alten Sprache Irachann gewesen – der Wolf. Aurian lächelte ein wenig, als sie darüber nachdachte, wie diese Geschichte sich nun ins Gegenteil verkehrt hatte. Irachann, beschloß sie. Ich werde ihn Wolf nennen.

Das Junge war schließlich in ihren Armen eingeschlafen. Während die Magusch so dasaß und auf ihren Sohn hinunterblickte, ließ sie noch einmal die Ereignisse, die seine Geburt begleitet hatten, vor ihrem inneren Auge vorüberziehen. Der Wolf, dachte sie, und erinnerte sich an die große, graue Gestalt, die mit einem wütenden Fauchen durch ihre Kammer gesprungen war; es war der Wolf, der mich vor Miathan gerettet hat, als er Harihns Kehle durchbiß. Aber sie war sich sicher, daß sie, bevor der Wolf ihr zu Hilfe geeilt war, zuerst den Schrei ihres Kindes gehört hatte – das dünne, unverkennbare Jammern eines menschlichen Kindes! Und dann fiel es ihr wieder ein – o ja, jetzt erinnerte sie sich – Nereni hatte bei der Geburt ihres Kindes einen lauten Schrei ausgestoßen: »Ein Junge!«

Die Magusch erinnerte sich wieder an den Tag ihrer Gefangenschaft, als Miathan ihr offenbart hatte, daß ihr Kind verflucht sei. »Wenn du es siehst«, hatte er gesagt, »wirst du mich bitten, es von seinem Elend zu erlösen.«

Aurian fluchte bösartig, als ihr die Bedeutung dieser Worte klar wurde. Ihr Kind war menschlich geboren worden – bevor sie den Wolf gesehen hatte! Forrals Sohn hatte die Gestalt des Tieres angenommen. Das also war die Natur von Miathans Ruch!

Es mußte doch eine Möglichkeit geben, ihn zurückzuverwandeln. Aber so sehr Aurian es auch versuchte und obwohl sie all ihre Fähigkeiten als Heilerin einsetzte und das winzige Junge erforschte – das Kind blieb doch ein Wolf. Aber ich werde ihn zurückverwandeln. Als Miathan Wolf verfluchte, verfügte er über die Macht des Kessels. Sobald ich erst einmal den Stab der Erde wiederhabe … Ihre Gedanken flogen zu Anvar und Shia. Wie hatte sie diese beiden nur vergessen können? Aurian versuchte, mit ihrem Geist nach ihren verschwundenen Freunden zu forschen, aber zu ihrem Entsetzen fand sich nicht das geringste Echo einer Antwort, wie sehr sie sich auch bemühte.

Ein plötzlicher Aufruhr in dem Raum unter ihr beendete ihren Versuch, Kontakt zu Anvar oder Shia aufzunehmen. Es konnten doch unmöglich noch weitere Kämpfe stattfinden? Vorsichtig legte sie das Junge wieder zurück in sein Nest aus Decken, bevor sie zur Tür lief. Als sie sie öffnete, wurde ihr plötzlich klar, daß sie frei war. Wunderbar und unglaublich frei! Endlich konnte sie diese verhaßte Kammer verlassen und brauchte nie wieder einen Blick darauf zu werfen!

Aurian rannte zur Treppe hinüber und blickte hinab in den unteren Raum des Turms. In der Tür sah sie Schiannath stehen, der mit Yazour stritt. Hinter dem Xandim stand mit gezücktem Schwert und wilde Flüche ausstoßend … »Parric!« kreischte Aurian. »Yazour, laß ihn herein!«

Einen Augenblick lang stand Parric nur mit offenem Munde da und bestaunte die Veränderung, die die Magusch durchgemacht hatte. Was für ein Narr er doch gewesen war! Die ganze Zeit während seiner Suche hatte er ein romantisches Bild von sich selbst gehabt, von sich als unerschrockenem Helden, der einem einsamen und verängstigten jungen Mädchen zur Rettung eilte. Er war vollkommen unvorbereitet auf die neue Reife in ihrem hageren Gesicht: der feste, gequälte Zug um ihren Mund und das grimmige, stählerne Glitzern in ihren Augen.

Plötzlich rollten die Jahre zurück, und der Kavalleriehauptmann erinnerte sich daran, wie er von seinem ersten Feldzug zurückgekehrt war. Das Gesicht, das ihm damals aus einem Spiegel entgegengeblickt hatte, hatte dieselben Veränderungen gezeigt. Auch Aurian hatte sich der Prüfung durch Schmerz und Not unterziehen müssen, und so, wie sie aussah, hatte sie sich tapfer geschlagen. Mit einem Freudenschrei breitete Parric die Arme weit aus und lief die Treppe hinauf, während sie ihm entgegenkam. Sie trafen sich in der Mitte mit einer Wucht, die sie beide um ein Haar zu Boden geworfen hätte. Freudig umarmten sie einander – so heftig, daß sie keine Luft mehr bekamen.

»Parric! O ihr Götter! Ich glaube, ich träume!«

Der Kavalleriehauptmann spürte Aurians heiße Tränen auf seiner Schulter, ein Umstand, der es ihm ermöglichte, auch seine eigenen Tränen zu akzeptieren. Bevor sie und Forral in sein Leben getreten waren, hatte er Tränen immer als ein Zeichen der Schwäche abgetan, aber jetzt wußte er mehr über die Liebe und über die Trauer.

Aber das war nicht die einzige Art und Weise, in der er gewachsen war, überlegte er. Er hatte, wenn auch widerwillig, seine eigene Armee befehligt und hatte seine Leute sicher durch die gefährlichen Berge gebracht, um … ja, um was zu tun?

Aurian versuchte, ihm so viel zu erzählen – und zwar alles auf einmal. –, daß Parric überhaupt nichts mehr verstand. Das überraschendste vor allem war, daß Anvar ebenfalls ein Magusch zu sein schien.

Obwohl Meiriel ihm erzählt hatte, daß Miathan das Kind von Aurian verflucht hatte, war Parric doch zuerst zutiefst bestürzt und dachte, sie hätte den Verstand verloren, als sie ihn nach oben zerrte und ihm das Wolfsjunge zeigte. Voller Entsetzen versuchte er, sie am Arm aus dem Zimmer zu ziehen, als er eine sanfte Hand auf seiner Schulter spürte.

»Das Kind ist da. Es ist ein Mensch.« Es war die Stimme des Windauges. Parric drehte sich um und erblickte Chiamh hinter sich, dessen Augen wieder von diesem erschreckenden, reflektierenden Silber waren, während er mit seiner Andersicht das Junge betrachtete.

Aurians Augen weiteten sich. »Wer ist das?« fragte sie Parric.

»Ein sehr guter Freund«, erwiderte der Kavalleriehauptmann. »Er hat uns das Leben gerettet, als die Xandim uns gefangengenommen haben.« Daraufhin stellte er Chiamh vor, dessen Augen mittlerweile wieder ihre normale Färbung angenommen hatten. Zu Parrics Belustigung schien das Windauge voller Ehrfurcht zu sein.

»Herrin.« Chiamh verbeugte sich tief. »Ich fühle mich zutiefst geehrt, dich endlich zu treffen, dich, eine der hellen Mächte, die ich vor so langer Zeit gesehen habe.«

»Du hast mich gesehen?« Die Brauen der jungen Magusch zogen sich vor Verwirrung zusammen. »Wo? Wann?«