Er entließ sie, und sie entfernten sich.
Da diese Herren ihr Gefolge ausgelesen, sich gerüstet, und die Schriften empfangen hatten, ritten sie ihrer Bestimmung zu.
Als sich der Monat März zu Ende neigte, kam die Braut Wladislaws, Gertrud, die Schwester Leopolds des Markgrafen von Österreich nach Böhmen. Ein großes Geleite von Frauen und Herren war bei ihr. Es waren Chunrad von Asparn, Bruno von Pusinberg, Wernhard von Brun, Hadmar und Albero von Chunring, Heinrich von Gundramsdorf, Marchard von Hintberg, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk und Wolftrigil von Stein. Der Herzog sendete ihr eine gleiche Zahl von Männern entgegen: Nacerat, Smil, Ben, Znata, Milota, Bartholomäus, Wecel, Drslaw, Domaslaw, und Stibor. Sie legten alle Pracht an, welche ihr Reichtum erlaubte, erwarteten den Zug an der Grenze, und geleiteten ihn nach Prag. Dort wurde die Vermählung vollzogen, und der Herzog Wladislaw und die Herzogin Gertrud gingen sogleich gegen Würzburg, um am siebenten Tage des Monates April mit dem deutschen Könige Konrad, dem Halbbruder Gertruds, in dieser Stadt zusammen zu treffen.
Als Wladislaw wieder zurück gekommen war, ritt er mit einem Geleite in seine Burgen. Er ritt in die erste, untersuchte sie, und ordnete an. Dann ritt er in die zweite, und tat desgleichen, und so fuhr er fort.
Witiko aber, da er Silvester verlassen hatte, ritt gegen Mittag durch die Orte Dobriš Pisek und Netolic, bis er zu dem großen Walde gekommen war, der im Mittag und Abende das Land Böhmen von dem Lande Bayern schied. Es war jetzt Schnee auf seinen Zweigen und zwischen seinen Stämmen, und oft längere Zeit die Stille des Winters. Witiko ritt in die Gehölze hinein, und in ihnen fort. An manchen Strecken hatte er einen Führer. Am Mittage des dritten Tages, da er im Walde ritt, kam er über einen sanften Waldhang zu einem flachen spitzigen aber baumlosen Berg, auf dessen Gipfel ein rotes Kreuz stand. Witiko ritt an dem Berge vorüber, und kam an dessen Mittagseite zu einer hochfenstrigen Kirche, deren Turm ein braunrotes Keildach hatte, darauf kein Schnee war. Die Kirche war in geringer Entfernung mit einer Mauer umgeben. Von ihr ging das Land sanft gegen Mittag nieder, und es standen auf ihm zwei Zeilen von Häusern und Hütten hinab. Hinter und zwischen den Häusern und Hütten standen noch Bäume des Waldes. Weiter unten war ein kahles Tal, und jenseits des Tales stand eine Waldwand, welche höher und mächtiger war als alle, die Witiko bisher überritten hatte. Im Mittage dieser Wand mußten die Fluren sein, durch die Witiko vor zwei Jahren gekommen war, als er von Heinrich und den Angehörigen desselben Abschied genommen hatte.
Er ritt an der Ringmauer der Kirche vorüber, und ritt dann zwischen den Häusern hinunter. Gegen das Ende derselben lag ein wenig gegen Morgen von den andern entfernt ganz allein ein steinernes Haus. Witiko lenkte von seiner Richtung ab, und ritt auf einem schmalen Schneepfade, der sich ihm bot, dem Hause zu. Als er dort angekommen war, ritt er durch das Tor, das sich in einer Mauer, die vom Hause weg ging, befand, und offen stand, in den Hof. Der Hof war gebildet durch das Haus, den Torbogen, einen steinernen Schoppen, eine steinerne Scheuer und einen steinernen Stall. Witiko stieg im Hofe von seinem Pferde. Da kam ein alter Mann aus dem Hause. Da ihn Witiko erblickte, rief er: »Sei gegrüßt, Martin.«
Der alte Mann rief: »Witiko, Ihr seid es, um Gott, welch eine Freude. Da müssen wir ja gleich das Pferd versorgen.«
Sie führten das Pferd in den Stall, befreiten es von Sattel und Zaum, hingen es mit einer Halfter an, und deckten, daß es sich langsam abkühle, eine große Wolldecke, die da war, über den Leib. Dann schlossen sie die Stalltür gut zu, und gingen in die Stube. »Da seid Ihr wieder nach so langer Zeit, Witiko«, rief der alte Mann.
Witiko legte seinen groben Wollmantel ab, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und setzte sich selber auf einen Stuhl. »Ja, da bin ich«, sagte er, »und werde wohl eine gute Weile bei euch bleiben.«
»Das ist sehr erfreulich«, antwortete der alte Mann, »aber wie werdet Ihr im Winter in dem Walde bleiben können?«
»Im Winter, und vielleicht noch länger«, sagte Witiko.
»Da muß ja das Haus zubereitet werden«, erwiderte der Mann.
Er ging nach diesen Worten zu der Tür der Stube und rief hinaus: »Lucia! Lucia!«
Eine Magd kam herein, welche in einen kurzen dunkeln und faltigen Rock gekleidet war, eine weiße Schürze und ein weißes Tuch um das Haupt hatte. Sie fragte nach dem Begehren des alten Mannes.
»Der Sohn der Herrin dieses Hauses wird im Winter und im Sommer und vielleicht noch länger hier bleiben«, sagte er, »du mußt ihm ein Essen bereiten, mußt in den Ofen neues Holz legen, und mußt das Haus in den gehörigen Stand setzen.«
»Ich werde sogleich heizen«, sagte das Mädchen, »werde Speisen auf den Herd setzen, und wenn die Dinge ins Sieden kommen, werde ich zu Dorotheens Agathe gehen, daß sie mir mit ihrer Schwester bei dem Ordnen des Hauses hilft.«
»Tue so«, sagte der alte Mann, und die Magd verließ das Zimmer. Dann sagte der alte Mann zu Witiko: »Wir haben schon gegessen, und Ihr müßt nun ein wenig warten, bis für Euch aufs neue etwas bereitet wird.«
»Ich kann leicht warten«, entgegnete Witiko.
»Ihr seid sehr lange nicht in diesem Eurem Hause gewesen«, sagte der Mann. »Nun bin ich hier«, entgegnete Witiko.
»Möge es Euch eine gute Herberge werden«, sagte der andere.
»Wie es ist, wird es mir recht sein«, antwortete Witiko.
Er stand nach diesen Worten auf, schnallte sein Schwert von seiner Hüfte, legte es auf den Tisch, und sagte: »Hier werde ich es wohl nicht brauchen.« Eben so zog er seine Pelzhandschuhe von den Händen, und legte sie zu dem Schwerte. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl, und sagte: »Hier bin ich also.«
Der alte Mann setzte sich in einiger Entfernung von Witiko auch auf einen Stuhl, und fragte nicht, woher der junge Reiter gekommen sei. Witiko sprach auch nicht, und so saßen sie eine Weile schweigend da. Dann sagte Witiko: »Wir müssen nun weiter zu dem Pferde sehen.«
Sie standen auf und gingen in den Stall. Witiko befühlte mit der Hand das Tier, ob es gut ausgekühlt sei. Dann gab er ihm reinen Haber in den Born. Der alte Mann streute frisches Stroh, wenn es sich später zur Ruhe legen wollte. Auch brachte er ihm nach einer Zeit Wasser zum Trinken. So gingen sie öfter zu dem Tiere, bis es versorgt war.
Nachdem eine Stunde seit der Ankunft Witikos vergangen war, kam die Magd mit weißem Linnenzeuge in die Stube, legte die Lederhaube und das Schwert und die Handschuhe von dem Tische auf eine Bank, und deckte das Linnenzeug über den Tisch. Dann legte sie einen hölzernen Teller und Eßgeräte vor Witiko. Hierauf brachte sie Brot gesottenes geräuchertes Schweinfleisch geschnittenen gesäuerten Kohl, Klöße, die aus Roggenmehl bereitet waren, und Bier.
Witiko aß von den Speisen nach seinem Hunger, und trank von dem Biere nach seinem Durste. Sodann wurde der Tisch abgeräumt.
Hierauf öffnete Lucia eine Tür, welche in eine Kammer führte, die sich neben der Stube befand. Zwei andere Mädchen kamen mit Wasser in Zubern, mit Strohknäueln und Sand, und begannen, den Fußboden der Kammer zu scheuern. Da sie mit dieser Arbeit fertig waren, wurden die Fenster der Kammer geöffnet, daß die kalte Winterluft den Boden trockne. Hierauf wurde auf ein Gestelle, das aus Tannenbalken und Tannenbrettern gemacht war, frisches reines Stroh gebunden, auf das Stroh wurde weiße Leinwand gedeckt, und auf die Leinwand wurde ein Strohpolster und wurden wollene Decken und Felle zu Witikos Nachtlager gelegt. Dann wurden die Fenster geschlossen, der trockene Boden wurde mit weißem Sande bestreut, und in dem Ofen wurde ein Feuer aus Tannenscheiten angezündet. Als die Kammer durchwärmt war, wurde Witikos Mantel sein Schwert seine Lederhaube und seine Handschuhe in dieselbe getragen, und ein Teil dieser Dinge auf eine Bank ein Teil auf eine Truhe, die da stand, gelegt. Darauf wurde er gebeten, auch in die Kammer zu treten.