Auf Witiko achtete niemand. Er ging mit seinem Priester längs der Mauer nach dem Ausgange. Von dort eilte er gegen die Stadt. Menschen begegneten ihm, die nach dem Wyšehrad eilten. Andere gingen oder ritten von der Versammlung in die Stadt. Auch den Bischof Silvester sah er noch einmal, wie er mit seinen Priestern langsam der Stadt Prag zuwandelte. Witiko ging unter den Menschen, die da waren, an ihm vorüber.
Als er an seiner Herberge angekommen war, verabschiedete er sich von dem Priester, der ihn begleitet hatte, dankte ihm, und bat ihn, daß er dem hochehrwürdigen Bischofe Silvester sagen möge, daß er nicht mehr zu ihm kommen könne, weil er unverzüglich zu dem kranken Herzoge reiten müsse. Der Priester entfernte sich, und Witiko ging in das Haus. Dort sah er nach seinem Pferde, verlangte ein weniges zu essen, und da beide er und das Tier gestärkt waren, tat er wieder die Pelzdinge über seine Lederkleidung, verwahrte seine Füße, nahm seinen Wurfspieß, bestieg das Pferd, und ritt aus der Stadt hinaus.
Er schlug den Weg nach Mitternacht ein, und ritt in einem großen Bogen gegen Hostas Burg. Er gestattete sich nur den Aufenthalt, der zur Stärkung und zum Ausruhen des Pferdes notwendig war. Die Nachtherbergen machte er so kurz, als seine Wegkenntnis und die Jahreszeit zuließ.
Am neunten Tage des Monates Hornung traf er in Hostas Burg ein. Er ging sogleich zu dem Herzoge. »Bringst du mir die Nachricht?« fragte der Herzog.
»Ja«, sagte Witiko, »am vierten Tage des Monates Hornung ist in einer großen Versammlung auf dem Wyšehrad von vielen hohen und niederen Herren beider Länder Wladislaw der Sohn deines verstorbenen Bruders des Herzogs Wladislaw für den Fall deines Todes zum Herzoge von Böhmen und Mähren erwählt worden.« »Von wem hast du die Nachricht?« fragte der Herzog. »Von mir selber«, entgegnete Witiko, »ich bin in der Versammlung gewesen.«
»Du bist in der Versammlung gewesen?« fragte der Herzog, »wie ist das möglich geworden?« »Ich habe den hochehrwürdigen Bischof Silvester gebeten, daß er bewirke, daß sie mich hören«, entgegnete Witiko, »sie haben mich gehört, und haben mich in der Versammlung gelassen.«
»Es ist mir leid um dich, mein Sohn, daß ich nicht länger lebe«, sagte der Herzog. »Wer hat gesprochen?« fragte er nach einem Weilchen.
»Znata der Sohn des Tas hat den Antrag gestellt«, antwortete Witiko, »dann hat Zdik der Bischof von Olmütz deinen Neffen gepriesen, und dann hat Nacerat, der andere Sohn des Tas, ihn durch eine lange Rede empfohlen, und dann haben sie ihn ausgerufen, und es hat niemand mehr gesprochen und gehört.«
»Was hat der Bischof Silvester gesagt?« fragte der Herzog. »Er hat die Wahl verdammt«, entgegnete Witiko, »und da sie nicht abgingen, hat er sein Amt niedergelegt. Er wird bald hier sein, läßt er dir melden.«
»Und die andern?« fragte der Herzog. »Der alte Leche Bolemil hat lange für dich gesprochen, und der Zupan Diwiš«, sagte Witiko.
»Wo hast du das Kreuzlein?« fragte der Herzog.
Witiko griff in sein Lederwams, zog das rotsammetne Beutelchen hervor, und reichte es dem Herzoge. Der Herzog nahm es, zog das Kreuzchen heraus, küßte es, steckte es dann wieder in das Beutelchen, und legte es mit demselben in den Holzschrein hinter dem Bette.
»Es ist gut«, sagte er, winkte Witiko mit der Hand zu gehen, wendete sich im Bette seitwärts gegen die Wand, und sprach nicht mehr. Witiko verließ das Gemach.
Am nächsten Tage ließ er Witiko zu sich rufen. In dem Gemache war noch Adelheid seine Gattin, die Tochter des ungarischen Herzoges Almus, dann war noch da Maria seine Tochter, die Gattin des österreichischen Markgrafen Leopold, dann sein ältester Sohn Wladislaw, dann Boreš der Kastellan von Hostas Burg, dann zwei Priester, zwei böhmische Herren und der Arzt.
»Ich habe euch rufen lassen, tretet näher«, sagte der Herzog.
Als es geschehen war, fuhr er fort: »Dir, Witiko, bin ich großen Dank schuldig, meine Herzogin wird ihn abstatten. Ihr andern höret: Mein Vater der König Wratislaw hat die Kirche auf dem Wyšehrad neu erbaut. Er liegt in ihr begraben. Meine Mutter Swatawa liegt neben ihm. Legt mich neben beide, wenn ich werde gestorben sein. Jetzt geht.« Sie entfernten sich.
An demselben Tage ließ die Herzogin Adelheid Witiko durch Boreš zu sich führen. Boreš führte ihn in eine große Kammer, in der verschiedene Dinge waren. Adelheid stand neben zwei Frauen. Als er eingetreten war, ging sie ihm entgegen, reichte ihm ihre weiße Hand, und sagte: »Schöner Jüngling, du hast eine gute Handlung vollbracht. Der Herzog hält sie für sehr hoch. Wir sind dir vielen Dank schuldig. Ich sage ihn dir in guten und in herzlichen Worten. Nimm diese Gewänder, nimm diese Waffen, nimm dieses Waffenhemd, und nimm dieses Kästchen mit Gold, du bist noch jung, du kannst es brauchen. Du darfst diese Dinge nehmen, die Gaben des Herzogs ehren ja sonst Hoch und Gering. Ich aber sage dir, bleibe so, wie du jetzt bist.«
Witiko antwortete: »Hohe Frau! ich bin wohl unerfahren; aber ich werde mich bestreben zu lernen, was ein Mann bedarf. Diese Geschenke habe ich nicht verdient; ich nehme sie als eine Gnade von dem guten und armen Herzoge und von Euch, erlauchte Herzogin, und werde sie stets mit treuem Danke bewahren.«
Die Herzogin berührte mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand seine Locken, machte ein Kreuz auf seine Stirne, und winkte ihm, sich zu entfernen. Er neigte sich, und tat es. Ein Mann, der mit Boreš gekommen war, trug ihm die Geschenke in eine Kammer.
Am andern Morgen reiste Maria die Markgräfin nach Österreich zurück. Sie mußte dahin, weil ihr Gatte die Burg auf dem Kahlenberge verlassen hatte, um wieder zu dem Kriege gegen Bayern zu rüsten, das ihm von seinem Halbbruder dem deutschen Könige Konrad an der Stelle des stolzen Heinrich zugewiesen worden war, und das er zu gewinnen suchte. Männer, welche schöne Eisenplatten unter ihren Pelzgewändern hatten, und Frauen in Winterkleidern begleiteten sie. Es waren österreichische Herren und Ritter, und Frauen Marias. Der junge Wladislaw und mehrere böhmische Herren schlossen sich dem Geleite an. Witiko sah aus dem Fenster seiner Kammer den Zug.
Gegen den Mittag desselben Tages kam der Abt von Ostrow, und etwas später kamen mehrere böhmische Herren: der alte Diwiš, Bolebor, der alte Lubomir, Wšebor, und Chotimir.
Am Nachmittage kam der Bischof Silvester. Es war Otto der Propst von Prag bei ihm, Hugo der Propst von Wyšehrad, der Abt von Kladrau, Daniel und einige Priester.
Der Bischof ging in das Krankengemach. Als ihn der Herzog erblickte, sprach er: »Silvester, du Freund meiner jungen Tage, entbinde mich von meinen Sünden, wenn sie mir Gott verzeihen kann.« Der Bischof kniete vor dem Bette auf einen Schemel, und tat ein kurzes Gebet. Dann wurden die Vorbereitungen gemacht, und am Abende empfing der Herzog von dem Bischofe die letzten Tröstungen des Glaubens.
Am andern Tage dem zwölften des Monates Hornung verlangte der Herzog, daß seine Angehörigen, dann die Herren und Priester, die in der Burg waren, und Witiko, zu ihm kommen. Als es geschehen war, winkte er seinen Sohn Wladislaw näher, und sprach: »Mein erstgeborner Sohn Wladislaw! du bist von dem deutschen Könige Konrad mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnt, und von den Herren beider Länder auf dem Tage in Sadska anerkannt worden. Jetzt aber haben sie auf dem Wyšehrad deinen Vetter Wladislaw den Sohn meines verstorbenen Bruders des Herzogs Wladislaw für meinen Tod zum Herzoge gewählt. Unterwirf dich ihm, und gehorche ihm, daß die Sünden nicht werden, welche in meiner Jugend gewesen sind. Nacerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ihr habt meine Worte gehört, du Witiko bist noch jung, und wirst sie auf viele Jahre hin bewahren, und Adelheid wird sie meinen andern Kindern, wenn sie herangewachsen sind, verkündigen. Jetzt könnt ihr euch entfernen.« Die Männer gingen aus einander.