»Das war recht gut gehandelt«, sagte Witiko, »meine Mutter und ein edler Priester haben mir von diesen Dingen erzählt, da ich ein Knabe war, und sie haben mir öfter wieder davon erzählt, da ich ein heranwachsender Jüngling war.«
»Als Sobeslaw einmal im fünften Jahre seiner Herrschaft mit einem großen Geleite nach Mähren zog«, fuhr der Scharlachreiter fort, nannte ihm ein Kämmerling zwei Männer aus seinem Gefolge, die vorhatten, ihn zu ermorden, und einer Gelegenheit dazu erharrten. Der Herzog sagte dieses den Zupanen Zdeslaw und Diwiš, die seine treuen Räte waren, und hieß sie, die zwei Männer insgeheim in Haft nehmen. Da dieses geschehen war, erkannte man in ihnen Dienstleute der Brüder Miroslaw und Strezimir. Ihre Waffen waren vergiftet. Sie gestanden, daß ihre Herren sie zum Morde gedungen haben. Miroslaw, welcher bei dem Herzoge war, wurde gefangen, Strezimir suchte zu fliehen, wurde aber ereilt, und beide wurden gebunden auf den Wyšehrad geführt. Der Herzog kehrte auf seinem Zuge um, und ging nach Prag. Dort zog er barhäuptig barfüßig und in Bußkleidern ein, und ging sogleich gegen die Kirche des heiligen Veit. Die Glocken läuteten, Kinder mit Zweigen standen in den Straßen, die Priester sangen den Lobgesang des heiligen Ambrosius, und das Volk drängte sich. In der Kirche tat er ein Gebet für seine Rettung. Sieben Tage darnach wurde ein öffentlicher Gerichtstag und ein Landtag abgehalten. Zweitausend Menschen kamen zu dem Tage. Der Herzog hielt eine Anrede, und sagte, daß er es mit den Ländern Böhmen und Mähren immer wohl gemeint habe, daß er ein sündiger Mensch sei, daß aber seine Sünden anders gestraft werden müßten als mit Mord, wie bei seinem Bruder Bretislaw, und von einem andern als einem sündigen Menschen. Das Gericht soll nach genauer Gerechtigkeit seines Amtes walten. Das Gericht ward gehalten, und des folgenden Tages wurden Miroslaw, Strezimir, die zwei Dienstleute, und der Arzt, der das Gift gegeben hatte, hingerichtet. Miroslaw hatte den Bischof Meinhard als obersten Anstifter angeklagt, welcher auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem war. Da der Bischof zurückgekommen war, wurde er nach des Herzogs und der Lechen Willen dem Erzbischofe von Mainz Adalbert und dem Bischofe von Bamberg Otto zum Gerichte übergeben. Am Tage des heiligen Wenzel wurde das Urteil verkündet. Der Bischof von Bamberg war selber nach Prag gekommen. Meinhard wurde vor allem Volke als unschuldig erklärt. Der Bischof Otto, der Bischof von Olmütz Zdik und sieben böhmische Abte legten ihre Stolen nieder, und bezeugten die Unschuld Meinhards. So ward dessen Ehre gerettet. Seit dem Tage stand niemand mehr gegen Sobeslaw auf. Mit dem Könige Lothar lebte er in Freundschaft, und gab ihm zwei Mal böhmische Männer zu seiner Romfahrt. Mit dem polnischen Könige Boleslaw hatte er wegen des ungarischen Bela Krieg. Er siegte, versöhnte sich mit dem Könige, und sie wurden Freunde. Seitdem ist Frieden.«
Der Scharlachreiter schwieg nun ein Weilchen, Witiko auch.
»Nun du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter hierauf, »du hast von den Herzogen gesagt, du hast um die Herzoge gefragt, jetzt habe ich dir Herzoge genug genannt, und habe dir von Herzogen viel erzählt. Und weil ich dir von Herzogen viel erzählt habe, und weil ich dir von Geschlechtern viel erzählt habe, und von ihren wilden Sitten, und von uns und unsern guten Sitten, so könntest du jetzt auch von dir und deinem Wesen etwas offenbaren, das uns freut.«
»Ich habe dir ja schon gesagt, daß ich vom Mittage komme, und nach Mitternacht reite«, entgegnete Witiko.
»Das hast du gesagt, weiser Mann«, antwortete der Scharlachreiter, »und das ist sehr merkwürdig; aber da du nicht immer das Ledergewand anhaben wirst, und es vielleicht einmal mit einem andern vertauschen wirst, so kann ich dich ja nicht beschreiben, wenn ich zu jemanden von dir spreche, und ich kann nicht wissen, daß du gemeint bist, wenn jemand von dir zu mir redet. Du wirst doch ein Ding haben, das ein Name ist, und das Ding wird unschuldig sein, daß man es nennen kann.«
»Ich heiße Witiko«, antwortete Witiko, »stamme aus dem Mittage des Landes, und habe keine Angehörigen mehr als eine Mutter, die edlen Blutes ist.«
»Nun, Witiko«, sagte der Scharlachreiter, »wenn du aus dem Mittage unseres Landes stammst, so bist du vielleicht auch schon in Bayern gewesen, und hast den stolzen Heinrich gesehen, der jetzt das Gerede aller ist.«
»Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Witiko. »Im Randshofe, der nahe an dem Flusse Inn steht, und wo schon vor dem großen Kaiser Karl und seinen Söhnen die Herrscher des Frankenlandes öfter gewohnt haben, war einmal in den Klöstern, die an dem Hofe sind, eine große Kirchenfeierlichkeit. Da hieß es, daß der Herzog Heinrich mit seiner Gattin Gertrud und seinem kleinen Söhnlein, das auch Heinrich heißt, kommen werde. Ich ging hin. Der Herzog kam nicht. Otto der Pfalzgraf war da, Konrad der Erzbischof von Salzburg, Regimbert, der Bischof von Passau, die Herren von Rote, von Mosebach, von Poren, Meisaha, Hagenau, und viele andere.«
»Nun der gute Herzog mag jetzt auch viele Bitterkeit haben, wie mancher hochfahrende Herr«, rief der Scharlachreiter, »er hat ja nicht anders gemeint, als er wolle dem deutschen Reiche die Gnade tun, wenn es ihn zum Könige gewählt haben wird, die Wahl anzunehmen. Und da sitzt nun das Schwäblein Konrad auf dem deutschen Stuhle, und sagt, der große Herzog möge sich beugen. Und der große Herzog will sich nicht beugen, und da werden sie sich bei den Bärten nehmen. Sachsen ist ihm schon abgesprochen, und Bayern wird das Schwäblein seinem Halbbruder dem jungen Markgrafen Leopold von Österreich geben, der nun ein guter Bundesgenosse würde, wenn jemand um ihn wirbt.«
»In Bayern sagen sie, daß der Herzog sich nicht fügen wird, und noch weniger Welf«, entgegnete Witiko.