»Mit Eurem Wohlnehmen werde ich einen Tag rasten, und dann auf den Rückweg gehen«, sagte der Mann. »Tue nach deinem Gefallen«, entgegnete Witiko, »wo ist denn die erlauchte Herzogin?« »Ei in Hostas Burg«, antwortete der Mann. »Ist sie noch in der Burg, in welcher ihr erlauchter Herzog gestorben ist«, sagte Witiko. »Sie schläft in dem Gemache, in welchem der Herzog gestorben ist«, sagte der Mann.
»Und wer ist bei ihr?« fragte Witiko. »Ihre kleinen Kinder«, sagte der Bote. »Und wo ist Wladislaw?« fragte Witiko. »Er ist nach Mähren entflohen, weil er den neuen Herzog fürchtet«, antwortete der Bote. »Hat sie ihren Schmerz gemildert?« fragte Witiko. »Ja«, erwiderte der Bote, »sie sagt gar kein Wort.« »Wird sie lange in Hostas Burg bleiben?« fragte Witiko. »Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann. »Es ist gut«, sagte Witiko, und schwieg. »Ich habe auch einen Brief von Boreš«, sagte der Mann. »Nun, so gib ihn«, sagte Witiko.
Der Mann nestelte sein Wams auf, zog ein graues Papier daraus hervor, wickelte es auf, und tat ein Päckchen Papier heraus, das mit rotseidenen Bändern umwickelt, und mit Wachs versiegelt war. Witiko öffnete das Papier, las die Zeilen, die es enthielt, und sagte: »Ich werde dir eine Antwort mitgeben.« Dann ging er in seine Kammer.
Der Bote blieb an diesem Tage und an dem folgenden in dem steinernen Hause. Er legte sich in die Heustelle in dem Stalle, wo sein Pferd stand, schlafen. Am dritten Tage morgens richtete er sich zur Rückkehr. Er erhielt von Witiko seinen Lohn und den Brief an Boreš. Dann ritt er in seinem braunen Oberkleide und in seiner schwarzen Lammshaube auf dem schmalen Schneepfade zu den Häusern hinein, zwischen den Häusern empor, am Kreuzberge vorüber, und den Waldhang hinan, über den Witiko vor sechs Tagen herab gekommen war.
Da der Bote das steinerne Haus verlassen hatte, war es wieder wie vorher. Witiko legte das weißgraue Wollstoffgewand, welches fertig geworden war, an, und setzte die graue Filzhaube auf sein Haupt. Das Gewand bestand in einem Rocke, der mit Haften zusammen gehalten wurde, und in Beinbekleidungen, über welche die Stiefel empor gingen. So blieb er nun immer. Er teilte sich mit Martin in die Leitung des Hauswesens, beriet sich mit Martin, ordnete manches an, und tat manche Arbeit. Täglich ritt er auf seinem Pferde in der Zeit von fast zwei Stunden in den Wald. Außerdem ging er auch auf Bergen und in Tälern herum, und durchforschte sie. Er ging öfter auf den Kreuzberg, und blickte herum. Die Pflege seines Pferdes besorgte er mit der Hilfe Martins selbst.
Am Abende, wenn das Licht auf der Leuchte brannte, kamen immer wieder Männer. Es kam jetzt auch zuweilen Peter Laurenz der Schmied, es kam Paul Joachim der Maurer, Adam der Linnenweber, dann Zacharias der Schenke, Mathias, Norbert, Jakob und andere. Wenn Rockenfahrt in Witikos Stube war, und zu derselben Mädchen und auch Frauen mit ihren Spinnrädern kamen, um in der Stube zu spinnen, fanden sich auch junge Männer und Jünglinge ein, wie Philipp der Steiger, Maz Albrecht, der rosenwangige Urban, der der Vetter des Schmiedes Laurenz war, Veit Gregor, Lambert der Zimbelschläger, Wolfgang, Andreas, Augustin der Pfeifer, und mehrere. Dann sangen zuweilen die Mädchen, zuweilen sangen die jungen Männer, oder beide zugleich, oder beide in Wechselliedern. Um die neunte Stunde gingen sie nach Hause.
Witiko war manches Mal abends auch in einem anderen Hause, so wie Martin, oder der Knecht Raimund, oder Lucia, wenn sie auf einer Rockenfahrt war. Dann aß er von dem Brote und Salze, das ihm gereicht wurde, saß im Lichte der Leuchte, und sprach mit den Männern oder den Frauen, die gegenwärtig waren. Er besuchte zuweilen auch eine Rockenfahrt, saß unter den Sängern und Sängerinnen, die spannen, und lobte oder tadelte einen Gesang, wie es fiel. Bei einem Vergnügen, wenn etwa ein Tanz war, wo der Fiedler die Geige klingen ließ, der Pfeifer pfiff, der Zimbelschläger die Schlägel rührte, oder wenn man sich auf dem Eise versammelte, sah er zu, und hielt zuweilen mit. Er besuchte nach und nach alle Bewohner des Ortes, und wenn er auf der Gasse ging, und ihm einer begegnete, oder wenn er im Freien wandelte oder ritt, und einer etwa auf einem Schlitten aus groben Bohlen Dünger auf ein Feld führte, oder Holz nach Hause brachte, oder zu einer Arbeit oder in den Wald ging, so blieb er bei ihm stehen, und redete mit ihm. Er war öfter bei dem greisen Pfarrer, und der Pfarrer war öfter bei ihm. An Festtagen war er in der Kirche, in welcher sich die Bewohner des Ortes versammelten, und in welche auch Menschen aus manchem Häuschen herbei kamen, das im Walde versteckt war.
Er betrachtete die Arbeiten der Bewohner, und suchte sie kennen zu lernen, wie sie ihre Vorräte aufbewahrten, und zur Verzehrung einteilten, wie sie ihre Tiere erzogen, wie sie die Feldgeräte herrichteten, Pflüge Eggen Wägen Rechen Schaufeln Zuber Körbe und dergleichen, wie sie mit Axt Säge und Hammer Ausbesserungen an ihren Häusern machten, oder Holz, das sie im Winter gefällt hatten, auf dem leichteren Mittel des Schlittens in die Nähe ihrer Wohnungen führten, oder wie sie in wenigen Gewerben die anderen Bedürfnisse ihres Lebens aufbrachten.
Bei gemeinschaftlichen Arbeiten half er mit, wenn etwa ein Weg durch den Schnee zu brechen war, oder wenn ein Pfad zu finden, und mit Reisern zu bezeichnen war, da der alte samt seinen Reisern unkenntlich geworden war, oder wenn man gegen einen Wolf oder ein anderes Waldtier ging, oder Anstalten traf, ein solches ferne zu halten.
Er beteiligte sich auch bei allgemeinen Angelegenheiten in Beratungen, oder wie es sonst begehrt wurde.
So ging die Zeit hin, es mochte eine heitere trockne Wintersonne sein, oder Schneegestöber sein, oder Sturm sein, oder der Winternebel in die Zweige der Tannen herab reichen.
Die Tage wurden länger. Die Sonne war morgens schon sehr zeitlich über den Föhren heroben, und am Abende stand noch spät die blaue Seewand im Golde des Himmels. Das Heulen des Wolfes war nicht mehr zu vernehmen, dafür tönte der Schrei des Hirsches, oder der Ruf des Auerhahnes, oder ein schneller Klang der Frühlerche.
Der Reif ging von den Wäldern, daß sie dunkel da standen, der Schnee rann als Wasser von den Bergen und durch die Senkung der Täler, bis kein kleines Teilchen der Hülle mehr sichtbar war. Die längliche Tafel des Tales zeigte nun in ihrem unteren Teile Wiesen, und in dem fahlen Wintergrase war die blaue Schlange der Moldau.
Weiter oben waren die braunen Streifen der geackerten Felder, oder die grünen derer, die Wintersaaten trugen, dann war der Wald.
Es begannen nun die Frühlingsarbeiten, und Martin und Raimund rückten mit ihren Gespannen in ihr Feld, und gedungene Lohnarbeiter halfen ihnen, und Witiko war auch dabei, und legte, wo es nötig war, Hand an, bis die Wiesen und Felder bestellt waren, und ihrer Ruhe und Entwicklung entgegen harren konnten.
Die Wintersaaten wurden höher und grüner, die Sommersaaten keimten, die Wiesen färbten sich dunkel, der Waldkirschenbaum, welcher im Sommer die kleinen schwarzen Kirschen bringen sollte, war mit weißen Blüten überdeckt, die Schlehe und der Kreuzdorn blühten, der Holzbirnbaum auch, darnach begann der Waldapfelbaum, die Tannen setzten die neuen lichtgrünen Sprossen an, und endlich öffnete sich auch die Blume der lichteren und dunkleren Waldrose mit den fünf Blättern, die am Hage oder am Saume des Waldes dahin stand.
Die Herden des Ortes gingen mit ihren Hirten in die Wälder empor, wo Rasen zwischen den Föhren und andern Bäumen war, die Kinder spielten in der Sonne, und die Mädchen sangen, wenn sie das junge Gras aus dem Walde trugen, jetzt in die blaue Luft empor. Sie hatten nicht, wie tiefer im Lande, die weiten Gewänder, sondern kurze faltige Röckchen und eine Schürze, und sie hatten weiße oder rote Tücher um das Haupt und die Schultern, und öfter gingen zwei Zöpfe über den Rücken des Mieders bis zu dem Röcklein hinunter.