»Das weiß ich nicht«, entgegnete das Mädchen, »aber wenn du mir mehr von dir sagst, so sage ich dir auch mehr.«
»Ich kann dir nicht viel sagen«, antwortete der Reiter, »ich habe eine Mutter, die in Bayern wohnt, mein Vater ist gestorben, und ich reite jetzt in die Welt, um meine Lebenslaufbahn zu beginnen.«
»So will ich dir auch etwas sagen«, erwiderte das Mädchen. »Meine Eltern haben von hier weiter oben ein Haus. Wir würden es erreichen, wenn wir hier in den Wald gingen, wo ich mit meiner Gespanin herausgetreten bin, wenn wir in dem Walde nach aufwärts gingen, bis wir ein Wasser rauschen hörten, und wenn wir dann zu dem Wasser gingen, und demselben immer entgegen, dann würden endlich Wiesen und Felder kommen, und in ihnen das Haus. An dem Hause ist ein Garten, wo die Sonnenseite ist, und in dem Garten stehen viele Blumen. Und an der Hinterseite des Hauses geht ein Riegel gegen die Tannen, auf welchem viele Waldrosen stehen, und diese nehme ich oft.«
»Hast du die Rosen heute aus Eingebung genommen? Sie sind mir ein Zeichen, daß meine Fahrt gelingen wird«, sagte der Reiter.
»Ich habe einen Metallring, in welchen die Rosenstiele passen«, sagte das Mädchen, »habe heute Rosen genommen, habe sie in den Ring gesteckt, und den Ring auf das Haupt getan.«
»Weil wir noch mehr sprechen werden«, sagte der Reiter, »so gehen wir ein wenig an dem Waldsaume hin, woher du mich kommen gesehen hast. Da werden wir Steine finden, welche zu Sitzen taugen. Auf dieselben können wir uns setzen, und dort sprechen.«
»Ich weiß es nicht, ob ich noch mehreres mit dir sprechen werde«, antwortete das Mädchen, »aber ich gehe mit dir zu den Steinen, und setze mich ein wenig zu dir. Ich kenne die Steine, ich selber habe die Sitze machen lassen. Im Sommer ist es am Vormittage dort sehr heiß, am Nachmittage aber schattig. Im Herbste ist es vormittags lieblich und mild.«
Sie wandelten nun in der Richtung an dem Saume des Waldes hin, in welcher der Reiter zu den Mädchen hergekommen war. Sie hatten bald jene Steine erreicht, an denen der Reiter versucht hatte, ob sie zu Sitzen tauglich wären. Er blieb stehen, und harrte, bis das Mädchen sich gesetzt hatte. Es setzte sich auf einen glatten Stein. Der Reiter setzte sich zu ihrer Linken auf einen, der etwas niederer war, so daß nun sein Angesicht mit dem ihrigen fast in gleicher Höhe war.
Das Schwert ragte zu seiner Linken in die niederen Steine hinab. Sie sprachen nun nichts.
Nach einer Weile sagte der Reiter: »So rede etwas.« »So rede du etwas«, antwortete sie, »du hast gesagt, daß du mit mir noch sprechen willst.« »Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich sagen wollte«, entgegnete er. »Nun, ich auch nicht«, sagte sie.
Nach einer Zeit sagte der Reiter: »Es ist wahr, was du gesprochen hast, daß an Vormittagen die Sonne sehr mild auf diese Steine scheint.« Sie antwortete nicht. Nach einer Weile sagte sie: »Trägst du immer diese häßliche Haube auf deinem Haupte?« »Nein, nur wenn ich sie brauche«, sagte er, sie ist sehr leicht herab zu nehmen.«
Bei diesen Worten nahm er die Lederhaube samt ihrem Anhange von seinem Haupte, und eine Fülle schöner blonder Haare rollte auf seinen Nacken herab. Die Haube legte er in das Gras.
»Ach, was Ihr für schöne Haare habt!« sagte das Mädchen. »Und was du für rote Wangen hast«, erwiderte er.
»Und wie blau Eure Augen sind«, sagte sie. »Und wie braun und groß die deinen«, antwortete er.
»Und wie Ihr freundlich sprecht«, sagte sie. »Und wie du lieblich bist«, antwortete er.
»Sagt, wie könnt Ihr nur die Fülle dieser Haare in der ledernen Haube unterbringen?« fragte das Mädchen. »Das mache ich so«, antwortete der Reiter, »ich fasse die Haare, halte sie mit einer Hand, und setze den Helm mit der andern darauf.«
Bei diesen Worten griff er nach dem Lederhelme, faßte mit seiner Linken die Haare, hielt sie auf dem Haupte, und setzte mit der Rechten den Helm darauf. »Ach, das ist schön«, sagte sie. »Nun sind sie bedeckt«, antwortete er.
»Ja, legt nur die Haube wieder weg«, sagte sie. Er nahm den Helm von dem Haupte, und legte ihn wieder an seine vorige Stelle, und die Haare flossen wieder herab.
»Wenn Ihr wollt in den Kampf gehen«, fuhr das Mädchen fort, »wie werdet Ihr dann die Feinde schrecken können, wenn Ihr so freundlich blickt?«
»Wer sagte dir denn, daß ich in den Kampf gehen werde?« fragte der Reiter. »Ich weiß es«, antwortete das Mädchen. »Nun, in meinem Geschicke werden wohl Kämpfe sein«, sagte der Reiter. »Der Kampf ist eine Ehre«, antwortete das Mädchen.
»Wenn er nicht Raub und Gewalt ist, ehret der Kampf«, sagte der Reiter, »wenn man gegen feindselige Menschen den Vater, die Mutter, den Bruder, die Schwester, den Nachbar und das Volk verteidigt, ehret er noch mehr, und muß mit dem ganzen Leben geführt werden. Dazu muß man sich vorbereiten.«
»Ihr habt eines vergessen, das man noch verteidigen muß«, sagte sie. »Was?« fragte er. »Sein Weib«, antwortete sie.
»Ich habe kein Weib, und habe darauf nicht gedacht«, erwiderte er; »aber wenn man schon das ganze Volk verteidigt, so verteidigt man sein Weib mit.«
»Nein, dasselbe muß man am meisten verteidigen«, sagte das Mädchen. »Nun, so verteidigt man es am meisten«, entgegnete der Reiter. »Und wie werdet Ihr dann blicken, daß der Feind weniger Herz hat?« fragte sie wieder.
»Das weiß ich nicht«, antwortete er; »aber ich werde blicken, wie mir's ist, und das wird der Feind verstehen. Dich blicke ich freundlich an, weil ich freundlich gegen dich bin.«
»Und da Ihr sagt, daß man sich zur Verteidigung vorbereiten muß, so habt Ihr Euch vorbereitet?« fragte das Mädchen.
»Weil ich will ein Reiter sein«, antwortete er, »so habe ich gelernt, ein Pferd zu pflegen, und darauf zu reiten; ich habe mich im Angriff und im Schutz geübt, werde im Kriege lernen, und werde einsehen, wie man eine Schar von andern anzuführen hat.«
»Wollt Ihr ein Anführer werden?« fragte sie. »Wenn es sein kann, ja«, antwortete er. »Habt Ihr ein schönes Pferd?« fragte das Mädchen.
»Es ist nicht ein schönes, es ist nicht ein häßliches«, erwiderte der Reiter, »aber unter den guten ist es eines der besten. Es ist gesund und stark, witzig und treu. Ich liebe es, und es liebt mich wieder, und folgt mir.«
»Was hat es denn für eine Farbe?« fragte das Mädchen. »Es ist ein eisengraues Pferd«, entgegnete der Reiter. »Und warum tragt Ihr denn nicht eine Kopfzier, wie die andern hohen Männer?« fragte das Mädchen.
»Ich bin kein hoher Mann«, antwortete der Reiter, »und die Haube ist mir sehr wert. Sieh her, sie ist von der Haut des Elentieres, das weit von hier lebt. Ein Schwerthieb geht nicht durch.«
Bei diesen Worten hatte er den Helm aufgehoben, und ihn dem Mädchen gezeigt. Das Mädchen sah ihn an, und befühlte sein weiches Leder mit den Fingern. »Und ist es denn nicht sehr heiß, wenn Ihr die langen Haare in der Haube tragt?« fragte sie.
»Es ist heißer, als wenn die Haare kurz sind«, antwortete er, »aber Hitze und Kälte muß dem Manne gleich sein. Bei allen alten Völkern hat man lange Haare geliebt, und sie schützen auch gegen Hiebe.«
»Sind Eure andern Kleider ebenfalls von der Haut dieses Tieres?« fragte das Mädchen. »Der Panzer; das übrige ist geringer«, antwortete der Reiter. »Sie haben sonst auch Schienen, ich habe das Leder.« »Ihr habt Euer Schwert in den Wald mitgenommen«, sagte das Mädchen.
»Ich habe es immer bei mir«, entgegnete der Reiter, »außer wenn ich zu Hause in sicherer Kammer schlafe. Schwert ist zugleich Schwert und Schild.«
»Ist es schön?« fragte das Mädchen. »Siehe«, sagte der Reiter. Er wendete die Scheide gegen sich, zog das Schwert daraus hervor, und reichte es ihr dar. Sie nahm es so, daß einen Teil der bloßen Klinge sie hielt, den andern er.