Und so stellte sich nun Witiko an die rechte Seite des Scharlachreiters und der, den dieser Odolen geheißen hatte, wieder an die rechte Witikos, und der Zug fing, wie der Scharlachreiter gesagt hatte, sich zu bewegen an. Da sie ritten, sagte der Scharlachreiter: »Nun, Ledermann, sage, wer du bist, und woher du kommst, und wohin du in diesem deinem Gewande reitest.«
»Das werde ich euch nicht offenbaren«, entgegnete Witiko, »weil ich auch nicht weiß, wer ihr seid, und welche Absichten ihr habt.« »So ist denn gar kein Ende mit dir«, rief der Scharlachreiter, »nun so müssen wir Buße tun, und dir sagen, wer wir sind. Du magst dann dein Wesen enthüllen, oder magst es auch nicht tun. Der an deiner rechten Seite reitet, ist Odolen, der Sohn des
Striz. Er will die ganze Welt umwerfen, darum wäre es schade gewesen, wenn du ihm ein Loch in sein grünes Wams oder in sein Herz gestoßen hättest, er hat dich umbringen wollen, weil du uns herausgefordert hast. Es wäre auch schade um dich gewesen, da du ein junges Blut bist.«
Witiko sah auf den Mann zu seiner Rechten. Er ritt auf einem schwarzen Pferde. Er war schönen braunen Angesichtes und schwarz von Haar und Augen. Er hatte ein grünes Gewand, auf der schwarzen Haube eine Reigerfeder, und trug Schwert und Hüfthorn.
»Nun, du Lederjunge«, sagte er, »sehe ich wohl aus, wie ein Wegelaurer, der die Leute töten will, die da so allein reiten?« »Nein«, sagte Witiko; »aber du könntest voreilig sein.« »Er ist gar nie anders«, sagte der Scharlachreiter. »Jetzt sieh aber auf den, der hinter mir ist«, fuhr der Scharlachreiter fort, »der ist Welislaw, er sagt immer, daß er treu sei; er weiß nicht, wem, und er ist so jung, daß er noch gar nicht angefangen hat, treu zu sein. So schau doch um auf ihn.«
Witiko blickte gegen ihn zurück. Er ritt auf einem Goldfuchs, war braun von Haar und Augen, hatte ein braunes Gewand, auf der schwarzen Haube eine Geierfeder, und trug Schwert und Hüfthorn. »Nun ich bin doch unverdächtig«, sagte er zu Witiko. »Ja«, antwortete Witiko. »Jetzt blicke gerade hinter dich, Lederreiter«, rief der Scharlachmann, »da ist der Sohn des Nacerat, er ist immer der Sohn des Nacerat, und wird immer der Sohn des Nacerat sein.« »So sieh doch um«, rief der Mann hinter Witiko.
Witiko wendete sich ein wenig auf seinem Pferde, und sah nach dem Manne, der gerufen hatte. Er ritt auf einem braunen Pferde, und war ein sehr schöner Jüngling mit blonden Haaren und blauen Augen und rosenrotem Angesichte. Er trug ein scharlachbraunes Gewand und auf der schwarzen Haube eine weiße Feder. Er hatte Schwert und Hüfthorn.
»Ich bin niemanden gefährlich«, sagte er zu Witiko. »Außer allen schönen Dirnen«, rief der Scharlachreiter. »Ich könnte auch mit einem Ritter edle Freundschaft halten, wie zum Beispiel mit dem Lederreiter«, sagte der Mann. »Es mag sein, oder auch nicht sein, ich kann es jetzt noch nicht erraten«, sagte Witiko.
»Nun kömmt die zweite Reihe hinter uns«, sagte der Scharlachreiter, »da ist Ben, es heißt auch ein Feldherr so, aber der ist nicht der Feldherr.« »Nicht wahr, Ben, du bist nicht der Feldherr Böhmens«, rief er auf den Mann zurück. »Ich werde es bald sein«, rief der andere hervor.
Witiko blickte um. Der Mann ritt auf einem Rappen, hatte lichte Haare, grüne Kleider, eine schwarze Feder auf der schwarzen Haube, und trug Hüfthorn und Schwert. »Der rechts von Ben heißt Casta«, sagte der Scharlachreiter. »Sieh ihn nur an, er will immer für seine Freunde in den Tod gehen.« »Casta, du stirbst für uns alle«, rief der Scharlachreiter. »Und ihr alle für mich«, rief Casta. Der Mann ritt auf einem Rappen, hatte lichte Haare, braune Kleider, eine graue Feder auf der schwarzen Haube und Hüfthorn und Schwert.
»Die hinter den beiden sind die Söhne Smils, des großen Feldherrn des Herzogs Sobeslaw«, fuhr der Scharlachreiter fort, »sie wollen immer das nämliche tun, haben gleiche Pferde und Kleider, und müssen uns offenbaren, ob ihre Liebchen auch die gleichen Augen haben. Sieh sie nur an, mein Ledermann.« Witiko blickte um, und konnte nur erkennen, daß die beiden grün gekleidet waren, rote Federn auf den schwarzen Hauben hatten, und jeder auf einem Falben ritten.
»Die weiter zurück sind Mikul und Radmil, und die andern«, sagte der Scharlachreiter, »es ist nichts mehr Rechtes an ihnen zu sehen, wenn wir uns aus diesem Zuge wieder in einen Haufen versammeln, kannst du sie vielleicht näher betrachten, und sehen, ob sie dir gefallen.«
Witiko konnte erkennen, daß die Männer alle in gleicher Art gekleidet waren: nicht gar weites Oberkleid mit einem Gürtel gehalten, dann das straffere Beinkleid und Lederstiefel mit einem kurzen rückwärts dicken Stachel. Alle hatten sehr enge Hauben, hinter denen die Haare auf den Nacken gingen, und dann quer abgeschnitten waren.
»Nun habe ich dir eine Menge erzählt, du lederner Mann«, sagte der Scharlachreiter, »wir sind gar nicht zurückhaltend; du aber kömmst aus Ophir oder dem Lande der Königin von Saba, und reitest mit deinem Gewande so dahin.« »Ich wähle mir meine Rüstung, wie ich sie für gut halte«, sagte Witiko. »Und du wirst Großes vollbringen«, antwortete der Scharlachreiter. »Du vielleicht auch«, sagte Witiko.
»Das siehst du gewiß«, sagte der Scharlachreiter, »daß wir dich nicht beschimpfen, oder mit dir kämpfen oder dich töten wollen, wenn wir auch Spott und Scherz sagen. Wir sind auf viel größere Dinge aus, nicht nur auf die Eroberung Böhmens sondern auch des kleinen Ländleins Österreich und Bayerns und Sachsens und Deutschlands und der ganzen Welt — nämlich der Welt des Vergnügens. Wir sind die Könige und Vögte dieses Herrn, der alle Länder beherrscht. Und der Erdkreis ist ihm zu klein, und bis in die Sterne und in den Himmel wird er seine Macht tragen. Da sitzt einer in dem Riesengebirge, und hat das Seinige dort, einer in den Bergen bei Sachsen, und hat das Seinige dort, einer am Walde von Bayern, und hat das Seinige dort, einer in der gesegneten Flur an der Elbe, und hat das Seinige dort: und alle sind sie wie wir.«
»Die Kleider, wie ihr sie tragt, habe ich auch in andern Ländern gesehen«, sagte Witiko. »Nicht bloß die Kleider: die Sitten die Bräuche und alles andere geht durch die ganze Welt, und wir leben mit der ganzen Welt, wir können nicht hinter unserem Eichenklotze sitzen bleiben, und uns von ihm beschatten lassen. Ja, da erzählen die Alten, unser Volk sei einmal abgeschieden, es sei für sich allein gewesen, und habe nicht nach auswärts gestrebt, da hat es Gesang und Tanz geliebt, die Gastfreundschaft geehrt, und den Boden betreut. Die Einsicht hat als das Größte gegolten, und der Rechtspruch, den einer geben konnte, war die höchste Zier. Und die oberste Macht unsers Landes ist nicht aus der Kriegsanführung hervorgegangen, sondern aus der Richterübung. Krok erlangte die Macht im Volke, weil sein Verstand den der andern übertraf, und weil er allen raten und helfen konnte. Die Angriffe von außen wurden einfältig abgewehrt.
Samo hat in längstvergangenen Zeiten die Heere des Frankenkönigs Dagobert in der dreitägigen Schlacht bei Togastburg vernichtet, das Heer Ludwigs des Deutschen, welcher Böhmen bezwingen wollte, ist in einer unerhörten Niederlage geschlagen worden. Und man kennt nicht den Ort der Schlacht und nicht den Namen des Mannes, der unser Volk geführt hat. Da, sagen sie, seien gute Zeiten gewesen; aber wer weiß, wie damals alles geschehen ist.
Alte Menschen loben das Vergangene und frühere Zeiten. Die Jahre, die näher an uns liegen, sind auch hier zu Lande wild genug gewesen. Und warum hat der Mann seines Namens nicht besser gewahrt, und warum soll ich nicht einen bösen Nachbar, der quält und droht, in seinem Lande suchen und niederwerfen dürfen, warum nicht den Namen der Meinigen in die Herzen der fremden Völker tragen, daß er geehrter und gefürchteter ist?«