»Es ist gut«, erwiderte der Bischof, »was ist dein Begehren?«
»Sie beraten auf dem Wyšehrad«, entgegnete Witiko, »ich soll ergründen, was sie sagen, und vorhaben, und soll dem Herzoge die rechte Botschaft bringen.«
»So will ich dir sagen, mein Kind, was ich weiß, und was ich offenbaren kann, reite dann zu dem Herzoge, und verkündige es ihm«, sprach der Bischof. »Das hieße ja nicht ergründen, was sie vorhaben, und dem Herzoge die rechte Botschaft bringen«, antwortete Witiko, »da Ihr selber sagt, hochehrwürdiger Bischof, daß Ihr nicht alles wißt, und nicht alles offenbaren könnt.«
»Nun, und wie willst denn du es ergründen?« fragte der Bischof. »Ich werde in die Versammlung gehen, und werde hören, was sie sagen, und beschließen«, entgegnete Witiko.
»Das willst du tun!« rief der Bischof, »armes Kind, sie werden einen Spruch über dich fällen, und nach dem Spruche verfahren.« »Das weiß ich nicht«, sagte Witiko, »aber ich muß auszuführen streben, was ich dem Herzoge versprochen habe.«
»Und wie kann denn ich dabei dir helfen?« fragte der Bischof.
»Daß sie mich vor sich lassen, und anhören«, entgegnete Witiko. »Das könnte ich dir vielleicht verschaffen«, sagte der Bischof, »und das werden sie um so eher zugestehen, als du dich auf diese Art ihnen selber stellst. Aber es kömmt auf dein Haupt, was dann folgen wird.« »Es kömmt«, sagte Witiko.
»Es ist auch unnütz, daß du dein junges Blut hieher trägst«, sprach der Bischof, »hast du den Mann gekannt, der von mir gegangen ist?« »Nein«; antwortete Witiko.
»Es ist Zdik gewesen, der Bischof von Olmütz, der Sohn des Mannes Cosmas, der die Geschicke dieser Länder aufgeschrieben hat. Er gilt viel in dem Rate unserer Völker, und meint den schon zu kennen, der Herzog sein wird. Hast du den Arzt bei dem Herzoge gesehen?«
»Nein«, sagte Witiko, »nur seine Gehilfen.«
»Er ist in Prag und bei mir gewesen«, sagte der Bischof, »und hat mir eröffnet, daß der Herzog, ehe der halbe Mond vergeht, sterben wird.«
»Das kann der Arzt vielleicht wissen«, antwortete Witiko, »meine Sache aber ist eine andere.«
»Es wird eine große Versammlung sein, zu der viele Menschen herein kommen werden«, sagte der Bischof, »und wenn in derselben Gott unser Herr nicht dem Rechte seine Geltung verschafft, sondern es noch weiter prüft, so kann der Herzog nichts ändern. Hast du noch Eltern?«
»Nur mehr eine Mutter«, sagte Witiko.
»Dir wäre besser, mein Sohn«, sprach der Bischof, »wenn du bei deiner Mutter wärest, bis alles vorüber ist.«
»Das kann nun nicht mehr sein«, sagte Witiko.
»Und für den Herzog ist es einerlei, ob er jetzt weiß, was geschieht, oder ob er es später erfährt«, sprach der Bischof.
»Ich habe ihm jetzt mein Versprechen gegeben«, antwortete Witiko. »Und wenn ich dir gar nicht an die Hand gehe?« fragte der Bischof. »So werde ich meine Sache allein vollführen«, entgegnete Witiko. »Du hast ein vorschnelles Versprechen gegeben«, sagte der Bischof. »Ich habe es überlegt«, antwortete Witiko. »Wie die Jugend überlegt«, sagte der Bischof, »wie ist denn dein Name?« »Witiko«, sagte Witiko.
»Ich forsche nicht weiter«, sagte der Bischof, »Witiko, gehe in deine Herberge, mische dich nicht unter die Leute und in die Gespräche, sage einem der Meinen, wo sie dich finden, ich werde dir zur rechten Zeit eine Botschaft senden.«
»Tut das«, sagte Witiko, »ich werde Euch folgen.«
»So gehabe dich wohl, mein Sohn«, sagte der Bischof.
Er legte leicht die Hand auf den Scheitel des Jünglings, und zog sie wieder zurück. Dieser verneigte sich tief, und ging.
In dem Vorgemache waren jetzt mehrere Männer. Einer geleitete Witiko die Treppe hinab. Diesem sagte Witiko seine Herberge. Dann ließ ihn der Torwart auf die Gasse hinaus, und Witiko ging den nämlichen Weg, den er gekommen war, nach Hause zurück.
Es kamen nun mehrere Tage, in denen Witiko wartete. Er ging in die Stadt, und sah die steinernen Häuser an, die unter den hölzernen standen, und er ging auf die lange hölzerne Brücke, die über die Moldau war, und ging wieder in seine Kammer zurück. Er sah manche Menschen, denen er anmerkte, daß sie von weit herzu gekommen waren, und in der Herberge wurde gesagt, daß, weil des Herzogs Ende nahe sei, eine Wahl sein werde, wer ihm folge.
Da der dritte Tag des Monates Hornung gekommen war, erschien ein Mann des Bischofes Silvester in der Herberge Witikos, und sagte ihm, der Bischof lasse ihm melden, daß er des andern Morgens wohlgekleidet und geordnet sein möge, es werde ein Priester kommen, und ihn in die Versammlung der Lechen führen. Witiko versprach es.
Als der folgende Tag, der vierte des Monates Hornung, angebrochen war, hatte Witiko sein wohlgereinigtes Lederkleid an, die Lederhaube auf dem Kopfe, und das Schwert an der Seite. Als der Priester gekommen war, ging er mit ihm durch die Straßen Prags. In denselben waren Menschen, welche ihre sonntäglichen Gewänder an hatten, in verschiedenen Richtungen gingen, und von den Dingen sprachen, die heute geschehen sollten. Der Priester und Witiko schlugen den Weg nach dem Wyšehrad ein. Menschen gingen desselben Weges. Mancher Reiter zog mit großem Gefolge dahin. Mancher verfolgte einzeln den Weg. So gelangten sie an den Wyšehrad, und gingen durch das Tor ein.
In dem Hofe waren viele Menschen. Der Priester führte Witiko zu einer Treppe, und dann über diese in einen langen Gang. Wenn irgendwo Reisige standen, sagte der Priester ein Wort, und auf das Wort wurden sie vorüber gelassen. Von dem Gange traten sie in ein Gemach. Das Gemach war groß, und in demselben befanden sich sehr viele Menschen. Es waren Diener da, es waren Herren da, selbst Frauen und Mädchen. Von dem Gemache führte eine Tür in ein weiteres Gemach, in das sie gingen, und in dem wieder Menschen waren.
»Hier müssen wir warten«, sagte der Priester zu Witiko. In dem Gemache war noch weiterhin eine sehr große Tür, an der Bewaffnete standen. Als sie eine Stunde gewartet hatten, trat ein Mann aus der hohen Tür, und rief: »Witiko.« »Du mußt allein hinein gehen«, sagte der Priester.
Witiko ging an den Bewaffneten vorüber durch die hohe Tür, der Mann mit ihm, die Tür wurde hinter ihnen geschlossen, und Witiko stand vor der Versammlung.
Es war ein sehr großer Saal. Der Saal war rückwärts und seitwärts ganz mit Menschen gefüllt. Nur wo Witiko stand, war ein größerer freier Raum. Er konnte auf alle sehen, und alle konnten auf ihn sehen. Vorne in der Versammlung, wo ein langer Tisch mit Schreibgeräten stand, saß der Bischof von Prag Silvester. An seiner Linken saß der Bischof mit den dunkeln Augen und dem braunen Barte, welchen Silvester Zdik den Bischof von Olmütz geheißen hatte. Dann saßen mehrere Äbte und geistliche Herren. Seitwärts saßen Priester, die zu den Untergebenen der Bischöfe und Äbte gehörten. Vorne in der Versammlung saß auch ein Mann in einem sammetnen dunkelpurpurnen weiten Gewande, das ein Gürtel zusammen hielt, in welchem aber kein Schwert hing. Auf dem Haupte hatte er eine dunkelpurpurne Haube mit einer weißen Feder. Ein weißer Bart floß auf das Gewand nieder. Neben ihm saß einer in grauem Gewande mit grüner Haube weißer Feder und weißen Haaren. Es war Smil ein Kriegsanführer, den Witiko im Zuge nach Sachsen gesehen hatte. Neben Smil saß einer in schwarzem Gewande mit schwarzer Haube grauer Feder weißem Barte, dann noch mehrere in kostbaren Gewändern. In den Reihen hinter diesen saßen vornehme Herren Böhmens schön geziert. Alle hatten ein Schwert. Witiko kannte keinen, oder er konnte ihn in der Menge nicht erkennen. Unter denen, die ganz rückwärts waren, glaubte er das Angesicht des Reiters zu erblicken, der sich bei Chynow den Sohn des Nacerat geheißen hatte. Auch sah er einen Mann, von dem er meinte, daß er damals Welislaw genannt worden war. Noch einen sah er, der in jenem Gefolge gewesen war, er kannte aber seinen Namen nicht.